Hallo Newsgroup (NG), hallo Herr Riklu,
zur Definition der HD. Was mit dem Hauptresourcenverbrauch der herkömmlichen deutschen HD-Definition gemeint ist, ist den meisten Betriebswirten wohl klar, auch wenn diese Definition von den Medizinern nicht unbedingt immer zugrundegelegt wird. Der Hauptresourcenverbrauch kann ja nur im Nachhinein bekannt werden, also retrospektiv.
Anders ist es mit der neuen HD-Definition. Sie entspricht m. E. weniger dem betriebswirtschaftlichen Ansatz, sondern dem medizinisch-ärztlichen. Obwohl hier noch eine Korrektur bei Entlassung möglich ist ("nach Analyse"), ist hier doch die HD gemeint, die für die Aufnahme des Patienten maßgeblich war, es ist also eher ein prospektiver Ansatz.
Daraus ergibt sich, dass das primär vorliegende Problem des Patienten entscheidend ist.
Ich kann den Streit auch nicht entscheiden, aber mir ist die neue Variante deswegen sympathischer, weil sie nicht das Geld, sondern die Aufnahmesituation, in der Arzt und Patient stehen, besser widerspiegelt und auch den Verlauf. Natürlich, wenn sich bei einem Patienten die Situation komplett ändert, wird es Probleme geben. Aber das AR-DRG-System erlaubt doch die Berücksichtigung von Komplikationen auch in der Vergütung. Es ist aber nicht im Sinne der Erfinder, eine auftretende Komplikation zur Hauptdiagnose zu machen (und damit die DRG zu wechseln, womit ein Hüft-TEP-Patient mit komplizierendem Herzinfarkt plötzlich eine Herz-DRG erhält), sondern die Komplikation erhöht als ND den Schweregrad (Hüft-TEP mit Komplikationen). Dort, wo statistisch gesehen Komplikationen relativ häufig sind, gibt es diesen Split (Schweregrad steuert Erlöshöhe), dort, wo dieses selten ist, oder Komplikationen sich kaum finanziell auswirken, gibt es keinen Split (Z-DRGs).
Es gibt natürlich trotzdem (gerade bei Z-DRGs) immer die Möglichkeit, ein Gegenbeispiel zu konstruieren, insbesondere betriebswirtschaftlich. Medizinisch gesehen sieht die Sache aber so aus:
Leistenbruch-OP ist eine Z-DRG. Hier sollten keine Komplikationen auftreten, hier muß die präoperative Diagnostik stimmen, hier muss die Indikation stimmen. Die mitlesenden Ärzte werden diese Aussage hoffentlich besser verstehen als die Betriebswirte. Wenn ich im Nachhinein immer die Möglichkeit erhalte, alles vergütet zu bekommen, was schief läuft, den Leistenbruch-Patienten mit Komplikationen möglicherweise dann sogar in einer internistischen DRG "verstecken" kann, leidet hierunter die medizinische Qualität.
Wenn also der Grund der Aufnahme die DRG-Eingruppierung entscheidet, habe ich m. E. eine größere Chance, patientenzentriert ärztlich zu handeln, auch und gerade weil ich weiß, daß hier nur ein begrenzter Erlös zu erwirtschaften ist (s. Leistenbruch-OP), als wenn ich sozusagen draufloswirtschaften kann, jede medizinische Komplikation in Kauf nehmen kann, dem Patienten noch Dinge behandle, wegen denen er gar nicht gekommen ist, und dann zum Schluß eine DRG heraussuche, die meinen Resourcenaufwand am besten abdeckt (aber nicht unbedingt die optimale Lösung für das Problem des Patienten darstellt).
Ich weiß, dass diese Argumentation durchaus subjektiv ist und möchte auch niemandem unterstellen, dass er zuerst auf`s Geld und dann auf den Patienten sieht...
...wie gesagt, das Thema ist kontrovers.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bernhard Scholz