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„Umzug der Psychiatrie ist der Abschluss“

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Thomas Pilz (52) gibt nach insgesamt zwölf Jahren die Geschäftsführung der Alexianer Kliniken im Landkreis Diepholz ab.
Thomas Pilz (52) gibt nach insgesamt zwölf Jahren die Geschäftsführung der Alexianer Kliniken im Landkreis Diepholz ab. © Seidel

Landkreis Diepholz - Er hat die Alexianer Kliniken im Landkreis Diepholz von ihrer Geburtsstunde an, also seit einem Jahrzehnt, geprägt und gestaltet. Aber zum Jahresende geht der Lotse von Bord. Thomas Pilz verlässt nach insgesamt zwölf Jahren als Krankenhaus-Geschäftsführer (davon zwei im damaligen Sankt-Annen-Stift Twistringen) den Klinikverbund.

Seine neue berufliche Perspektive ist noch offen. In einem Interview nimmt er Stellung zu seiner Arbeit, seinen Perspektiven und den Herausforderungen im Gesundheitswesen. Die Fragen stellte Anke Seidel.

Es ist das Ende einer ebenso spannenden wie schwierigen Aufgabe – und gleichzeitig der Beginn eines neuen Lebensabschnitts: Wie fühlen Sie sich, Herr Pilz, nach Ihrer Kündigung als Geschäftsführer der Alexianer-Kliniken im Landkreis Diepholz?

Thomas Pilz: In einem Veränderungsprozess durchlebt man alle Phasen. Das, was mir am schwersten fällt, ist das Abschiednehmen von den Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ich freue mich jetzt auf die neue Phase, auf das Zusammenleben mit meiner Frau in Berlin. Aber noch ist das Neue nicht da.

Ihnen bleiben noch 66

Tage bis zum endgültigen Abschied als Krankenhaus-Geschäftsführer im Landkreis Diepholz. Was wollen Sie in dieser Zeit noch verwirklichen?

Pilz: Der Umzug der Psychiatrie von Twistringen nach Bassum ist der Abschluss. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Da kann man allen, die auf der Baustelle tätig sind, nur danken! Es ist beeindruckend, wie viele Menschen daran arbeiten – und schön zu sehen, wie großzügig heute gebaut wird, dass Zwei-Bett-Zimmer Standard in der Psychiatrie sind. In Twistringen haben wir zum Teil noch Drei- und Vier-Bett-Zimmer. In der Psychosomatik in Bassum ist sogar das Ein-Bett-Zimmer Standard, weil die Verweildauer der Patienten in dieser Abteilung mehrere Wochen beträgt.

Ich gehe ganz fest davon aus, dass wir noch in diesem Jahr von Twistringen nach Bassum umziehen. Die Einweihung des Neubaus mit Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt ist für Anfang März geplant. Dann wird es auch einen Tag der offenen Tür geben.

Es ist ganz offensichtlich ein bizarres, absolut nicht auskömmliches Finanzierungssystem, das zwei Drittel aller Kliniken in Niedersachsen blutrote Zahlen schreiben lässt. Wie müsste die Krankenhaus-Finanzierung Ihrer Meinung nach gestaltet werden, damit alle Bürger auch in der Zukunft eine ausreichende klinische Versorgung bekommen?

Pilz: Wir brauchen eine klare Vorstellung der Bundes- und der Landespolitik sowie der Krankenkassen davon, welche Krankenhäuser wirklich gewollt sind – und was sie vorhalten sollen. Dann müssen diese Häuser baulich entsprechend ausgestattet und finanziert werden. Ich glaube nicht, dass die Rasenmäher-Politik, die den Druck nur noch verstärkt, zu guten Lösungen führt.

Ein Beispiel dafür ist die Tarifpolitik: Jährlich steigen die Gehälter über die Summe, die den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt wird. Also muss jedes Jahr erneut eingespart werden...

Ich persönlich erkläre das immer mit folgendem Bild: Wenn ich in eine Pizzeria gehe und eine Pizza Vier-Jahreszeiten bestelle, kann ich am Ende auch nicht nur eine halbe Pizza Margeritha bezahlen. Politik und Krankenkassen müssen die Kriterien festlegen – ob Peperoni oder Salami auf der Pizza drauf sein soll. Es geht nicht, doppelt Käse zu verlangen und den am Ende nicht zu bezahlen.

Auch die vielen Flüchtlinge, die in den Landkreis Diepholz strömen, brauchen medizinische Hilfe. Wie wirkt sich das auf die Alexianer-Kliniken aus?

Pilz: Wir haben die Gesundheitsüberprüfung für die 400 Flüchtlinge in der Erstaufnahmestelle Diepholz übernommen. Dafür haben wir Praxisräume organisiert. Freiwilliges Personal aus allen Häusern (zwei Ärzte und drei medizinische Fachangestellte) kümmert sich um die Menschen. Ein Dolmetscher kommt meist aus der Erstaufnahmestelle mit – oder einer unserer Mitarbeiter, der sprachkundig ist, hilft.

Diese Betreuung ist am vergangenen Montag gestartet und läuft gut. Bisher haben wir einen Patienten stationär aufgenommen. Die Abrechnung der Untersuchungen erfolgt über das Land. Das läuft.

In Berlin wartet ein neuer Lebensabschnitt auf Sie – mit ihrer Familie. Welche positiven Erfahrungen und Erinnerungen nehmen Sie aus Ihrer so langen Zeit als Krankenhaus-Geschäftsführer im Landkreis Diepholz mit – und welche negativen?

Pilz: Wenn Menschen Veränderungen wollen und wenn diese Menschen miteinander klar kommen, dann geht ganz viel! Dann ist viel möglich. Das ist eine Erfahrung, die ich in den vergangenen Jahren immer wieder gemacht habe. Die Psychiatrie oder die Sucht-Reha zum Beispiel: Wenn solche Projekte nicht von Menschen gewollt gewesen wären in der festen Überzeugung: „Das kriegen wir schon hin!“, dann wären sie nie zum Tragen gekommen. Wobei die Psychiatrie das größte Projekt war.

Der Wunsch nach Veränderungen ist unverzichtbar dafür. Die Beteiligten müssen wollen und sich vertrauen. Dann ist es einfach. Ich hatte das Glück, dass ich ganz viele Menschen getroffen habe, die Veränderungen wollten und mit mir gestaltet haben – und das über einen langen Zeitraum.

Und die negativen Erfahrungen?

Pilz: Negativ waren die politischen Veränderungen im Gesundheitswesen. Dass es immer wieder neue Vorgaben gibt, die alles nur komplizierter machen. Der Druck auf die Mitarbeiter am Patienten wird immer größer – und das ist durch die Bundespolitik und die Krankenkassen ausgelöst!

Da sitzen Sie als Geschäftsführer zwischen den Stühlen. Sie müssen den Druck, die Vorgaben einzuhalten, an die Mitarbeiter weitergeben. Politik ist da weit weg...

Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren – und wo die Krankenhäuser im Landkreis Diepholz?

Pilz: Der Druck auf das Gesundheitswesen wird mindestens gleich groß bleiben – wenn nicht sogar größer. Und die Entwicklungen werden immer schneller. Wenn ich zurückdenke, wie die Krankenhäuser vor zwölf Jahren waren und einschätze, wie es in zehn Jahren ist: Es wird massive Veränderungen geben! Keiner wird die Häuser dann mehr so kennen, wie sie heute sind. Da werden alle nur staunen.

Der demografische Wandel wird ganz sicher ein wichtiger Faktor sein. Deshalb haben wir ja schon die Geriatrie, die Altersmedizin, auf den Weg gebracht.

Und ganz persönlich?

Pilz: Was ich für die Krankenhäuser erwarte, das wird auch auf mich privat zukommen: Veränderungen. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal so einen langen Zeitraum wie bisher in einem Bereich beruflich tätig sein werde. Denn das Berufsleben wird immer hektischer, die Anforderungen ändern sich immer schneller. Man muss bereit sein, in einem Unternehmen andere Aufgaben zu übernehmen. In unseren Häusern haben die Mitarbeiter diese Flexibilität immer wieder gezeigt.

Wünschen würde ich mir privat, mit Familie, Hund und Enkelkind abends mal auf der Terrasse sitzen zu dürfen – als Ausgleich für das immer schneller und hektischer werdende Berufsleben.

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