Hallo Forumsmitglieder,
die Frage nach der Vollständigkeit von Gutachten ist interessant. Allerdings ist meines Erachtens zu berücksichtigen, dass zwei Rechtskreise bestehen:
1. Der wesentliche Rechtskreis besteht zwischen Kostenträger und KH.
Herr des Verfahrens ist der Kostenträger. Er erhebt, zumeist gestützt auf das Ergebnis der Begutachtung, Einwendungen, nicht der MDK. Der Kostenträger muss sich auch nicht dem Ergebnis des Gutachtens anschließen.
In diesem Sinne ist die nicht selten geübte Mitteilung der Kostenträger, "der MDK hat entschieden, dass die ND XY nicht kodiert werden kann, also bitten wir um Rückzahlung," nicht rechtskonform. Zumindest muss sich der Kostenträger der Beurteilung des MDK anschließen.
Nach meinem Rechtsverständnis muss der Kostenträger beim Erheben von Einwendungen diese allerdings begründen. Der Verweis auf ein schlüssiges und plausibles Gutachten ist da ausreichend.
Die alleinige Feststellung im Gutachten, "ND XY kann nicht kodiert werden", ist keine ausreichende Begründung. Der Verweis des Kostenträgers auf ein solches Gutachten ist somit unzureichend.
Insofern sollte es im Interesse der Kostenträger liegen, dass ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten vorliegt und dem KH mitgeteilt wird.
An die Juristen unter uns stellt sich die Frage nach der rechtlichen Folge unbegründeter Einwendungen durch den Kostenträger (übertrieben: "Wir zahlen nicht!"). Sind die Krankenkassen als Körperschaften öffentlichen Rechts damit rechtlich mit ihren Einwendungen eo ipso ausgeschlossen?
2. Der zweite Rechtskreis besteht meines Erachtens zwischen KH und MDK.
Dieser ist geregelt im SGB V § 275 (Prüfrahmen), § 276 (2) Datenübermittlung, (4) Prüfung vor Ort und § 277 (1) Mitteilunspflicht des MDK. Letzte Bestimmung regelt, dass der MDK dem KH lediglich das "Ergebnis der Begutachtung" mitteilen muss, der KK zudem den "Befund". Der MDK kann dem KH aber auch den "Befund" mitteilen.
"Befund" im juristischen Sinn im Zusammenhang mit Gutachten wird beschrieben als "Feststellung, Schlussfolgerungen", im medizinischen Sinn als z.B. der körperliche Untersuchungbefund. Es wird nicht klar, was gemeint ist. Stellt man auf den juristischen Sinn ab, so wäre die Mitteilung des MDK, "abzurechnen ist die DRG XY", ausreichend. Gleichwohl dürfte dies als Substantiierung von Einwendungen im Rahmen des erstgenannten Rechtskreises nicht ausreichen.
3. Interessant in diesem Zusammenhang ist noch § 282 (2) SGB V. Hier ist als Aufgabe des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) verankert: "... erlässt Richtlinien ... zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung ...."
Es gibt zwar einige Richtlinien für sehr spezifische Fragestellungen. Welche Anforderungen jedoch grundsätzlich von einem Gutachten zu erfüllen sind, ist in keiner Richtlinie geregelt. Es wäre wünschenswert, wenn der MDS seiner gesetzlichen Verpflichtung in diesem grundsätzlichen Bereich nachkommt, auch im Hinblick auf die Reputation des MDK. Dies könnte "Dreizeiler-Gutachten", deren Ausfertigung gegenüber der Krankenkasse gewöhnlich auch nicht umfänglicher ist, verhindern.
Viele Grüße
Medman2