ZEIT ONLINE: Was zeichnet eine gute Führungskraft aus, Frau Becker?

Linda Becker: Eine gute Führungskraft denkt und handelt zwar unternehmerisch, zielt aber beim Führen nicht rein auf Zahlen ab. Deshalb sollte sie grundsätzlich auch weiche Faktoren mitbringen und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden beweisen.

Ferner muss sie einen gewissen Weitblick mitbringen, um die nötigen Schritte vorausdenken zu können, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Und sie kann auch Ideen und Ergebnisse nach außen positiv verkaufen.

ZEIT ONLINE: Und was braucht ein guter Chef bei der Personalführung?

Becker: Ein gutes Gespür für Menschen und das richtige Einschätzen von Situationen. Außerdem gibt er oder sie ihren Mitarbeitern genügend Raum zum Wachsen, definiert Schnittstellen, überträgt genügend Verantwortung und gibt Rückendeckung. Ein guter Chef schafft also die Plattform für die gute Arbeit der Mitarbeiter.

ZEIT ONLINE: Welche Fehler müssen Führungskräfte unbedingt vermeiden?

Becker: Feige zu sein. Denn es gehört Mut dazu, sich in den Wind zu stellen – und das muss man tun, wenn man vorne steht. Eine Führungskraft, die lieb und nett ist und allen nach dem Mund redet, kann auf Dauer zum Problem werden. Nämlich dann, wenn Aufgaben nicht erfüllt, schlechte Ergebnisse eingefahren oder Mitarbeiter überfordert werden –nur, weil der Chef sich nicht traut, ganz oben seinen Standpunkt zu vertreten.

Ein weiterer Fehler ist, wenn Führungskräfte nur sich selbst in den Mittelpunkt stellen. Man sollte die Mitarbeitern ihre Erfolge präsentieren lassen, wenn diese die auch eingefahren haben. Es spricht für den Vorgesetzten, wenn er gute Mitarbeiter hat und diese sichtbar werden. Zu guter Letzt sollte eine Führungskraft notwendige Entscheidungen nicht hinausschieben und sich konstruktiver Kritik nicht verschließen.

ZEIT ONLINE: Und welche Pflichten hat eine Führungskraft?

Becker: Ihre Mitarbeiter zu fordern und zu fördern. Dazu gehört neben der allgemeinen Fürsorgepflicht, ihnen ausreichend Entscheidungsspielräume einzuräumen sowie Anerkennung und Wertschätzung für gute Leistung zu geben. Die Führungskraft hat damit auch die Pflicht, Leistung zu kontrollieren und bei schlechter Umsetzung die Aufgaben zielgerichtet zur Leistungsverbesserung zu vergeben. In diesem Fall ist eine engmaschigere Kontrolle sinnvoll, um rechtzeitig Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

ZEIT ONLINE: Was kann eine Führungskraft von ihren Mitarbeitern erwarten?

Becker: Um überhaupt etwas einfordern zu können, müssen Führungskräfte vorab konkrete und nachvollziehbare Vorgaben machen und sich die verbindliche Mitarbeit ihrer Teammitglieder zusichern lassen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann ein Vorgesetzter von seinem Team erwarten, dass es seine Aufgaben selbstständig und erfolgreich erledigt, mitdenkt, mitgestaltet und Impulse gibt.

ZEIT ONLINE: Was sollten Führungskräfte tun, wenn der Erfolg ausbleibt?

Becker: : Zunächst einmal ist meine Beobachtung, dass erfolgreiche Führungskräfte generell eher zufriedener, selbstbewusster, risikofreudiger sind - und damit eher bereit, auch einmal neue Wege zu gehen. Sie sind dynamisch, engagiert und begeistern damit oft auch andere. Am Ende sind sie deshalb auch wieder erfolgreicher. Es wirkt also erst einmal wie eine Spirale, die sich immer weiter in Richtung Erfolg dreht. Das ist sehr positiv. Aber natürlich geht so eine Entwicklung eben nicht immer nur in eine Richtung.

Wer erfolgsverwöhnt ist, läuft Gefahr, erst einmal in Lethargie zu verfallen, wenn der Erfolg mal ausbleibt. Manche Führungskräfte versuchen dann, Leidensgenossen zu finden, denn das tut natürlich erst einmal der Seele gut. Aber genau das ist meiner Meinung nach kontraproduktiv. Denn das Vergleich ziehen mit Führungskräften, die ebenfalls gerade erfolglos sind, gibt zwar das Gefühl, man ist nicht allein, schafft aber eben auch keinen Anreiz, daran etwas zu ändern.

Um die Phase des Misserfolgs möglichst schnell wieder zu beenden, ist es, nach der Akzeptanz, dass man gerade erfolglos ist, wesentlich sinnvoller, die Salami-Taktik anzuwenden: Das große Ziel in kleinere, leicht erreichbare Schritte unterteilen, um damit Sicherheit zu erlangen und wieder das Gefühl von Erfolg zu spüren. Das baut das Selbstvertrauen auf. Mit Bedacht in Aktion bleiben und nicht in Reaktion fallen. Sonst gibt man das Heft aus der Hand und andere bestimmen den Takt. Und durchaus als Ansporn und Orientierung den Blick auf andere positiv gestimmte, erfolgreiche Menschen lenken und das Gespräch suchen, um sich den ein oder anderen Tipp dabei zu holen.