Lieber Herr Schulz,
es wird sicherlich viel Streit um die Strafzahlungen geben. Die Verfasserin des Schreibens des BMG war bis Ende 2019 Geschäftsführerin beim MDK Bayern...nur mal so am Rande erwähnt. Deren Begründung überzeugt mich allerdings nicht.
Die ursprünglich geltende Formulierung des § 275c SGB V Absatz 3 kam auch nicht aus dem Ministerium, sondern vom Gesundheitsausschuss. Es sollte, wie gesagt, ein Anreiz zu regelkonformer Abrechnung gesetzt werden. Ein Anreiz geht nur in die Zukunft, also zu dem Zeitpunkt frühestens für ein Verhalten ab dem 01.01.2020 (Inkrafttreten des MDK-Reform-Gesetzes).
Mit dem Covid-19-KHEntlastG trat dann mit Wirkung zum 28.03.2020 die heute geltende Fassung in Kraft, mit welchem die Regelung geschoben worden ist. „Ab dem Jahr 2022…“ Diese Fassung hat dann die Bundesregierung, sprich wohl das BMG "verbrochen". Dieses hat geschrieben, dass trotz des Wegfallens des ursprünglichen Satz 1 (Aufschlag ab 2020) die Häuser angehalten sind, regelkonform abzurechnen (was sie streng genommen von Anbeginn der Zeit sind).
In der Begründung der Verschiebung des Aufschlags in das Jahr 2022 wird allerdings auch auf die Anpassung des AOP-Katalogs zum 01.06.2021 Bezug genommen. Nun sollte der Aufschlag neben dem finanzwirksamen Anreiz zur regelkonformen Abrechnung auch der Förderung des neu geschaffenen ambulanten Potentials dienen. Dieses konnte allerdings erst ab dem 01.06.2021 geschöpft werden.
Es war daher für die Häuser nicht (bereits ab Ende 2019) absehbar, dass der Aufschlag bei allen Abrechnungen, zu welchen erst nach dem 31.12.2021 (ab dem 01.01.2022) die leistungsrechtliche Entscheidung der Kassen eingeht, ein Aufschlag zu erheben ist. Die leistungsrechtliche Entscheidung (meiner Meinung die nach § 8 Satz 3 PrüfVV) kann erst bis zu 16,5 Monate nach Abrechnung erfolgen:
- 4-Monats-Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens (§ 4 Satz 1 PrüfVV)
- 12-Wochen-Frist zur Beauftragung des MD (§ 6 Absatz 1 Satz 1 PrüfVV)
- 2-Wochen-Frist zur Anzeige der Einleitung der MD-Prüfung (§ 6 Absatz 2 Satz 2 PrüfVV)
- 9-Monats-Frist zur Mitteilung der abschließenden Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch der Kasse (§ 8 Satz 2 PrüfVV)
Nach Lesart des BMG kann danach der Aufschlag längstens bereits bei Abrechnungen seit Mitte August 2020 erfolgen. Dies widerspricht jedoch der Begründung des Covid-19-KHEntlastG, wonach der Aufschlag auch der Schöpfung des Ambulantisierungspotentials ab 01.06.2021 dienen soll.
Mit dieser Argumentation würde ich das Ganze streitig vor den Gerichten führen wollen, wobei Sie natürlich Recht haben -> wer weiß, was die Sozialgerichte dann daraus machen...
Beste Grüße und sorry für die dann doch etwas sehr langen Ausführungen...