Hallo an Alle,
ich bin derzeit als Dienstleister für eine psychiatrische Klinik im Bundesland Bayern tätig. Nun wird dort auch mit dem Gerichtsurteil 4 U 507/16 des Oberlandesgericht (OLG) Dresden vom 15.11.2016 argumentiert, was meiner Meinung nach eher "an den Haaren herbeigezogen" ist. Besonders, da es sich bei den Fällen dort nicht, wie meine Vorschreiber berichten, um eine Fallzusammenführung, sondern um eigene zumeist tagesklinische Aufenthalte handelt. Zu den Fallzusammenführung sehe es auch so, dass eine weitere Grundleistung (leider) nicht codiert und abgerechnet werden kann.
Haben andere Häuser weiterhin oder neuerlich auch Probleme Grundleistungen in einem neuen Aufenthalt, die einen zeitlichen Abstand von 6 Monaten zur vorherigen Grundleistung unterschreiten, abzurechnen? Wird bei Ihnen auch mit diesem Gerichtsurteil argumentiert? Konnten Sie gegen dieses Gerichtsurteil argumentieren? Wenn ja, wie?
Ich habe mir das Gerichtsurteil mal ausführlich angeschaut, betrachtet und wollte das Ergebnis gerne auch für eine öffentliche Diskussion nutzen.
Das oben genannte Gerichtsurteil stellt m. M. nach folgende Praxisrelevanz dar:
Die Aufklärung muss korrekt erfolgen, inklusive Benennung und Erklärungen von alternativen Behandlungsmöglichkeiten. Die Aufklärung hat kurzfristig vor sowie auch rechtzeitig vor dem Eingriff zu erfolgen. Wurde dies versäumt oder ist, wie in diesem Fall unzureichend, darf dies bei Erstvorstellung in einer Praxis im Krankenhaus maximal ein halbes Jahr vor dem Eingriff stattgefunden haben.
Ein „Orientierungsgespräch“ mit dem Arzt, das mehr als sechs Monate vor einer Operation stattfindet, stellt wegen des erheblichen zeitlichen Abstands, unabhängig vom Inhalt, keine ausreichende Aufklärung dar.
Zur Argumentation des Krankenhauses habe ich folgendes Gegenargument vorbereitet:
Der Sachverhalt des Gerichtsurteil bezieht sich auf eine orthopädische Erkrankung einer, bis auf eine im Gerichtsurteil ein Jahr nach Tatbestand angenommene Somatisierung der Schmerzen i.S. einer Etablierung im zentralen Nervensystem ansonsten psychisch gesunden Person. Des Weiteren beschäftigt sich dieses Gerichtsurteil, wie groß der zeitliche Abstand zwischen Aufklärung und Eingriff MAXIMAL sein darf oder sollte, damit eine Aufklärung als zureichend angesehen werden kann. Es spricht bei mehr als sechs Monaten von einem erheblichen zeitlichen Abstand.
Die EKT ist indiziert bei Depression, die schweregradig ist und nach frustraner pharmazeutischer Behandlung nicht remittiert. Somit findet die erste Aufklärung zu einem Zeitpunkt statt, an dem zu den ausgeprägt und mannigfaltigen Symptomen der Depression häufig eine Einschränkungen des Gedächtnis zählt. Zusätzlich ist bekannt, dass die EKT selber Nebenwirkung überwiegend auf das Kurzzeitgedächtnis hat. Aus diesem Grund sowie zur Wahrung des Patientenrechtegesetzes sehen wir eine, auch innerhalb 6 Monaten erneute Aufklärung für sinnvoll und korrekt an. Wir möchten ungern den "erheblichen zeitlichen Abstand" im vollen Umfang ausreizen. Zusätzlich gehört neben der Aufklärung laut OPS noch eine fachärztliche Indikationsstellung, die besonders bei der Erhaltungs-EKT und möglichen neuen Komorbiditäten oder Änderungen der pharmazeutischen Behandlung im ambulanten Setting wichtig ist.
Gerne verweisen wir zusätzlich auf den Wortlaut des OPS 8-630.2: "Dieser Kode ist nur einmal pro stationärem Aufenthalt anzugeben." Da es sich um einen eigenen stationären Aufenthalt handelt, sowie der Aufwand im Sinne des OPS 8-630.2 durchgeführt wurde, sehen wir die erneute Kodierung der Grundleistung nach X Monaten als korrekt an.
Übrigens:
Als Maßstab in dieser Fragestellung, der ja auch in die Kalkulationsdaten fließt, nehme ich bei unseren Klienten auch gerne Informationen aus dem Abschlussbericht der Weiterentwicklung PEPP unterstützend hinzu. Im Abschlussbericht der Weiterentwicklung des PEPP für das Jahr 2020 wurde erstmals quantitativ dargelegt, dass im Datenjahr 2018 11,2 % der EKT-Sitzungen als Grundleistungen ( 1.564 von insgesamt 13.969) erfasst wurden. Dies dienst den Häusern als guter Benchmark.
Mit herzlichen Grüßen
Julius Fischer
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nebe leben GmbH