Wäre es nach der Personalberatung Kienbaum gegangen, hätte der Ex-Geschäftsführer den Job im Berliner Krankenhauskonzern Vivantes nie bekommen. Doch der Aufsichtsrat hielt sich nicht an die Empfehlung.

Ehe ein Manager in die Chefetage eines Unternehmens wie Berlins kommunalem Krankenhauskonzern Vivantes mit 15.000 Mitarbeitern und knapp einer Milliarde Euro Umsatz einrücken darf, werden die Bewerber von Personalberatern auf Herz und Nieren geprüft. Dafür erhalten Headhunter auch viel Geld.

Aber nicht immer halten sich Aufsichtsräte an die Empfehlung der teuren Experten. So geschah es im Sommer 2011, als Vivantes Bernd Kahnes zum Finanzgeschäftsführer kürte, obwohl die Spezialisten von Kienbaum Executive Search Berlin explizit davon abgeraten hatten.

Zweieinhalb Jahre später zeigte sich deutlich, dass die Kienbaum-Spezialisten den Bewerber richtig beurteilt hatten. Der Aufsichtsrat gerät in Erklärungsnot, warum er Kahnes überhaupt engagiert hat. Denn Kahnes wurde im März 2014 entlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Manager wegen Bestechlichkeit.

Der Fall selbst ist auch einigermaßen dubios. Kahnes soll versucht haben, einen Auftrag für den Winterdienst gegen die Zahlung von 20.000 Euro zu vergeben, überdies an einen höchst unseriösen Anbieter. Der Unternehmer Anil H. fungierte als Vermittler. Er forderte im Februar 2013 50.000 Euro für den Winterdienst und bot dem Manager an, die Summe zwischen beiden zu teilen. Der Mann ist bei der Polizei als Drogenhändler auffällig geworden. Die Ermittler hörten sein Telefon ab und stießen eher zufällig auf den Bestechungsversuch.

Kontakt gibt Rätsel auf

Die Staatsanwaltschaft rätselt bis heute, wie der hoch bezahlte Geschäftsführer überhaupt Kontakt zu dem mutmaßlichen Drogenhändler Anil H. bekommen hat, der inzwischen festgenommen wurde. Völlig unverständlich erscheint es, warum ein Manager mit einem Jahreseinkommen von laut Vivantes-Geschäftsbericht mehr als 320.000 Euro für eine Bestechungssumme von weniger als einem Monatsgehalt seine Zukunft aufs Spiel setzen konnte.

Als die Kienbaum-Personalberater Bernd Kahnes im Juni 2011 zum Gespräch trafen, hatten sie einen merkwürdigen Eindruck von dem Mann, der bereits für Vivantes als Berater tätig war und sich unter dem damaligen Unternehmenschef Joachim Bovelet für den gut bezahlten Geschäftsführungsjob beworben hatte. Er habe nicht schlüssig erklären können und zudem widersprüchliche Angaben darüber gemacht, warum er es erst abgelehnt habe, seine Anteile an einer Münchner IT-Firma zu verkaufen, und später dann doch dazu bereit war.

„Deutliche Defizite“ festgestellt

Die „Motivationslage für eine Bewerbung“ sei auch auf Nachfrage nicht deutlich geworden, schreiben die Personalberater in einem Brief an den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Hartmann Kleiner. Bei den sozialen Kompetenzen müsse man „deutliche Defizite“ feststellen. Aus „eignungsdiagnostischer Pespektive“ kamen die Berliner Kienbaum-Experten dazu, „keine Empfehlung“ für Kahnes abzugeben.

Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Kleiner lehnte es auf Anfrage der Berliner Morgenpost ab, sich zu Personalia zu äußern. Der Jurist ist inzwischen im Streit mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) aus dem Kontrollgremium ausgeschieden. Er war jahrelang als Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) einer der wichtigsten Köpfe der Berliner Wirtschaft und ist in zahlreichen Ehrenämtern aktiv.

Warum Kahnes trotz des negativen Votums von Kienbaum im April 2012 in die Vivantes-Chefetage im Hochhaus an der Aroser Allee einziehen konnte, darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen. Die eine geht so: Kahnes sei ein Bekannter Bovelets, der inzwischen von der neuen Vivantes-Geschäftsführung wegen des Verdachts der Untreue angezeigt wurde. Kleiner sei ein „schwacher Aufsichtsratsvorsitzender“ gewesen, der stets auf Bovelet gehört habe, sagt ein Mitglied des Gremiums. Dieser habe dafür gesorgt, dass Kahnes zunächst einen Beratervertrag bekam und später den Vorstandsposten.

Seine Beratungsaufgabe, nämlich Ordnung in die chaotische Buchführung des Krankenhauskonzerns zu bringen, habe er auch gut erfüllt, heißt es. Schon Kienbaum hatte erklärt, Kahnes’ fachliche Kompetenz stehe „außer Zweifel“, er sei aber „hoch fachlich-technisch geprägt“. Es habe besser geeignete Bewerber gegeben, die aber abgelehnt worden seien, heißt es. Als Kahnes nicht oben stand auf der Empfehlungsliste, habe man die Zusammenarbeit mit Kienbaum beendet und einen anderen Personalberater eingeschaltet, der das gewünschte Resultat geliefert habe.

Drei weitere Ermittlungen

Die zweite Variante dieser schwer erklärlichen Personalentscheidung bei Vivantes klingt ein wenig anders. Obwohl es besser geeignete Bewerber gegeben habe, sei Kahnes genommen worden. Vor allem weil der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum das so gewollt habe, um einen eigenen Mann in der Geschäftsführung zu haben.

Die ganze Affäre spielt vor dem Hintergrund eines seit Monaten schwelenden Konflikts zwischen dem Finanzsenator und der Vivantes-Geschäftsführung sowie Teilen des Aufsichtsrats. Nußbaum und der neue Aufsichtsratsvorsitzende Peter Zühlsdorff gehen von einem Netzwerk von persönlichen und geschäftlichen Interessen rund um das Krankenhausunternehmen aus. Sie wollen das zerschlagen, in der Folge sind einige Mitglieder aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden.

Der Klinikkonzern Vivantes befindet sich in der wohl einmaligen Lage, dass die Staatsanwälte gleich gegen drei frühere Topmanager ermitteln. Gegen Joachim Bovelet und einen früheren Geschäftsführer der Pflegeheim-Tochter besteht der Verdacht auf Untreue im Zusammenhang mit dem Bau eines Pflegeheims. Die Vorwürfe seien aber völlig unabhängig von dem Korruptionsverdacht gegen den früheren Finanzgeschäftsführer. Bei dem hat es sich nach allen bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft und des Unternehmens Vivantes um einen Einzeltäter gehandelt, der keine Helfer im Hause gehabt habe.

Nachtrag:

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Ermittlungsverfahren gegen Joachim Bovelet wegen Untreue mangels Tatverdacht eingestellt.

Der in die Berichterstattung aufgenommene Verdacht wird nicht aufrechterhalten.

Die Redaktion.