Laparoskopische Leistenbruchoperationen

  • Lieber Herr riol,

    Sie bestätigen, was ich meine: Komplikationen werden höchst selten verhindert - allenfalls gemildert (und bei AOP-Eingriffen sind sie halt ohnehin meist nicht so dramatisch).

    \"IMMER\" kommt bei teuren Innovationen, die z.T ja geradezu handstreichartig zu \"Standards\" werden, nichts Schlechtes heraus - aber eben auch nicht immer etwas Gutes (so werden die Indikationen zu einer Reihe von endoscopischen Eingriffen heute viel zurückhaltender gestellt - man hat halt am Patienten schlechte Erfahrungen gemacht...).

    Aber immer soll es so bezahlt werden, wie durchgeführt, da darf weder geprüft, noch auf andere Behandler verwiesen werden.

    Das ist Basisdemokratie im praktischen Vollzug, und die halte ich für ein ungeeignetes Verfahren in einem doch ziemlich vulnerablen Sozialsystem!

    Ihr Angebot zur sachlichen Zusammenarbeit nehme ich nur zu gerne an - starte aber vorher zunächst mal in den Urlaub!

    Bis danach viele Grüße

    [f3][c=blue]Dr. Annette Busley[/c][/f3]
    Fachgebietsleiterin Stationäre Versorgung

    [f3][c=blue]MDS[/c][/f3] Medizinischer Dienst des
    Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.
    Telefon: 0201 8327-288
    E-Mail: a.busley@mds-ev.de

  • Hallo Frau Busley,

    ob Sie wohl die Sache mit Komplikationen (Art, Häufigkeit, Verlauf etc..) sagen wir mal vor 10 Jahren, als Sie noch eventl. verantwortlich für die Patienten waren (und Klagen wegen eines Kunstfehlers, wegen z. B. nicht rechtzeitigen Erkennens einer Komplikation etc.. befürchten müssten) auch so \"locker vom hocker\" gesehen haben und reine Hypothesen aufstellen würden? Oder haben Sie vielleicht viele Pat. nur deswegen ambulant operiert, weil man ja nach Ihrer Ansicht \"Komplikationen\" auch durch stat. Behandlung ohnehin nicht vermeiden kann?

    Wie man die Dinge betrachtet kommt eben nur darauf an, ob man eine Verantwortung für Patienten trägt und dieser eventl. nicht gerecht wird und ggf. mit einer Strafanzeige rechnen muss. Ob jemand ohne eine solche Verantwortung und Druck sowie ohne die Befürchtung der Folgen seines Handelns überhaupt richtige Entscheidungen am grünen Tisch für den Patienten treffen kann? Ich fürchte, in aller Regel nicht. Daher sind auch viele MDK-Gutachten wider besseres Wissen erstellt, weil diese Kollegen einfach nicht in der Verantwortung für diese Patienten sind (im Ggs. zum Krankenhausarzt) und schon gar nicht irgendwelche (schwerwiegende) Folgen ihres Handelns befürchten müssen.

    Gruß
    Ordu

  • Danke Ordu,
    sie haben mir aus der Seele gesprochen!

    Nun ist Frau Busley leider in Urlaub gegangen und wir müssen den Disput in einigen Wochen noch einmal aufnehmen.

    Ich habe vor einigen Jahren meine Frau operiert und ihr laparoskopisch ein Myom entfernt. Sie hatte mir nicht gesagt, dass sie in der Nacht vorher wegen Kopfschmerzen eine Aspirin-Tablette eingenommen hatte.
    Etwa drei bis vier Stunden postoperativ, -wenn ambulante Patienten schon zu Hause sind-, wurde sie plötzlich kollaptisch, da mittlerweile etwa 2-3 Liter Blut in ihren Bauch gesickert waren. Bei der sofortigen Revision war ein winziges Gefäß eröffnet und hatte über Stunden vor sich hingeblutet.
    Der postoperative Hb lag bei 6 g/l.

    Ich mag mir gar nicht ausmalen, was mit einem etwas indolenten Patienten, der in vielleicht 40 km Entfernung wohnt, in einer solchen Situation passiert.

    Oder die Patienten, bei denen eine ausgedehnte Adhäsiolyse an Darm und Netz gemacht wurde. Gelegentlich treten durch feinste Darmverletzungen postoperative Peritonitiden auf, bei denen jede Stunde zählt, um sie möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

    Wie eine (erfahrene) Chirurgin sagen kann, dass diese seltenen Ereignisse nicht zum Maßstab für eine sorgfältige postoperative Beobachtung gemacht werden dürften, empfinde ich als reinen Zynismus.

    In der Masse erscheint ein Todesfall immer relativ bedeutungslos. Unsere ganze Medizin der letzten 50 Jahre ist aber darauf ausgerichtet, die Risiken und Krankheitsfolgen immer weiter zu minimieren. Wer will heute anfangen dies in Frage zu stellen und zu sagen, bei der und der Erkrankung ist eine Mortalität von x Prozent aus Kostengründen tolerabel?

    Ich bin nicht gegen eine kosteneffektive Behandlung aber ich bin eindeutig dagegen, dass Einzelfallentscheidungen, bei denen die Notwendigkeit oder Dauer einer stationären Behandlung ständig in Zweifel gezogen wird, weil nicht in Romanform die Begründungen für dieses Vorgehen aufgeschrieben wurden.

    Der § 39 SGB V sagt lediglich, dass der Arzt zu prüfen hat, ob eine Behandlung nicht auch ambulant etc durchgeführt werden könnte. Wenn jeder Arzt seine Überprüfung so aufwendig durchführen würde, wie Sachverständige und Gerichte es tun, wäre unsere Medizin in der Tat unbezahlbar.
    Die Kenntniss der Umstände und der Eindruck vom Patienten führen vielfach zu der § 39 -Entscheidung, ohne dass dies im Einzelnen dokumentiert ist.

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Guten Morgen Forum,
    ich bin fest der Überzeugung, dass sich die zeiten gegenüber vor 10 Jahren enorm geändert haben.
    Die Patienten sind selbstbewusster und mündig geworden, die \"Behandler\" vorsichtiger und qualitätsbewusster, da hinter jedem Patienten auch gleich ein Staatsanwalt stehen könnte. Das in die Waage zu bringen mit zu erbringenden ambulantan Eingriffen, ist für den Arzt und Operateur oft eine Gewissensfrage, welche er in der Konsequenz auch zu verantworten hat , bis zur Aberkennung seiner Aprobation. Dazu hat man eigentlich auch sein Gewissen !!!
    Einen Fall im Nachhinein vom \"grünen Schreibtisch\" zu prüfen, ist da völlig unrealistisch, denn zu diesem Zeitpunkt der Prüfung ist dann meist alles gut gegangen (oder auch nicht) und ein \"Hätte,aber, könnte,wäre,müsste\"ist an den Haaren herbeigezogen. Die reale Gewissenssituation vor und wärend des Eingriffs, das abwägen von \"Wenn und Aber\" bleibt sowieso auf der Strecke.
    Nach der Diskussion über Todesfälle an einer Uniklinik bestätigt sich wieder, dass der Artberuf in Deutschland langsam zum \"Schleudersitz\" wird und ich kann nur jeden Kollegen beglückwünschen, der den Absprung, egal wohin, schafft.

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hallo wertes Forum!

    Nur mal so nebenbei bemerkt. Ärzte operieren ambulant! In der Regel läuft es doch so, dass ein niedergelassener Arzt oder ein Krankenhaus eine Leistung als ambulant durchführt. Dies schweigt sich rum und andere ziehen nach. Kein Angebot keine Nachfrage.

    Wären nicht manche Krankenhäuser in den 90er Jahren auf den Zug ambulantes Operieren aufgesprungen. Wer weiß? Jetzt darüber zu Klagen, dass der Leistungsumfang immer größer wird, scheint mir etwas verspätet. \"Die Geister die ich rief...\".

    Vielleicht gibt es eine vergleichende Statistik über die ambulant erbrachten OP\'s gemäß § 115 b von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. Wäre doch interessant zu sehen, ob der niedergelassene Chirurg Hernien lap. ambulant erbringt.

    Wir arbeiten in einem Ballungsgebiet. Hier wird es mit der Gefahr von Nachblutungen als G-AEP-Kriterium schwierig.

    MfG
    Frank Killmer

    Frank Killmer

  • hallo Herr Dr. Heller,

    ich will keineswegs oel in dieses aop-feuer gießen.

    Nur eine anmerkung zur ASS-blutung:
    Zu einem de-weit beachteten justiz-fall einer fatalen blutung nach thyroidectomie (ToDO: Ihren mut hät ich nicht gehabt!) hat Frau Prof Haas (M) in einem editorial formuliert: \"...klar gesagt werden, daß eine spritzende art. blutung und eine gabe von ASS nicht im ursächlichen zusammenhang gebracht werden können. Aspirin führt primär zu sickerblutungen. ...\"
    der fall selbst wird im folgenden art von H Dralle dargestellt/ kommentiert.
    Chirurg 2006;77:453-458

    Selbst wenn es sich nicht um eine art blutung gehandelt haben sollte - bei 1x ass wenige stunden vorher fehlt mir der glaube an diese causa.

    mfg ETgkv

  • Hallo ET, (das GKV lass ich mal weg)

    ich weiß nicht wer Frau Prof Haas ist. Ist sie kompetent? oder nur habilitiert?

    Ist auch egal. Ich stimme ihr zu.

    Ich habe nicht von einer spritzenden Blutung gesprochen.
    Lesen Sie noch mal meinen Beitrag durch. :d_neinnein:

    Wenn jemand 42 km unter vier Stunden läuft müssen nicht alle das können.
    Außerdem kann die Dtrecke gerade oder hügelig sein. Es gibt sogar Berg-
    arathon - Läufer. Wenn so einer behauptet, die Strecke sei unter 4 Stunden zu schaffen, finde ich es nicht angebracht, wenn einer daher kommt, der vor Jahren mal mitgelaufen ist, und behauptet, jeder müsse diese Strecke unter vier Stunden schaffen, egal ob gerade oder hügelig.

    Klar der Vergleich hinkt wie alle Vergleiche. :d_luege:

    Ich überlege mir noch einen besseren. :d_gutefrage:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo Killmer,
    hallo Forum,

    der erwartete Rebound ist ja dann gekommen :biggrin:

    in der Tat operieren niedergelassene Chirurgen (Belegärzte, in MVZ, ist ja auch egal) lap. LH ambulant. Auch Kliniken im Rahmen des § 115b. Und ich will auch gar nicht abstreiten, dass es bis zu einem gewissen Maß auch gut funktionieren wird (USA?!).
    Aber ich glaube, es sollte von der individuellen (OP-)Situation (Erfahrung des OP.) abhängig gemacht werden und eine fakultative Option bleiben, die nicht gefordert werden sollte!
    Vielleicht sollte sich wirklich manch MDKler oder Kassensachbearbeiter in Ruhe mal überlegen, wir er/sie denn gerne versorgt werden würde :d_zwinker:

    Allen ein schönes Wochenende

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

  • Hallo Forum,

    ich wollte zum Thema Hernienoperation (unabhängig von der OP-Methode) auch meine Erfahrungen mit dem MDK in den letzten Monaten schildern.

    Wir planen die konventionellen Hernienoperationen grundsätzlich ambulant. Da wir an einem ambulanten OP-Tag mehrere verschiedene ambulante OP hintereinander erbringen, kann zwangsläufig nicht jeder Patient 8 Uhr operiert werden. Patienten die erst gegen Mittag operiert werden, überwachen wir dann bis ca. 17 Uhr.
    Nun hatten wir im Verlauf des letzten Jahres mehrere Patienten, die zum geplanten Entlassungszeitpunkt so starke Schmerzen angaben, die nicht durch orale Medikation behandelbar waren. Daher erfolgte eine suffiziente Schmerztherapie mit Infusion (kein Perfalgan!). Bei einem Patienten war die Infusionstherapie auch noch am Folgetag nötig und er hatte zum gepanten Entlassungszeitpunkt auch noch keinen Spontanurin.

    In allen Fällen fordert der MDK die Abrechnung als AOP und lehnt die stationäre Betreuung mit folgender Begründung ab:
    \"Eingriff der Kategorie 1, Schmerzmedikation erst 17 Uhr, bei ambulant geplanter Vorgehensweise wäre der Versicherte also bereits zu Hause gewesen (ex ante Sicht)\"
    In einen Fall sollten wir sogar einen Patienten mit subfebrilen Temperaturen entlassen, lt. MDK hätte er ja wiederkommen können, wenn das Fieber weiter gestiegen wäre.

    Hier wird die ex ante-Sichtweise des behandendelen Arztes aus meiner Sicht vom MDK auf unverantwortliche Weise interpretiert, denn die Argumentation des MDK bedeutet nichts anderes als: Hätten wir den Patienten früher entlassen, hätten wir nicht mehr bemerkt, dass er Schmerzen hat. Der Pat. hätte sich dann den KV- oder Notarzt holen müssen. Was hat das noch mit Qualität und humaner Behandlung zu tun.

    Nur in Falle des fiebernden Patienten und des Patienten mit Harnverhalt hatte der Widerspruch Erfolg.

    Die MDKler und Kassensachbearbeiter brauchen sich wahrscheinlich keine Gedanken machen, wie sie versorgt werden wollen. Sie genießen eine Sonderstatus in der sog. \"Mitarbeiterkrankenkasse\". Wir hatten vor ca. 1 Jahr eine Fall, wo keine Ind. für die stationäre Durchführung bestand und wir ambulant operieren wollten. Was wir nicht wussten, die Pat. war KK-Mitarbeiterin. Innerhalb von 1 Stunde :i_respekt: hatten wir ein Fax auf dem Tisch, dass die KK einen Belegungstag übernimmt, obwohl keine AEP-Kriterien erfüllt waren, war wahrscheinlich die Override-Option \"KK-Mitarbeiter\" :biggrin:
    Ich kann nicht sagen, ob das ein Einzelfall war und ob das heute noch so möglich wäre. Trotzdem hat es mich damals sehr geärgert, wenn wir gleichzeitig andere, auch betagte Patienten nach Hause schicken müssen.

    Viele Grüße

    MC

  • Hallo Medizin-Controller1,

    den ewigen Ärger mit den Hernienoperationen kann ich teilweise verstehen. Nicht nachvollziehbar ist für mich das Zitat \"Sonderstatus in der Mitarbeiterkrankenkasse\".

    In meiner ganzen Zeit als KK-Mitarbeiter habe ich weder von dem beschriebenen Sonderstatus gehört, geschweige denn von diesem \"profitiert\". Die große Menge kanns ja wohl auch nicht sein, bei einem Fall in einem Jahr (wie von Ihnen geschildert).

    Ich denke Sie können diesen KK-Mitarbeiterfall getrost in die Kategorie \"Einzelfall\" einsortieren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Einsparungsprinz

  • Moin,

    Sie sprechen das Problem des \"ersten Patienten\" an. Irgendein Patient muß der erste sein, einer muß auch der letzte sein.
    Das nun der geprüfte der letzte ist, führt dazu, dass man Ihnen vorhält, wäre er früher dran gewesen, hätte sich alles anders entwickelt.
    Dies ist beim besten Willen keine ex ante Sicht, da ja die Entwicklung des einzelnen Falles nicht vorhergesehen werden kann.

    Ähnlich verhält es sich z.B. bei Kindern. Wenn das erste Kind um 7 die Anästhesieeinleitung erfährt, wann soll es aufstehen und im KH erscheinen?

    Natürlich hätte es auch als 2. Patient gelistet werden können, dann aber wäre ein anderes Kind als erstes an der Reihe gewesen.

    Diese organistaorischen Aspekte sind m.E. nicht lösbar.

    Gruß

    merguet