Spital-Logistik
Hier könnte man bei den Gesundheitskosten sparen

Von Reinigungsmitteln bis zu künstlichen Herzklappen: In Spitälern muss Material rechtzeitig vor Ort sein. Ob private Logistiker diese Aufgabe besser bewältigen könnten, wird bei der Bildung einer gemeinsamen Spitalgruppe beider Basel zu klären sein.

Daniel Haller
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Rohrpost, Rollboxen, Förderbänder, führerlose automatische Transportfahrzeuge in kilometerlangen Gängen: Die Logistik im Universitätsspital Basel wäre ohne moderne Systeme nicht zu bewältigen.

Rohrpost, Rollboxen, Förderbänder, führerlose automatische Transportfahrzeuge in kilometerlangen Gängen: Die Logistik im Universitätsspital Basel wäre ohne moderne Systeme nicht zu bewältigen.

Nicole Nars-Zimmer niz

Das wäre eigentlich Musik in den Ohren der von alljährlichen Prämienerhöhungen geplagten Krankenversicherten: Man könnte Spitäler günstiger betreiben und dabei die Qualität der Pflege verbessern. Dies zeigt eine wenig beachtete, vom Bund finanzierte Studie der Fachhochschule St. Gallen aus dem Jahr 2010. Sie befasst sich mit der Logistik: Im Spital muss von der Spritze über Handschuhe, Verbandsmaterial, Windeln, Wäsche, Computer, Operationsbesteck, Reinigungsmaterial bis hin zur Zahnbürste alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein.

Standardlösung: Viele Hersteller beliefern das Zentrallager des Spitals, wo man sie für die tägliche Feinverteilung auf die Stationen umpackt. Von dort kommen die Bestellungen, die offenbar öfter zu Missverständnissen führen: Sind 50 Spritzen oder 50 Packungen gemeint? Das Stationspersonal hat eben – das ist auch richtig so – mehr Kompetenzen in Pflege als in Materialbewirtschaftung. Entsprechend sei das Stationslager ein «schwarzes Loch», meinen die Autoren der Studie «Medical Warehouse», Kurt Eisenring und Dominic Saladin.

Ihr Vorschlag: Mit der Professionalisierung der Warenbewirtschaftung könnte man 60 Prozent der internen Logistikkosten einsparen, indem man die Prozesse und Bestellgrössen wirtschaftlich optimiert. Zudem würde das Pflegepersonal entlastet und könnte sich vermehrt den Patienten widmen. Die Kosten pro Bett und Jahr würden um 2400 Franken sinken. Dies würde die schweizerschen Spitalkosten um 100 Millionen Franken senken.

Über den Daumen ergäbe dies in Basel (2225 Spitalbetten) Einsparmöglichkeiten von 5,3 Millionen und in Baselland (1128 Betten) 2,7 Millionen Franken.

Methode: Logistik auslagern

Einen anderen Ansatz präsentierten der Logistikcluster Region Basel und die Handelskammer beider Basel (HKBB) an einer Branchen-Veranstaltung: Die Spitäler müssten eine gemeinsame Logistikplattform bilden und deren Betrieb an ein Logistikunternehmen auslagern. Die Lieferanten würden nicht mehr jeder einzeln alle Spitäler separat anfahren, sondern das gemeinsame Zentrallager beliefern.

Dort würden die Waren für die Lieferungen an die Spitäler zusammengestellt. Also kämen Spezialpapier für das EKG-Gerät zusammen mit dem künstlichen Kniegelenk, Operationsfaden, Fiebermessern und Büromaterial in die gleichen Rollboxen, die der Lastwagen am Materialeingang des Spitals abliefert. Dies senkt die Zahl der gefahrenen Lastwagenkilometer. Als Vorteil nennt Sven Averhage weiter, dass damit die Verantwortung für das Material geklärt sei und auf der Station Diskussionen zwischen den Pflegenden, wer eine Bestellung falsch ausgelöst oder verschlampt hat, entfallen.

Rhenus beliefert auch Spitäler

Averhage ist Geschäftsführer der Rhenus Eonova GmbH, einer Tochter der gleichen Rhenus, die nicht zuletzt in Basel Hafenlogistik betreibt. Rhenus Eonova wickelt in Deutschland als Dienstleister für 49 Kliniken mit 15 000 Betten die Spitallogistik ab. Dabei sei das grösste Projekt (20 Spitäler, 7000 Betten) nicht auf Initiative der Krankenhäuser entstanden, sondern weil die Stadt Hannover im Umfeld der Weltausstellung den Verkehr reduzieren wollte.

Neben der Kostensenkung durch die Bündelung der Transporte könnten die Spitäler auch von Mengenrabatten profitieren. Zudem bleibe die Ware im gemeinsamen Zentrallager so lange im Besitz der grösseren Lieferanten, bis sie von einem Spital abgerufen wird. So habe der Lieferant einen sicheren Absatzkanal und die Klinik könne Kapitalbindungskosten vermeiden und müsse nur das bezahlen, was sie wirklich in Anspruch nimmt. Auf Nachfrage der bz betätigen deutsche Spitäler, dass diese Lösung funktioniert (siehe Kasten).

Bei Hirslanden machts die Post

In der Schweiz hat sich die private Hirslandengruppe entschieden, die Logistik für 16 Standorte unter der Bezeichnung «Zenlop» – Zentrale Logistikplattform – an die Post auszulagern. An der Veranstaltung der HKBB zeigte Thomas Wälchli, Projektleiter Post Logistics AG, dass durch den Aufbau eines gemeinsamen Zentrallagers in den einzelnen Kliniken Platz frei wurde für andere Aufgaben und man durch Standardisierung der Abläufe und Bündelung der Bestellungen bereits Kosten senken konnte. Der nächste Schritt sei nun, mit den Lieferanten zu verhandeln, die ebenfalls von vereinfachten Lieferwegen profitieren.

«Die Auslagerung in ein zentrales Lager hat sich bewährt», teilt Hirslanden-Pressesprecherin Nina Bieli auf Anfrage mit. Die bei der Planung des Projekts prognostizierten Einsparungen habe man erreicht, doch publiziere Hirslanden dazu keine Zahlen.

Zusätzlich habe Hirslanden bereits in mehreren Kliniken die Stationslogistik umgestellt. Die Pflegefachkräfte seien somit von der Materialwirtschaftsarbeit befreit und könnten sich voll und ganz den Patienten widmen. Die Materialwirtschaftsarbeit übernehme ein Stationslogistiker. «Wie viel Material wann bestellt werden muss, kann der Stationslogistiker mittels Scannern und nach festgelegten Parametern ermitteln.»

An der HKBB-Veranstaltung skizzierte Wälchli die Idee, dass Postfinance die Lagerbestände finanzieren könnte. Hirslanden könnte dann «Finanzierung und Logistik aus einer Hand» beziehen.

Spital Thun optimiert intern

Solche Überlegungen bei der Post zeigen auch: Den Logistikern geht es auch darum, den Spitälern Dienstleistungen zu verkaufen. Doch der Spital STS AG mit Standorten in Thun und Zweisimmen (BE), die für ihre «Interne Spitallogistik auf neuen Wegen» für den Swiss Logistics Award nominiert ist, leuchtet dies nicht ein: Martin Gut, Leiter Beschaffung und Logistik, setzt auf interne Straffung statt auf Outsourcing. Ein aufgeblähtes Sortiment bedeute für den externen Dienstleister mehr «Picks», also mehr Aufwand und somit Umsatz. Dieser habe deshalb kein Interesse, die Zahl der Artikel zu senken.

Gut wurde eingestellt, um die Logistikkosten um 10 Prozent zu senken. Er erreichte 50 Prozent Einsparung, indem er unter anderem durchsetzte, dass sich die verschiedenen Abteilungen einigten, mit welchen Scheren, Pinzetten und Geräten sie arbeiten. «Hat jede Abteilung andere Blutdruckmonitore, muss man für jeden Typ eigene Akkus, Zubehör und Verbrauchsmaterial am Lager halten.» Wolle man die Logistikkosten senken, müsse man die Beschaffung einbeziehen.

Auch bei Umbauten sei dies zu berücksichtigen. So soll nach der geplanten Sanierung des Operations-Traktes die zentrale Sterilisation, die Lagerungspflege, das Gipszimmer, die OP-Abteilung und die Anästhesie durch die Logistik bis an den Verbrauchsort bedient werden.

Es habe zwar viereinhalb Jahre gedauert, die Gründung einer Materialkommission erfordert und die Zusicherung, es würden keine Stellen abgebaut. Aber man habe es geschafft, die Abteilungen zu überzeugen und die Zahl der Artikel von 2700 auf 1200 zu reduzieren. Zudem werde jede Abteilung nur noch einmal statt fünf Mal pro Woche beliefert.

Ergebnis: Indem nun die spitaleigene Logistikabteilung für den Materialnachschub zuständig ist, werde das Pflegepersonal im Umfang von 350 Stellenprozenten von fachfremden Aufgaben entlastet. Zudem komme es zu keinen Fehlbestellungen mehr, indem eine Stationsschwester 10 Stück benötigt, aber versehentlich 10 Zehnerschachteln bestellt. Guts Fazit: «Hochgerechnet auf die ganze Schweiz würde unser System den unter Personalmangel leidenden Pflegebereich um 510 Vollzeitstellen entlasten. Man könnte gehaltklassenbereinigt 31 Millionen Franken einsparen.»

Ängste und Skepsis

Gut erklärt, er sei bereits mehrfach nach Deutschland eingeladen worden, um das System vorzustellen, aber noch nie von einem Schweizer Spital. Und Dominic Saladin, Projektleiter der Studie aus St. Gallen, stellt fest, diese sei «in der Schublade versandet».

In der Schweiz herrsche weniger Kostendruck als in Deutschland. Die jeweils seit Jahrzehnten gewachsene eigene Spitalkultur mit ihren Hierarchien und die Sorge um die Patientensicherheit sei oft stark ausgeprägt und führe zu schwerfälligen, jahrelangen Diskussionen. «Dies liegt nicht an den einzelnen Personen, sondern an den Strukturen.»

Auch Averhage und Wälchli berichteten an der Veranstaltung der HKBB, dass sie in den einzelnen Kliniken jeweils Ängste vor dem Autonomieverlust überwinden mussten – die gleichen Ängste, die auch Gut in den Stationen des Spitals STS im Berner Oberland angetroffen hat.

Einiges ist bereits aufgegleist

Die Idee, dass Spitäler unterschiedlicher Träger durch den Zusammenschluss zu einer ausgelagerten, gemeinsamen Logistikplattform sparen könnten, stiess an der Veranstaltung der HKBB aber nicht auf frontale Ablehnung. Allerdings wies Martin Birrer, Direktor des Basler Adullam-Spitals, am Rand der Veranstaltung auf die Abhängigkeit hin, in die sich eine Klinik begibt, wenn sie die Logistik auslagert. Doch erklärte Hans Zeltner, Geschäftsführer der Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler, dass zwischen den Spitälern bereits Kooperationen bestehen. Zudem würden auch die Spitäler in der Region ihre Logistik laufend weiter optimieren.

In der Tat wird derzeit im Kantonsspital Baselland auf ein Kanban-System mit Boxen umgestellt. Kanban wurde in Japan für die Optimierung der Toyota-Produktion entwickelt. Das Basler Bethesda-Spital hat die Logistik im Zusammenhang mit dem Umbau reorganisiert. Und im Universitätsspital Basel (USB) wird die Logistik bis in die Station hinein von Fachpersonal abgewickelt.

«Im Sinne einer Bündelung der Logistik-Dienstleistungen ist eine Zusammenarbeit unter Spitälern sicher erstrebenswert», erklärt Sieglinde Breinbauer, Leiterin Logistik des USB. Das USB spare bereits im Verbund mit anderen Spitälern im Verein Medsupply durch gemeinsamen Einkauf von Spitalzubehör. Auch erbringe das USB die Logistik-Dienstleistungen für das Universitäts-Kinderspital beider Basel.

«Eine solche Zusammenarbeit zwischen dem USB und dem Kantonsspital Baselland wird aktuell im Rahmen der Prüfung einer gemeinsamen Spitalgruppe in Betracht gezogen.» Ob allerdings die Logistik dann ausgelagert und somit privatisiert werde, liege nicht in der Kompetenz der Spitäler. Vielmehr hätten die Eigner – also die Kantone – darüber zu entscheiden.