Hallo Klore,
Stroke Units gibt es in Deutschland seit gut 20 Jahren, zunächst als Einheit zur Bündelung dieser Behandlungsfälle. Die Stroke-Unit als Überwachungseinheit wurde ursprünglich etabliert, weil sich gezeigt hatte, daß das kontinuierliche apparative Monitoring bei der Erkennung von Komplikationen der diskontinuierlichen menschlichen Überwachung überlegen ist. Heute tritt mehr und mehr der Aspekt der Behandlung der Ischämie in den Vordergrund. Um die Jahrtausendwende sind verschiedene Studien erschienen, die sich mit dem Einfluss des apparativen Monitorings auf das Outcome von Schlaganfallpatienten beschäftigten. Die Studie von Sulter et. al 2003 war als Pilotstudie konzipiert. Wegen ihrer eindrucksvollen positiven Ergebnisse wurde eine geplante größere Studie von der holländischen Ethik-Kommission nicht genehmigt. Darüber hinaus gibt es verschiedene Beobachtungsstudien (Cavallini et al. 2003, Candilise et. al 2007), die Vorteile des multimodalen apparativen automatisierten Monitorings gegenüber dem "personellen" Monitoring durch ausgebildete Pflegekräfte in zeitlichen Abständen wahrscheinlich machen. (Canavalli: Admission of acute stroke patients to a monitoring SU may positively influence their outcome at discharge. Confirmation of our findings in larger trials will indicate the need for a revision of the minimum requirements of SUs, with the addition of monitoring as a new requirement). Anmerkung: Die von Frau Cavallini auf die Stroke Unit aufgenommenen Patienten wiesen durchschnittlich einen NIHSS von 8 (!) auf. In der Arbeit von Sulter et al. war die Monitoringdauer bei allen Patienten im "Verum"-Arm zunächst einmal auf 72h festgelegt. Aber: "After the first 48 hours, monitoring was stopped when the condition of patient was stable and the physiological variables showed no abnormality over the last 24 hours." Auch die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft hat in ihrer Stroke Unit Kommission über Jahre das multimodale Monitoring über eine Zeit von durchschnittlich 72h empfohlen. Diese Empfehlungen haben Eingang in die Erlösklassen des OPS 8-891 gefunden, nachdem sich natürliche Kostencluster aufgrund der Berechnungen des InEK ergeben hatten. Im August 2008 hatte dann die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft, vertreten durch Ihren 3. Vorsitzenden Prof. Dr. Ringelstein, Münster, zu dieser Thematik geschrieben: "Bislang existieren allerdings keine belastbaren Daten, wie hoch der Prozentsatz der akuten Schlaganfallpatienten schätzungsweise ist, die eine Monitordauer von über 72h benötigen. Dieser Prozentsatz wird sehr stark abhängig von dem Schweregrad der Patienten zu Beginn der Behandlung (z. B. gemessen mit Hilfe der NIH-Stroke Scale) auf einer Stroke Unit bestimmt werden." Das hat sich bis heute nicht geändert. Die von der American Heart Association und der American Stroke Association herausgegebene Zeitschrift "Stroke" ist das führende Medium für die Veröffentlichung und die Diskussion von Studien und Konzepten zur Behandlung von Schlaganfall-Patienten. In unregelmäßigen Abständen werden dort, abhängig von den Fortschritten und neuen Erkenntnissen in der Behandlung von Schlaganfall-Patienten, Leitlinien veröffentlicht. Die AHA/ASA Guidelines aus 2013 empfehlen, gestützt auf eine Auswertung von mehr als 1000 Veröffentlichungen, ein intensives Monitoring über mindestens 24h und beschreiben ein Management über 48h. Eine Evidenz für eine von Befund und Befinden der Patienten unabhängige, generell notwendige Überwachung auf einer Stroke Unit über mehr als 72h findet sich nicht. Nach diesen Leitlinien ist es richtig, Schlaganfall-Patienten schnellstmöglich in fachkundige Behandlung zu geben. Organisiert ist die Behandlungskompetenz bestenfalls in spezialisierten Einheiten wie z. B. in einer Stroke Unit. Schlaganfall-Patienten benötigen dabei nur selten ABC-Management. Die Verbesserung der Primärbehandlung wird erzielt durch die Verkürzung der Zeit bis zum Arzt-Kontakt, der Zeit bis zum CT/MRT, der Zeit bis zur Lyse-Therapie bzw Rekanalisation und Reperfusion, denn: Time is Brain! (Jedenfalls bei ischemic strokes). Seit kurzem werden teils schon Spezial-Rettungsfahrzeugen mit CT und Labor an Bord eingesetzt, die es dem Neurologen ermöglichen, eine rasche Diagnose zu stellen und eine Lysetherapie gegebenenfalls schon im Fahrzeug einzuleiten. Die Behandlung auf der Stroke Unit richtet sich dann nach den Befunden und Bedürfnissen der Patienten und damit nach der Schwere der Erkrankung. Dabei gibt es eine positive Korrelation von Schwere des Schlaganfalls, neurologischen Komplikationen (z. B. Hirndruck) und Begleitpathologie wie z. B. Pneumonien. Bei leichter Ausprägung des Schlaganfalls (NIHSS bis 5 Punkte) sind solche Komplikationen selten, bei schwerem Schlaganfall (NIHSS 12 und mehr Punkte) treten solche Komplikationen häufig auf. Die Häufigkeit und Verteilung solcher Komplikationen kann nachgesehen werden in den regionalen Registern. Die Patienten verbleiben auf der Stroke Unit, bis Ihr Zustand soweit stabilisiert ist, daß eine weniger intensive Betreuung angemessen ist. Die Beurteilung der Behandlungsdauer auf einer Stroke Unit deutschen Zuschnitts unterscheidet sich damit prinzipiell nicht von der Beurteilung der Behandlungsdauer von Patienten auf einer internistischen Intensivstation. Die Anfang des Jahrtausends diskutierte generelle Monitor-gestützte Überwachung über 72h wird nicht (mehr) empfohlen. Patienten mit leichtem Schlaganfall bedürfen regelhaft nur selten einer Überwachung auf der Stroke Unit für einen Zeitraum von mehr als 3 Tagen.
Jetzt müssen Sie mal auf Ihre Stroke Unit schauen, welche Patienten mit welcher Primär- und Begleitpathologie sie dann dort für wie lange überwachen. Wenn Sie dort viele Fälle mit niedrigem NIHSS und ohne wesentliche Nebendiagnosen häufig über 72h ziehen, dann müssen Sie sich eine gute Erklärung dafür zurecht legen....
Gruß
W.