Hallo Herr Selter,
mal kurz zusammengefasst:
Die perkutane Vertebroplastie (PV) ist ein minimal-invasives medizinisches Verfahren zur Behandlung von
Wirbelkörperfrakturen durch Aussteifung des geborstenen Wirbelkörpers mit Knochenzement. 1984 wurde die Vertebroplastie erstmals zur Behandlung frakturgefährdeter Hämangiome der Wirbelsäule in Frankreich beschrieben. Die Autoren Galibert und Deramond publizierten ihren Artikel im Jahre 1987. Seitdem etablierte sich das Verfahren zunehmend auch zur Behandlung osteoporotischer Brüche der Wirbelsäule.
Ein wesentliches Problem dieser Methode war die mangelnde Kontrolle des Zementflusses. Zwar konnte auch durch die einfache Injektion von Knochenzement in vielen Fällen eine gewisse Wiederherstellung der äußeren Kontur des Wirbelkörpers erreicht werden.
Die Kyphoplastie ist eine Weiterentwicklung der Vertebroplastie durch den amerikanischen Orthopäden Mark Railey mit dem Ziel, die eingebrochene Endplatte wieder anzuheben. Hierbei wird ein Ballon in den Wirbelkörper eingeführt, der diesen wieder aufrichtet und somit sein ursprüngliches Profil so weit wie möglich wiederhergestellt, bevor in den so geschaffenen Hohlraum Zement eingebracht wird.
Als Seiteneffekt konnte durch die Schaffung eines Hohlraumes beim Einbringen des Zementes mit niedrigerem Druck gearbeitet und damit die Zementausbreitung besser kontrolliert werden.
Das Kyphon-Verfahren mit dem Ballon war patentiert worden. Die Nutzung des patentierten Ballons war mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden. Um diese Kosten im System abzubilden, sind zwei unterschiedliche OPS ( mit vorheriger Aufrichtung, also Nutzung des Balloons: 5-839.a und ohne vorherige Aufrichtung: 5-839.9) geschaffen worden, die in unterschiedlich bepreiste DRGs führten. Das Patent führte zu höheren Kosten und war insofern sehr relevant. Inzwischen ist der Patentschutz ausgelaufen und es sind verschiedene, die Technik des Ballons kopierende Systeme auf den Markt gekommen, die alle keine weiteren Vorteile nachweisen konnten.
Zudem wurde die Technik variiert durch alternative (teils teure) Füllungen wie Calciumphosphat oder Hydroxylapathit, um eine bessere Integration in den zerstörten und von neuem Knochen und letztlich einen wiederaufbauenden Ersatz zu ermöglichen. Wichtig für den Einsatz solcher integrativer Materialien ist das Vorhandensein spongiöser Substanz, die durch die Präformierung einer Höhle mit einem Ballon zerdrückt und verdrängt wird. Deshalb wird bei diesem Ansatz besser kein Ballon eingesetzt. Eine Nutzung empfohlen worden ist für die Behandlung von Hochgeschwindigkeitsverletzungen junger Menschen
Seit 2009 gibt es neben dieser Ballon-Kyphoplastie auch die sog. Radiofrequenz-Kyphoplastie, bei der ein visköserer Zement verwendet wird, der dann mittels Radiofrequenz-Energie ausgehärtet wird. Diese als "substanzerhaltende" Technik vom Hersteller beworbene Methode benötigen in der Regel lediglich einen monopedikulären (= einseitigen) Zugang zum gebrochenen Wirbelkörper. Anschließend wird mit einer flexiblen (biegsamen) Nadel der Wirbelkörper präpariert und ggf. vereinzelte Zementbahnen angelegt (= Postament). Abschließend wird ein hochvisköser (nahezu gummiartiger) Knochenzement maschinell in den Wirbelkörper eingebracht, welcher sich fächerförmig zwischen der gesunden/intakten Spongiosa verteilt.
Durch diese Präformation von Gängen und die Art des Zementes soll wiederum die Ausbreitung des Zementes besser kontrolliert werden. Auch bei dieser Technik erhitzt sich der Zement bei seiner Aushärtung auf ca. 80 Grad.
Jedes Verfahren mit Verfüllung von zementartigen Substanzen in den eingebrochenen Wirbelkörper führt primär zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Wiederherstellung der äußeren Form. Die Stabilität dieser Höhen-Rekonstruktion über die Zeit variiert und ist u.a. abhängig von der Integration des Zementes in die Knochensubstanz: Je ausgeprägter die Integration in die erhaltene Knochensubstanz, desto stabiler ist das Konstrukt. Durch die Nutzung des Ballons kann zwar primär eine bessere Aufrichtung erreicht werden, dies aber um den Preis einer schlechteren Integration. Im Zeitverlauf finden sich deshalb schließlich kaum Höhen-Differenzen. Und zu beachten ist auch, daß bei osteoporotischen Frakturen die Osteoporose, also der weitere Knochenabbau durch den Körper nicht beeinflusst wird. Die klinischen Ergebnisse der interventionellen Versorgung und des konservativen Managements gleichen sich nach ein bis zwei Jahren an.
Die Entwicklung der OPS und DRGs zu diesen Verfahren hat Herr M. Wollny, MedImbursement, in seiner Arbeit "Mit oder ohne Aufrichtung?" ausführlich dargelegt.
Die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft hat sich in 2015 abermals mit der Kodierung in diesem Bereich befasst und schrieb dazu in ihrem Bericht:Die anhaltende Problematik der korrekten Kodierung der Kyphoplastie (Bewertung des materiellen Aufwand gegenüber Ergebnis-Bewertung) wurde auch an verschiedenen anderen Stellen kritisch gesehen und durch einen Antrag des MDK Baden Württemberg zur Änderung der Schlüsselbezeichnung der Kyphoplastie 5-839.9 und Vertebroplastie 5-839.a in unserem Sinne zeitgleich formuliert. Den OPS-Antrag des MDK "Implantation von Material in einen Wirbelkörper“ hatten wir deshalb unterstützt.
Der alte Text hatte ggf. missverständlich nach dem Ergebnis des Eingriffes, der Wirbelkörperaufrichtung unterschieden. Das DRG-System bewertet aber Resourcenverbrauch und nicht Ergebnisse. Wenn eine Methode geeignet ist, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, dann muss diese auch kodierbar sein, da die Kosten für Materialverbrauch nicht vom klinischen Ergebnis abhängen.
Der OPS 5-839.a kommt deshalb spätestens ab 2016 immer zum Tragen, wenn eine Augmentationsmethode Anwendung fand, welche grundsätzlich in der Lage ist, eine intravertebrale Aufrichtung zu erzielen.
Das umfasst auch die Verfüllung mit hochviskösem Zement. Und nun kommt das Problem:
A. Es gibt keine standardisierten Untersuchungen mit einer Auftragung von definierten Viskositäten gegen die Auftrichtung eines definierten osteoporotischen Wirbelkörpers.
Und B. verändert sich die Viskosität des Zementes im Rahmen seiner Aushärtung.
Folglich kann für jeden Zement behauptet werden, daß diese Augmentationsmethode grundsätzlich zur Aufrichtung in der Lage ist.
Damit wird dann aber der Split absurd, weil mit dieser Argumentation alle zementnutzenden Methoden dort untergebracht werden können.
Kayho sollte sich schon durchsetzen können...
Gruß
W.