Essen und Trinken

Krank von der Klinikkost

Frau beißt in einen Burger
Ungesundes Essen gibt es nicht nur in Fast-Food-Restaurants, sondern auch in Kliniken. © dpa / picture alliance / Hans Wiedl
Von Canan Topçu · 10.04.2014
Eigentlich sollten Kliniken den Patienten ein Vorbild für gesunde Ernährung sein. Unsere Autorin war schockiert vom schlechten Essen dort. Auch sonst sei ausgewogene Ernährung den meisten Deutschen fremd.
Verkochtes Gemüse, zähes Schnitzel, pappige Panade und fetttriefende Frikadellen. Als Nachspeise zwar Magerjoghurt, aber mit Fruchtzucker und künstlichen Aromastoffen. Dieses und Ähnliches sollte ich essen, als ich unlängst im Krankenhaus lag. Ich habe es nicht runtergekriegt.
Von einer Großküche, die täglich 500 und mehr Portionen zubereitet, erwarte ich kein kulinarisches Highlight. Auch wenn eben diese Erwartung geweckt wird. Das Pflegepersonal stellte nämlich eine Menüauswahl vor, als sei man Gast in einem Gourmetrestaurant. Was da aber freundlich angeboten wurde, war von abwechslungsreicher, geschweige denn gesunder Kost weit entfernt!
Nach einem längeren stationärem Aufenthalt frage ich mich: Warum werden Patienten mit Essen krank oder kränker, jedenfalls nicht gesund gemacht? Und vor allem, warum beklagen sie sich nicht?
Viele schauen sich kulinarische Shows an, kochen aber nicht
Vielleicht haben sie andere Sorgen! Vielleicht aber kennen sie es nicht anders! Denn die meisten ernähren sich nicht gut - weder daheim, noch unterwegs oder im Betrieb! Zwar laufen im Fernsehen immer mehr Kochshows, doch immer weniger Leute kochen im wahrsten Sinne des Wortes. Wer am Herd steht, bereitet sich nicht ein Menü nach Rezepten eines Sterne-Küchenchefs zu, sondern wärmt Fertiggerichte aus Dose oder Tiefkühltruhe auf!
Ausgewogene Ernährung ist dem Deutschen fremd. Er isst viel Fleisch und wenig Gemüse. Kauft Lebensmittel lieber preiswert als frisch. Achtet mehr auf Menge als auf Qualität. Unter Mittelmeerkost versteht er deutsche Gerichte, angeboten in der Sommerhitze am Küstenstrand.
Die Kapitulation einheimischer Schnellrestaurants vor dem Urlauber hält er für eine touristische Attraktion. Es könnte eine sein, wenn er sich die Mittelmeerküche einmal näher anschaute. Sie ist ein Synonym für gesunde Kost – und die Formal dazu lautet: Olivenöl, wenig Fleisch, viel Gemüse und frisches Obst. Dazu raten Ernährungsexperten auch hierzulande; mit ihren Empfehlungen schaffen sie nüchterne Qualitätsstandards und allerlei buntbebilderte Ratgeber. Großküchen jedoch erreichen sie nicht.
Ganzheitliche Medizin ist keine Esoterik
Gerade Krankenhäuser sollten ein Vorbild in Punkto gesunder Ernährung sein. Hier wären Kochshows am richtigen Ort. Hier könnten persönliche Tipps zu lebensnotwenigen Einsichten verhelfen. Wer Tag und Nacht im Bett verbringt und nicht gerade im Koma liegt, hat Zeit, sich mit seinen Essgewohnheiten zu beschäftigen.
Dafür bedarf es dreier Einsichten: erstens der Klinikleitung, ganzheitliche Medizin nicht als Esoterik abzutun, zweitens der Großküchen, abwechslungsreiches Essen nicht als zu teuer abzulehnen, und drittens der Krankenkassen, Gesundheitsprävention auch selbst ernst zu nehmen.
Da informieren Krankenversicherungen in Mitgliederzeitschriften aufwendig über gesunde Ernährung, gleichzeitig sind sie mitverantwortlich für die ungesunde Krankenhauskost – das geht nicht in meinen Kopf rein. Wer, wenn nicht sie, könnten als Vertragspartner der Kliniken die viel gepriesene Mittelmeerkost auf den Stationen durchsetzen. So würden sie auch ihre Versicherten besser erreichen.
Was also machen gegen krankmachende Krankenhauskost? Ehrlich gesagt: Ich weiß mir nicht anders zu helfen, als mich gesund zu ernähren und hier ordentlich Dampf abzulassen.
Canan Topçu, 1965 in der Türkei geboren, lebt seit 1973 in Deutschland. Sie studierte Literaturwissenschaft und Geschichte, absolvierte ein Volontariat bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und war zwölf Jahre Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Sie ist auf Themen rund um Migration, Integration und Islam spezialisiert und arbeitet nunmehr als freiberufliche Journalistin. Zudem ist sie an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Media als Dozentin tätig.
Canan Topçu
Canan Topçu© Christoph Boeckheler
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