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stern-Report: Krankenhaus-Geschäftsführer kritisiert "Die ganze Kliniklandschaft krankt"

Es mangelt an Ärzten, Pflegern und vor allem an Geld: Die Situation vieler Krankenhäuser sei katastrophal, sagt Sebastian Wolf, Klinik-Geschäftsführer im Allgäu. Er fordert ein radikales Umdenken.

Dr. med. Sebastian Wolf ist Geschäftsführer der Oberschwabenklinik. Vor allem für kleinere Krankenhäusern sei es schwer, qualifiziertes Personal zu bekommen, sagt er. Standorte müssten daher nicht allein aus Kostengründen schließen, sondern auch, da die hochwertige Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden könne. Er fordert eine aufwandsbezogene Vergütung und ist überzeugt, dass jede Klinik selbst in der Pflicht ist, sich wirtschaftlich aufzustellen, ohne dass es zu Lasten der Patienten geht.

"Zwei unserer sechs Standorte mussten wir in den vergangenen beiden Jahren schließen, 2011 haben wir in unserem Verbund ein Minus von acht Millionen Euro erwirtschaftet. Die zwei geschlossenen Häuser brachten große Defizite - aber das war nicht allein das Hauptproblem: Wir bekommen in ein kleines Krankenhaus in einer ländlichen Gegend einfach kein qualifiziertes Fachpersonal. Damit war es primär keine wirtschaftliche Entscheidung, die Standorte zu schließen, denn wir müssen eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten sicherstellen. Diese ist vom Fachkräftemangel ebenso bedroht wie vom Kostendruck.

Der Zwang, die Kosten gering zu halten, kann für das Patientenwohl sogar gefährlich werden. Krankenhausmanager sollten deshalb darauf achten, dass die begrenzt verfügbaren Mittel dahin fließen, wo qualifizierte Leistungen erbracht werden! Unser Qualitätsmanagement läuft trotz der Ökonomisierung sehr erfolgreich, viele unserer Abteilungen sind zertifiziert. Und wir arbeiten auch an der Basis: Unter Kostendruck sparen viele zuerst pauschal an Sachmitteln, wir aber haben beispielsweise bewusst einen seit Jahren steigenden Verbrauch von Desinfektionsmitteln.

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Wir, die stern-Redaktion, sind sehr interessiert daran, welche Erfahrungen Sie mit unserem Gesundheitssystem gemacht haben. Haben Sie als Arzt oder Pfleger selbst solche Notstände erlebt? Als Patient schlechte Erfahrungen im Krankenhaus gemacht? Oder erfahren, wie einer Ihrer Angehörigen unter den Missständen zu leiden hatte? Wir freuen uns auch über Anregungen und positive Beispiele, die zeigen, dass es in Krankenhäusern auch ganz anders zugehen kann.

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Um Kosten für Personal und Geräte zu sparen, haben wir unseren Verbund so umgebaut, dass es keine doppelten Strukturen mehr gibt. Denn was bringen zwei Kernspintomografen, wenn sie nur zu 30 Prozent ausgelastet sind?

Unsere hausgemachten Baustellen haben wir behoben, doch die ganze Kliniklandschaft krankt. Wenn zwei Kilometer weiter die Klinik eines anderen Trägers steht, mit den gleichen Leistungen, dann ist das eine unnötige und sehr teure Konkurrenz. Auf Dauer kann sich das kein Krankenhaus und kein Gesundheitssystem leisten. Das ist ein großes Problem in Deutschland. Wir können uns unternehmensintern nach dem tatsächlichen Versorgungsbedarf ausrichten, aber bundesweit haben wir keinen Einfluss.

Das Problem betrifft ganz Deutschland

In erster Linie muss sich die Finanzierung ändern, es muss endlich eine aufwandsbezogene Vergütung geben. Ein älterer dementer Patient, der bei uns liegt, weil er zu wenig getrunken hat, braucht eine aufwändige Pflege. Bezahlt bekommen wir diese aber nicht. An einem jungen Mann, der eine Bandscheiben-OP bekommt, verdienen wir hingegen. Dieses Ungleichgewicht muss geändert werden. Natürlich brauchen wir auch diese lukrativen Eingriffe. Damit querfinanzieren wir defizitäre Bereiche wie die Notaufnahme.

Problematisch wird es nur, weil es zunehmend Kliniken gibt, die sich nur die Rosinen rauspicken. Sie schnappen sich die gutbezahlten OPs und überlassen uns die teure Basisversorgung. Da besteht das Risiko, dass nicht mehr der gesundheitliche Bedarf der Maßstab für eine Behandlung ist, sondern die Vergütung. Doch für meine Klinik ist das keine Option. So ein kurzfristiger Gewinn bringt langfristig nur Nachteile. Wenn wir jemanden operieren und sein Hausarzt stellt später fest, dass der Eingriff völlig unnötig war, dann kommt der Patient nie wieder zu uns. Und keiner, dem er seine Geschichte erzählt.

Weniger Personal ist keine Lösung

Auf Dauer können weder vom Streben nach möglichst hohem Erlös getriebene Behandlungen noch Personaleinsparungen nach dem Rasenmäherprinzip die Lösung für die angeschlagene Krankenhauslandschaft sein. Jede Klinik ist selbst in der Pflicht, sich wirtschaftlich aufzustellen, ohne dass es zu Lasten der Patienten geht. Wir haben das geschafft, für 2014 haben wir endlich wieder ein Plus erwirtschaftet.

Doch jetzt sind auch Bund und Länder in der Pflicht: Wir brauchen endlich eine abgestimmte Versorgungsstruktur für Deutschland und einen kostendeckenden Betrieb für alle Abteilungen."

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