Sehr geehrte Fr. Klein,
obwohl die Ansprache Ihres \"wutentbrannten Kommentars\" dankenswerterweise allgemein gehalten war, fühle ich mich natürlich durch ihren Kommentar persönlich angesprochen. Lassen Sie mich deshalb zunächst einmal mein Bedauern zum Ausdruck bringen, daß durch die vorherige Diskussion Ihre Gefühle derart berührt wurden, daß Sie sich zu solch einem persönlichen Kommentar veranlaßt gesehen haben. Dies tut mir aufrichtig Leid. Es zeigt, daß wir hier häufig auf theoretisch-sachlicher Ebene diskutieren und dabei oft die damit verbundenen menschlichen Schicksale in den Hintergrund stellen ( müssen ). Eine solche Diskussion ist meiner Meinung nach jedoch notwendig, um das DRG-System voranzubrigen.
Ihrer Argumentation in der Sache kann ich nicht zustimmen:
Wenn Sie anführen, daß es in manchen Fällen \"erheblichen betreuerischen und pflegerischen Mehraufwand\" bedeute, einen Befund mit positiven LK-Befall anstelle eines solchen mit negativen LK-Befund mitzuteilen, so mag dies nur auf den ersten Blick zutreffen. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, daß es auch Fälle geben wird, bei denen vergleichsweise ein erheblicher Mehraufwand durch Gesprächs-/Aufklärungsbedarf ensteht, obwohl keine LK befallen sind.
Die Fragen die zu stellen sind:
Wie bildet man solch zusätzlichen Mehraufwand durch die Kodierung korrekt ab ?
Ist der Kode für LK-Metastasen hierfür geeignet ? Differenziert er ausreichend ?
Um eines klarzustellen: Ich halte es für wichtig gerade auch den von Ihnen beschriebenen zusätzlichen Aufwand, der durch notwendige persönliche Gespräche und Zuwendung der Ärzte an die Patienten entsteht im System mit zu erfassen und zu berücksichtigen. Einmal abgesehen davon, daß ein derartiger Aufwand kostenmäßig im System derzeit nicht direkt erfaßt wird, weil es hierfür notwendig wäre, im Rahmen der Kostenträgerrechnung jedes Patientengespräch mit der Stoppuhr zu erfassen, um die Kosten für die ärztliche/pflegerische Arbeitszeit dem Fall zuschreiben zu können, wird dennoch eine Erfassung indirekt möglich. Man könnte z.B. vermuten, daß bei solchen Patienten die Liegezeit erhöht sein wird. Nur bleibt eben die Frage, wie dieser spezielle Mehraufwand in der Kodierung ausreichend genau und differenzierungsstark abgebildet werden kann ?
Ich halte die Nebendiagnose \"Lymphknotenmetastasen\" als Differenzierungskriterium in diesen Fällen für ungeeignet. Eine psycho-onkologische Mitbetreuung von Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs durch entsprechend geschultes Personal sollte heutzutage Standard in jeder Klinik sein. Stellt sich dabei heraus, daß die Psyche der Patientin durch die Diagnose Brustkrebs derart belastet ist, daß ein über das normale Maß hinaus gehender Mehraufwand für die psychologische Betreuung der Patientin notwendig wird, so könnte dies sehr viel besser durch einen Kode aus F43.- ( Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen ) zum Ausdruck gebracht werden.
Dies hätte den Vorteil, daß Sie auch bei Patientinnen ohne Lk-Befall aber mit erhöhtem psychologischem Betreuungsbedarf einen Kode haben, der den Mehraufwand abbilden kann. Man müßte auch nicht jedes einzelnen Gespräch genau dokumentieren. Eine einmalige, genaue Dokumentation mit einer entsprechenden ärztlichen Diagnose der Belastungsreaktion würde genügen. Der Kode für LK-Metastasen würde für andere Aufwandsarten (z.B. adiuvante CT noch während desselben Aufenthaltes ) \"frei\" bleiben.
In einem meiner vorherigen Beiträge zu diesem Thema habe ich schon einmal darauf hingewiesen, daß meiner Meinung nach derzeit die Gefahr besteht, durch eine großzügige Interpretation der DKR gerade bei der Kodierung von Nebendiagnosen das System unbrauchbar zu machen. Es wird dann in wenigen Jahren dazu kommen, daß es nur noch wenige aussagekräfitge ND-Kodes gibt, die eine Differenzierung in unterschiedliche Schweregrade zulassen. Das InEK wird festellen, daß die bisher benutzten Kodes nicht ausreichen, um Kostenunterschiede zwischen verschiedenen Schweregraden ausreichend genau abzubilden.
Dies führt dazu, daß es immer mehr und immer \"genauere\" Kodes mit immer mehr einschränkenden In-/Exclusiva bzw. immer ausführlicheren Kodierregeln hierzu geben wird. Diese Entwicklung ist jetzt bereits im System erkennbar ! Denken Sie dabei nur einmal an die neuen OPS-Kodes für einzelne Wirkstoffe.
Die Folge hieraus wiederum ist ein zunehmendes Streitpotential um die \"korrekte Kodierung\" und einhergehend damit ein deutlich erhöhter Brüokratieaufwand für die Kommunikation mit MDK bzw. KK. Auch diese Entwicklung ist derzeit bereits absehbar ! Viele hier im Forum können davon sicherlich ein ( Klage- ) Lied singen.
Hinzu kommt dadurch - Sie haben es selbst angedeutet - ein über die Anforderungen an eine korrekte ärztliche bzw. pflegerische Dokumentation hinaus gehender Aufwand für die Dokumentation solcher Nebendiagnosen. Es ist für eine korrekte ärztliche Dokumentation sicherlich nicht notwendig, jedes Patientengespräch mit Datum, Uhrzeit und Inhalt exakt zu erfassen. Für eine Kodierung in Ihrem Sinne wäre es, wie Sie es selbst andeuten, sicherlich unumgänglich. Wollen wir das ?
Ein solches System wird den Kollegen schlicht nicht mehr vermittelbar sein.
MfG,
M.Ziebart