Hallo Geoff,
Sie haben meiner Auffassung nach nichts übersehen.
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) §17c Abs. 2b Satz 1 neu bestimmt das (Vorschaltung Prüfebene vor Sozialgericht).
Soweit ich diesen meines Erachtens "gesetzgeberischen Irrsinn" [ICD10-GM2019 F20.0 meiner nicht psychiatrischen Auffassung nach] verstehe wird durch das MDK-Reformgesetz eine Prüf- und Verhandlungsebene vor dem Sozialgericht eingezogen. Verhandlungsebene gründet sich auf KHG §17c Abs. 2b Satz 2 neu, welcher bei "ungewissen Abrechnungen" (Zitat) Vergleichsverträge zwischen GKV und KH für den betreffenden Fall legitimiert.
Die Gesamtheit der Änderungen schafft m. E. 2 Prüfungswege mit eimal 4 Ebenen vor dem Sozialgericht (Einzelfall SGB 5 §275c neu i. V. m. KHG §17c neu) und einmal 1-2 Ebenen (Fallgruppen; Strukturprüfung; SGB5 §275d neu) vor dem Sozialgericht.
Da
- die Quotierung der Prüfungen über den im Gesetz nicht bestimmten "Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit" unabhängig von den ermittelten zulässigen Quoten ausgehebelt werden kann [SGB V §275c Abs. 2 Satz 6 neu]
- und die "Verfahren zwischen KK und KH bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes" [KHG §17c Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 neu] weder einer Quotierung noch einer Strafzahlung unterliegen [SGB V §275c Abs. 2 Satz 9 neu und SGB V §275c Abs. 3 Satz 4 neu]
- und die zur erstellende PrüfvV 2020/2021 [KHG §17c Abs. 2 neu] ausdrücklich von den gesetzlichen Bestimmungen nach SGB V §275c Abs. 1 Satz 1 neu abweichen kann [sic!; KHG §17c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 neu]
ergibt sich nach meinem Dafürhalten das mehr als wahrscheinliche Szenario bei einem 2018er Preisschild von 2,8 Milliarden Euro zu Gunsten der GKV mit Beitragsdurchschlagswirkung usw. usf., dass die Körperschaften öffentlichen Rechts nach SGB V §4 (GKV) bei den nun gesetzlich noch expliziter sanktionierten Vorverfahren Gas geben werden. Im übrigen: Nach Daten des Bundesrechungshofs in seinem Bericht nach BHO §88 Abs. 2 an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 06.05.2019 (Gz. IX 1-2016-0785) S. 21, Übersicht 3 sind die Rückzahlungen nach MDK-Verfahren wie folgt im Verlauf:
2012 731 MioEUR,
2013 755 MioEUR,
2014 789 MioEUR,
2015 871 MioEUR,
2016 1011 MioEUR.
2018 waren es nach Angaben von Johannes Wolff (GKV-Spitzenverband Bund) in der Anhörung Gesundheitsausschuss Bundestag am 14.10.2019 2800 MioEUR:
Im Schnitt prüfen die Krankenkassen 17,1 Prozent aller Rechnungen und 3,73 Prozent jeder Krankenhausabrechnung fließen an die GKV-Versicherten zurück. Dieser Rückfluss ist real. Es handelt sich nicht um eine Hochrechnung oder irgendetwas in der Richtung, sondernd der tatsächliche Rückfluss beläuft sich auf 2,8 Milliarden Euro. Die Daten basieren auf einer Abfrage, die wir bei den gesetzlichen Kassen gemacht haben, die 70 Prozent aller GKV-Versicherten abdecken.
Rein wirtschaftlich: Respekt.
2,8 MrdEUR Rückzahlung bei noch nicht mal vollständigen Daten (70% der GKV-Versicherten).
Unter diesem Blickwinkel sind die Strafzahlungen nicht nur ein Anreiz zur "bundestagskorrekten" (Wort erschaffen, weil korrekt in Realität ungleich korrekt nach Bundestag), sondern ein Steuerungsinstrument zur Verschiebung von Rechnungsprüfungen zum Zwecke beabsichtigten Vermehrung des Vermögens der GKV vom MD weg zur GKV. Die "frisch gewonnene" Unabhängigkeit des MD ist damit hinsichtlich der Rechnungsprüfung von begrenzter Wirkung. Und die geplante Begrenzung des bürokratischen Aufwands zwecks Prüfung ist damit ...
Einen Hinweis hierfür gibt der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 06.05.2019.
5 Vorläufige Würdigung und Empfehlung
5.1 Beiderseitiges „Wettrüsten“ statt Entlastung
Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die mit dem Beitragsschuldengesetz verfolgten Ziele bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen nicht erreicht wurden. Krankenhäuser sehen sich seit Jahren mit einer steigenden Zahl von Interventionen durch die Krankenkassen konfrontiert. Dies und die steigende Komplexität der Abrechnungsregeln stellen sie vor hohe administrative Herausforderungen. Unbeschadet seiner mitunter regen Inanspruchnahme blieb das Vorverfahren – bundesweit betrachtet – hinter den Erwartungen des Gesetzgebers zurück. Es bewirkte nicht die angestrebte Entlastung des Medizinischen Dienstes, dessen Inanspruchnahme seit Jahren auf hohem Niveau verharrt. Vielerorts bestehen massive Rückstände.61 Die Ent-wicklung der sozialgerichtlichen Verfahren in den vergangenen Jahren deutet auf keine frühzeitige Bereinigung potentieller Konflikte bei Krankenhausabrechnungen hin.
[...]
Bei Krankenkassen besteht eine vergleichbare Situation. Sie betrachten Abrechnungsprüfungen und die erzielten Rückzahlungen ebenfalls als besonders wettbewerbsrelevant. Eine Ausweitung der Prüfungen lohnt sich grundsätzlich, weil dadurch noch mehr fehlerhafte Abrechnungen identifiziert und weitere Rückzahlungen erzielt werden. Allerdings werden die Krankenkassen durch die Aufwandspauschalen an die Krankenhäuser in den Fällen belastet, in denen die Überprüfung zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Diese Zah-lungen beliefen sich im Jahr 2016 auf 144,5 Mio. Euro.
[...]
5.4 Erwartungen an die Selbstverwaltungspartner nicht erfüllt
Der Bundesrechnungshof hat zudem darauf hingewiesen, dass die Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner nicht ausreichend dazu beigetragen haben, Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu vermeiden. Die Selbstverwaltungspartner handelten weitgehend interessen-geleitet, Einigungen beschränkten sich auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“. Die umfassenden Möglichkeiten zur gemeinsamen Ausgestaltung der Abrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschöpft. Die PrüfvV kam nur schlep-pend zustande, wichtige Verfahrensfragen blieben dabei offen, gemeinsame verbindliche Empfehlungen der Selbstverwaltungspartner existieren nicht undder Schlichtungsausschuss wurde bislang nur einmal angerufen. Die Selbstverwaltungspartner konnten sich auch nicht auf ein Verfahren für den elektronischen Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und Medizinischen Diensten auf Landesebene einigen.
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Ohnehin ist das wiederholt vorgebrachte Argument des Rückflusses von Finanzmitteln an den Beitragszahler durch Rechungsprüfungen in meinen Augen solange eine Farce, ggf. sogar Behauptung wider besseres Wissen und Absicht, solange die GKV die Zuzahlungen des Patienten nach SGB V §39 Abs. 4 i. V. m. SGB V §61 für "korrigierte vollstationäre Behandlungen" nicht rückerstattet. Eine Rückerstattung findet nicht statt. Ob die Gutachten MD oder Einlassungen GKV zur Rechnungsprüfung von vollstationären Behandlungen die Zustimmung der GKV-Versicherten finden würden ist bisweilen zweifelhaft.
Die Aufsichtbehörden wären hier um eine Einschätzung gefragt: da nach dem Interview von Herrn Baas (TK Chef) im Oktober 2016 in der FAZ (siehe z. B. Interview mit Jens Baas. Wir Krankenkassen schummeln ständig. Artikel der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung von Dyrk Scherff vom 09.10.2016 15:26. und Kodieren für den RSA. Die Versorgung gerät aus dem Blick. Artikel der Ärztezeitung vom 28.12.2016 05:50) über Kodieroptimierungen bei morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich zu Lasten des Gesundheitsfonds keinerlei Konsequenz erfolgt ist ...
Letztendlich sind Krankenhäuser (ob zu wenige oder zu viele oder genau genug) Einrichtungen der Daseinsvorsorge nach den Grundrechten des Grundgesetzes und somit zwingend notwendig. Das belegt schon die Historie der Einrichtung Krankenhaus unter unterschiedlichsten Bedingungen seit mehr als 2000 Jahren.
Gesetzliche Krankenversicherungen, insbesondere in der in Deutschland gegenwärtig anzutreffenden Form, sind mit Blick auf die Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Kanada usw., nicht zwingend erforderlich. Das könnte man - in Anbetracht der im MDK-Reformgesetz offensichtlich werdenden Durchsetzungsmacht - auch anders machen (historisch, Vergleich nach OECD Kostendaten usw.).
Wenn der Fokus auf dem Versicherten läge.
Franz Knieps (BKK Bundesverband) hat den "Fokus auf den Versicherten" in der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss am 14. Oktober 2019 sehr anschaulich auf den Punkt gebracht.
[...] Wir wundern uns über Betrachtungsweisen, die in diesem Gesetz in die eine Richtung und in anderen Gesetzen (Faire Kassen-Gesetz) in die andere Richtung gehen. Wir vermissen so etwas wie ordnungspolitische Stringenz und echte Ideen, wie Selbstverwaltung künftig attraktiv sein kann, denn wir müssen jüngeren Frauen und Männern Perspektiven bieten, dass es sich lohnt, sich in der Selbstverwaltung zu engagieren.
Selbstredend ist hier meinerseits keine Vorverurteilung oder umfassende Verdächtigung von GKVen vorliegend. Ich handele entsprechend des gleichen Franz Knieps, welcher pauschale Vorverurteilungen von Krankenhäusern in gleicher Ausschussanhörung unterließ.
[...] Ich weiß von Debatten in Krankenhauskonzernen etc., dass einerseits eine große Furcht vor den neuen Regelungen im neuen Jahr herrscht, andererseits aber Handreichungen für die Controller und über die Controller auch an die Chefärzte und Oberärzte in den Institutionen gegeben werden, wie damit umzugehen ist. Ich möchte niemanden pauschal vorverurteilen. [...]
Ministery of Silly Walks starts to run a marathon distance.
Einen schönen Abend