Spar-Rezepte in der Spitallogistik

Die Neugestaltung von Wareneinkauf und Logistik hilft Spitälern sparen. Die intensive Kommunikation mit Ärzten und Pflegepersonal nimmt eine Schlüsselrolle im Einsatz für den Projekt-Erfolg ein.

Alexander Saheb
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Bei der manuellen Medikamentenabgabe ist ein Griff daneben besonders heikel. (Bild: Christian Beutler / NZZ)

Bei der manuellen Medikamentenabgabe ist ein Griff daneben besonders heikel. (Bild: Christian Beutler / NZZ)

Statt am Krankenbett zu stehen, holen sie Wasser im Keller oder Tabletten in der Spitalapotheke. Pflegefachkräfte erledigen häufig fachfremde Aufgaben. Unnötige Express-Bestellungen oder aufwendige Rücksendungen wegen falscher Packungsgrössen erhöhen zudem den Verwaltungsaufwand im Spital. Vor diesem Hintergrund können Spitäler durch die Optimierung ihrer Beschaffung und interner Logistik-Abläufe Geld sparen und Pflegefachkräfte für pflegerische Tätigkeiten freimachen. Bis zu 60% der Kosten für die Spital-Logistik könnten gespart werden, ermittelten die Wissenschafter Dominic Saladin und Kurt Eisenring vom Institut für Modellbildung und Simulation der Hochschule für Angewandte Wissenschaften St. Gallen. Das von der Eidgenössischen Kommission für Technologie und Innovation geförderte Forschungsprojekt «Medical Warehouse» zeigte klaren Handlungsbedarf: Schweizweit könne man mehr als 100 Mio. Fr. sparen.

Zunächst grosse Verlustängste

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Kostendrucks im Gesundheitswesen haben nun mehrere Spitäler umfangreiche Neuorganisationen ihrer Logistik durchgeführt. So hat Martin Gut, Leiter Beschaffung und Logistik beim Spital STS in Thun, gerade das Projekt «Inhouse-Logistik» erfolgreich umgesetzt – die Effizienz aller Beschaffungs- und Logistik-Abläufe stieg massiv. Der Anfang war allerdings nicht einfach. Persönliche Verlustängste der Mitarbeiter prägten das Projekt. Es sei eine absolute Vorbedingung der Pflege-Mitarbeiter gewesen, dass es keine Verschiebungen von Stellenprozenten gebe, berichtet Gut. Die folgende konstante Kommunikation mit den verschiedenen Anspruchsgruppen erwies sich dann als Baustein des Erfolges. Die soziale Komponente habe einen Löwenanteil gehabt, stellt Gut heute fest. Er streicht ferner heraus, dass eine Differenzierung der Kommunikation nach Zielgruppen notwendig gewesen sei. Man könne gegenüber dem Chefarzt nicht die gleichen Argumente für Sortimentsveränderungen vorbringen wie gegenüber einem ungelernten Hilfsarbeiter in der Lagerverwaltung.

Die Bedeutung der Kommunikation bestätigt auch Christian Heeb, Geschäftsführer der Spital-Einkaufsgemeinschaft Geblog, welche für über 30 kleine und mittelgrosse Krankenhäuser (Uster, Wetzikon und andere) den Materialeinkauf bündelt. Geblog setzt dabei nicht nur auf die grössere Bestellmenge, sondern treibt bei den angeschlossenen Spitälern auch die Vereinheitlichung des Sortiments an medizinischen Materialien voran.

Weniger Nachfüllen

Man müsse Zugang zum Anwender bekommen und ihn für ein Projekt gewinnen, das seine Arbeitsmaterialien verändere, sagt Heeb. Dabei gilt es Fingerspitzengefühl zu beweisen. In der Einkaufsgemeinschaft falle der Entscheid für ins einheitliche Sortiment aufzunehmende Produkte einfacher, wenn die Spital-Vertreter aus etwa gleich grossen Häusern stammten und keiner von einem besonders grossen Spital dabei sei. Die Konsensfindung sei bei gleich starken Partnern einfacher, weiss Heeb. Die Sparpotenziale sind eindrücklich: Das Spital STS baute auf den Stationen neue Lagerschränke mit 40% mehr Platz ein, manche Artikel werden nun fünfmal seltener nachgefüllt. Vor allem wurden die Pflegefachkräfte von den ihrer Qualifikation fachfremden Tätigkeiten wie Materialbewirtschaftung und Transport entlastet. Über alles betrachtet, liege eine Effizienzsteigerung von 50% vor, heisst es in der vom Spital STS eingereichten Bewerbung für den Swiss Logistic Award 2015, mit dem die Non-Profit-Organisation GS1 Schweiz besonders wegweisende Logistikprojekte auszeichnet. Auch das Modell der Geblog erschliesst zweistellige Sparquoten: Die Vereinheitlichung der Produktkataloge und die Konzentration auf weniger Lieferanten machen die eingekauften Produkte für alle teilnehmenden Spitäler um 8% bis 20% günstiger. Von der Tochterfirma Geblog Med lassen sich heute schon fünf Spitäler die günstiger eingekaufte Ware bis auf die Station liefern. Damit lassen sich die Logistikkosten um rund die Hälfte auf noch 7% bis 8% des Warenwertes senken. Laut Heeb sind primär die sogenannten C-Artikel logistische Kostentreiber: Man braucht sie oft und in grossen Mengen, sie haben jedoch einen geringen Warenwert.

Vollautomatische Bestellung

Einen anderen Weg ist das Kantonsspital St. Gallen gegangen, mit über 900 Betten das sechstgrösste Spital der Schweiz. Es setzt auf eine vollständig elektronische Datenverarbeitung. Dazu wurden alle verwendeten Artikel – immerhin über 40 000 Produkte – in einem Materialwirtschaft-System erfasst. Die Daten zu den Artikeleigenschaften bezieht man aus der Datenbank von Medical Columbus. Das sparte jährlich rund 45 Arbeitstage, die vorher für die manuelle Daten-Aktualisierung anfielen. Erfasst die Pflegefachkraft am Patientenbett mit einem Scanner die Abgabe einer Tablette, bestellt das System diese automatisch nach. Rund 70% des gesamten Materialbedarfs des Kantonsspitals werden nun vollautomatisch bestellt – samt Bezahlung der Lieferantenrechnung. Man habe heute eine viel bessere Sortimentssteuerung, weil das Spital wisse, was wo verbraucht und wo zu welchen Konditionen bestellt worden sei, sagt Reinhard Kuster, Leiter Einkauf und Logistik. Durch die zentrale Versorgungs-Logistik wurden die Pflegefachkräfte von diesen Aufgaben befreit. Auch die Einkäufer sind zufrieden: Man vermeide redundante Produkte, kaufe effizienter ein und habe mehr Zeit für Lieferantenkontakte, freut sich Kuster. Für die realisierte Lösung erhielt das Spital bereits 2009 den Swiss Logistic Award.

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