Porträt
Konrad Widmer: So tickt der neue Chef des Kantonsspitals Aarau

Der neue Verwaltungsratspräsident des Kantonsspitals Aarau war SVP-Mitglied – und sogar einmal Basler Regierungsrats-Kandidat für die Partei. Ein Hardliner ist er dagegen nicht. Und er steht nicht im Ruf, Kahlschläge im Sinn zu haben.

Peter Brühwiler
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Konrad Widmer, der designierte Verwaltungsratspräsident vom Kantonsspital Aarau in seinem Garten in Binningen BL.

Konrad Widmer, der designierte Verwaltungsratspräsident vom Kantonsspital Aarau in seinem Garten in Binningen BL.

Alex Spichale

Verwaltungsratspräsident des Kantonsspitals Aarau zu werden ist kein Sonntagsspaziergang. Sieben Bewerbungsrunden musste Konrad Widmer überstehen — vom ersten Gespräch mit einem Headhunter bis zum finalen Auftritt vor der Wahlkommission.

Dass sich die Aargauer Regierung schliesslich für den 54-jährigen Basler entschied, überrascht nicht wirklich. Sein beruflicher Werdegang prädestiniert ihn geradezu für die strategische Leitung eines der acht Schweizer Endversorgerspitäler: Nach ersten Schritten in der Krankenversicherungs-Branche übernahm Widmer 2001 die Leitung des Kinderspitals beider Basel.

2007 wechselte er auf den CEO-Posten der Berner Privatklinik Sonnenhof AG, 2009 auf die «andere Seite» ins Basler Gesundheitsdepartement und 2012 schliesslich auf die strategische Ebene, als Verwaltungsratspräsident der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK). Obendrein besitzt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie noch ein Global Executive MBA der Universitäten St. Gallen und Toronto.

Viel umfassender kann ein Bewerbungsdossier für einen Job in der Gesundheitsbranche kaum sein. Trotzdem hätte es auch anders kommen können. Als im Frühling dieses Jahres die Disch AG, ein Arzneimittelhersteller aus Othmarsingen, zum Verkauf stand, bot Widmer mit. Er hätte sich in die relative Anonymität der Privatwirtschaft verabschiedet.

Kurzer Ausflug in die Politik

Aber Widmer wurde überboten — und will sich ab nächstem Jahr nun auf seine beiden Verwaltungsratspräsidien in Basel und Aarau konzentrieren. Im Auge der Öffentlichkeit. Ganz neu ist dies für ihn ja nicht. So wurde ihm im Sommer 2014 vorgeworfen, trotz Konflikten in der obersten UPK-Führung zu lange an der damaligen Direktorin festgehalten zu haben.

Der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger teilt diese Einschätzung allerdings nicht. «Ich erlebe Konrad Widmer als sehr fähigen Verwaltungsratspräsidenten», sagt er auf Anfrage. Der optimale Moment, um als Verwaltungsratspräsident ins operative Geschäft einzugreifen, sei nie einfach zu finden. «Widmer hat rechtzeitig gehandelt.»

Noch weit grösser war der Druck, dem Philip Funk, Widmers Vorgänger am KSA, in diesem Sommer ausgesetzt war. Nachdem er für das Jahr 2013 einen Verlust von 30,8 Millionen Franken bekannt geben musste, forderte SVP-Grossrat Andreas Glarner in einem Vorstoss seine sofortige Absetzung. Funk nahm es gelassen, zumal ihm die Regierung Rückendeckung gab und er seinen Rücktrittsentscheid ohnehin schon gefällt hatte.

Konrad Widmer in seinem Garten in Binningen.

Konrad Widmer in seinem Garten in Binningen.

Alex Spichale

Dass Widmer von der grössten Aargauer Partei sanfter angefasst wird als sein Vorgänger, ist zu bezweifeln. Trotz «gemeinsamer» Vergangenheit: Die Basler SVP nominierte ihn 2004 als Regierungsratskandidaten.

Das politische Abenteuer blieb aber eine kurze Episode. Nur einen Monat nach der Nomination nahm er sich wieder aus dem Rennen. «Es gab damals derart viele Turbulenzen in der noch jungen Partei, dass ich schnell realisierte, dass das nicht geht», sagt Widmer.

Seit dem Umzug ins Baselbieter Binningen ist er parteipolitisch nicht mehr aktiv. Andreas Glarner wehrt sich denn auch gegen die Vermutung, bei der Wahl des neuen Verwaltungsratspräsidenten die Finger im Spiel gehabt zu haben: «Ich kenne Widmer nicht», sagt er. Sowieso sei er nicht daran interessiert, Leute in Ämter zu hieven. «Ich entferne sie lieber.»

Kein Hardliner

Widmer dürfte also zumindest nicht unglücklich darüber sein, dass der ehemalige Grossrats-Fraktionschef als neu gewählter Nationalrat künftig in Bern politisiert. Denn klar ist: Ein Hardliner à la Glarner ist Widmer nicht. Selber bezeichnet er sich als Liberalen. Und der ehemalige Basler SP-Regierungsrat Ralph Lewin, der mit ihm im UPK-Verwaltungsrat sitzt, sagt, Widmer sei «sicher kein sparwütiger SVPler, der ohne Not irgendwelche Kahlschläge veranstaltet».

Sowieso ist es ja der Kanton, der als KSA-Eigentümer die Rahmenbedingungen setzt. Und dass die Zeichen auf Sparen stehen, ist ohnehin klar. Nachdem das Kantonsspital diesen Mittwoch einen Stellenabbau kommunizierte (siehe Box), warnten die betroffenen Personalverbände, der Regierungsrat wolle offenbar das Spital kaputtsparen. «Gesundheitsleistungen sollen im Aargau weggestrichen und die Patienten in umliegende Kantone verschoben werden.»

Primäre Aufgabe: Leben retten

Der designierte Verwaltungsratspräsident Widmer hofft derweil, dass der Kanton das Kantonsspital Aarau als Endversorgerspital erhalten will. Dies sei zwar mit höheren Kosten verbunden, «weil vor allem schwere Fälle zu wenig abgegolten werden».

Die primäre Aufgabe eines Spitals sei ja nicht, Geld zu verdienen, sondern Leben zu retten. «Auch wenn wir natürlich alles versuchen müssen, genug Gewinn zu erwirtschaften, um die künftigen Investitionen zu stemmen.» Einfach wird das nicht.

Ein Spaziergang wird also auch der weitere Weg Widmers nicht. Weil er seine Beratungstätigkeit aufgibt — bei der von ihm gegründeten Widmer Beratungen und der Gsponer Consulting, wo er noch als Partner firmiert — dürfte aber trotzdem etwas Freizeit bleiben. Die beiden Verwaltungsratsmandate seien 30-Prozent-Pensen, sagt Widmer. Die restliche Zeit will er seiner Frau, den vier Kindern und dem Golfspiel widmen.

Als Psychotherapeut weiss er schliesslich um die Wichtigkeit einer guten Work-Life-Balance.

Stellenabbau: Die Zahlen sind noch nicht schwarz genug

Nach dem Verlust von über 30 Millionen im vergangnen Jahr wird das Kantonsspital Aarau gemäss einer ersten Zwischenbilanz in der Rechnung 2015 wieder ein positives Resultat verzeichnen können. Trotz des umfassenden Massnahmenpakets der Geschäftsleitung zur Ergebnisverbesserung und trotz der gestiegenen Patientenzahlen müsse die finanzielle Situation aber weiterhin im Auge behalten werden, heisst es in einer Mitteilung des Spitals. So erklärt CEO Robert Rhiner: «Wir werden 2015 schwarze Zahlen schreiben, doch der aktuelle Ertragsüberschuss reicht noch nicht aus, um die erforderlichen Investitionen wie beispielsweise den dringend benötigten Spitalumbau nachhaltig zu finanzieren.»

Daher wurde als weitere Massnahme zur Ergebnisverbesserung der Soll-Stellenplan im Hinblick auf das Budget 2016 bereinigt: Es müssen einige Stellen abgebaut werden. Die Lohnsumme des zukünftigen Soll-Stellenplans sei gegenüber dem aktuellen Ist-Stellenplan «leicht rückläufig», so die Spitalleitung. Neu komme es zu einer Verschiebung zwischen den Bereichen, wobei vor allem im Supportbereich Stellen reduziert würden. Der Abbau erfolge mehrheitlich über natürliche Fluktuationen und sei bereits zu einem Grossteil realisiert. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu vereinzelten Entlassungen kommt.

Die betroffenen Personalverbände kritisieren den Stellenabbau. Der Regierungsrat wolle offenbar das Spital «kaputtsparen». Die Personalverbände verlangen einen Sozialplan. (az)