Hallo und allen ein frohes neues (DRG-)Jahr!
Als "90%-Kliniker" (und nur 10% DRGler) würde ich immer den Diabetes so genau wie möglich beschreiben wollen, auch wenn ich nicht alle Diabetes-Folgeerkrankungen aktuell behandle. Es beeinflusst indirekt nämlich doch meine Behandlung des Diabetikers, ob keine, wenig oder schwere Spätschäden vorliegen. Manifestationen wegzulassen, weil sie nicht die Nebendiagnosenkriterien erfüllen, finde ich daher eigentlich inakzeptabel.
Die DKR 2003 0401 Diabetes mellitus nennt zwei Ausnahmen: in Beispiel 2 und 3 die Kodierung von E1x.6x, wenn insgesamt nur eine Komplikation vorliegt, wenn z. B. die Behandlung wie im Beispiel wegen der entgleisten Stoffwechsellage erfolgt. Analog würde ich so auch bei einer anderen Hauptdiagnose, z. B. der hier zur Diskussion gestellten Fraktur und dem D. m. als Nebendiagnose verfahren. Wenn die Komplikation nicht die Nebendiagnosendefinition erfüllt, wird sie nicht genannt (Beispiel 2), wenn sie behandelt wird, wird sie auch spezifiziert (Beispiel 3).
Die zweite Ausnahme steht unter Beispiel 4: Zitat: "Sofern multiple Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus vorliegen und die Behandlung einer Manifestation im Vordergrund steht, ist E10-E14, vierte Stelle entsprechend dieser Manifestation, zu kodieren. Die Kodes für die weiteren Manifestationen sind anzugeben, sofern sie der Definition der Nebendiagnosen entsprechen." --Im Umkehrschluss also keine Nennung einer diabetischer Retinopathie, wenn ich den Patienten wegen einer diabetischen Neuropathie (als Haupt- oder Nebendiagnose) behandle.
Das Beispiel 4 selbst nimmt keinen Bezug auf die Nebendiagnosenqualität der Komplikationen, im Gegenteil, behandelt wird der entgleiste Diabetes.
Als "Wegweiser" durch den Diabetes-Dschungel können vielleicht zwei Fragen dienen:
1. Behandle ich hauptsächlich die diabetische Stoffwechsellage selbst (a), oder die Komplikation (b)? Nur bei (b) - außer beim diabetischen Fuß - gelten die vierten Ziffern 2-5, weitere Komplikationen entsprechend der Nebendiagnosendefinition.
2. Bei (a): Eine oder mehrere Komplikationen? .6 bei nur einer und .7 bei mehreren Komplikationen - und beim diabetischen Fuß....
In Ihrem Fall 2, Herr Hirschberg, also E11.6x ohne Nennung der H36.0. Im Fall 1 wäre dann wohl noch zu klären, ob die Behandlung der Nebendiagnose Nephropathie im Gegensatz zur Blutzuckereinstellung im Vordergrund steht: Bei Dialyse sicher ja, bei Verordnung von einer halben Tablette Lasix zusätzlich vielleicht nein. Wenn Sie die z. B. perioperative Blutzuckerüberwachung als wesentliche Maßnahme ermitteln, würde ich E11.7x verschlüsseln, ohne mich an der fehlenden Behandlung der Retinopathie zu stören.
Eigentlich doch klar, oder auch nicht?
Gruselig wird mir allerdings bei dem Gedanken, dass ich das meinen 100%-klinischen, aber leider neurologischen KollegInnen verklickern muss, wenn ich nicht jede Diabetes-Kodierung per Hand an einem unglaublich benutzerfreundlichen DRG-Arbeitsplatz von SMS nachkorrigieren will. Die lachen mich aus... :))
Mit einem gewissen Neid auf "hauptamtliche DRG-Kontrolleure" und herzlichen Grüßen aus dem langsam davon schwimmenden Nordwestpfälzer Bergland
Marion Hilgert