Die Uni-Klinik und das Herzzentrum sollen ein Monopol für Herz-OPs bekommen. Berlins zweiter Krankenhauskonzern fühlt sich ausgebootet

Noch hatten sie bei Vivantes die Hoffnung auf ein Einsehen in letzter Minute. Aber mit dem neuen Krankenhausplan von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), den der Senat am Dienstag beschlossen hat, sind die Würfel gefallen. Berlins kommunaler Krankenhauskonzern wird die gewünschte Herzchirurgie im Klinikum Neukölln nicht bekommen.

Bis 2020 ist diese Entwicklungsperspektive für Vivantes-Chefin Andrea Grebe nun versperrt. Aber es geht nicht nur um die zukünftigen Möglichkeiten für Vivantes. Auf dem Spiel steht auch das lukrative und prestigeträchtige Geschäft mit minimalinvasiven Eingriffen zur Ersetzung von Herzklappen. Die Vivantes-Manager gehen davon aus, dass diese Entscheidung ihr Haus teuer zu stehen kommen könnte. Was in der Berliner Herzmedizin stattdessen geschehen soll, wird als „wirkliche Gefahr“ für das Unternehmen gesehen, die mittelfristig 25 Millionen Euro Verluste bedeuten könnte. Zusätzlich zu bundesweit veränderten Finanzierungsregeln, die Vivantes ebenfalls stark belasten, fürchten sie jetzt endgültig den Sturz in die roten Zahlen, den sie bisher noch stets knapp vermieden haben.

Denn es soll in Berlin nur noch eine Herzchirurgie geben. Und zwar am Virchow-Klinikum der Charité, wo die Universitätsmediziner sich mit dem auf dem selben Campus ansässigen Deutschen Herzzentrum zusammengeschlossen haben. „Senator Czaja wollte nicht weitere Herzzentren, sondern eine Konzentration“, sagte der ärztliche Direktor der Charité, Professor Ulrich Frei. Er halte das für ein „klinisch, wissenschaftlich und wirtschaftlich richtiges Konzept“, sagte Frei. Bei Vivantes sieht man das jedoch völlig anders. Denn in Verbindung mit einer bundesweit gültigen Vorgabe sorgt das Monopol von Charité und Herzzentrum dort für Probleme. Nach dem Willen des Gemeinsamen Bundesausschusses, des obersten Selbstverwaltungsorgans im Gesundheitswesen, sollen bestimmte kardiologische Eingriffe künftig nur noch dort zugelassen sein, wo es eine herzchirurgische Abteilung gibt. Dadurch wollen Krankenkassen und Ärztevertreter die Qualität für die Patienten sichern und verhindern, dass jedes Kreiskrankenhaus komplizierte Eingriffe vornimmt.

Es geht um die Tavis. So nennt man eine sich inzwischen rasant ausbreitende Technik, um alterschwache Aortenklappen für betagte oder sonstige Risikopatienten zu ersetzen. Anstatt den Brustkorb zu öffnen, wird von der Leiste her ein Katheder bis zum Herzen geführt. Er transportiert eine sehr klein zusammengefaltete Klappe, die sich dann an der richtigen Stelle öffnet und die Funktion der alten Herzklappe übernimmt. Mehr als 10.000 solcher Eingriffe hat es im vergangenen Jahr in Deutschland gegeben. Ein Tavi kostet 30.000 Euro, wobei der größte Teil dieser Summe nicht an die Krankenhäuser fließt, sondern für die Klappe an sich an die Lieferanten geht. Dennoch bringen diese Eingriffe den Krankenhäusern viel Geld ein.

Vivantes hatte Kardiologie zu einem Schwerpunkt erklärt

Bei Vivantes mag man nicht einsehen, warum man bei diesem Zukunftsthema künftig nicht mehr mitmischen darf. Bisher haben Vivantes-Chirurgen mit dem Herzzentrum kooperiert und auch dort ihre Patienten operiert. Die Manager der kommunalen Kliniken wundern sich um so mehr, weil sie in der Kardiologie, also der Herzmedizin allgemein, deutlich mehr Menschen behandeln als Charité und Herzzentrum. Auf 35 Prozent beziffern sie den Marktanteil von Vivantes in Berlin, die Träger des künftigen Monopols kämen nur auf 20 Prozent.

Für ihre bisher starke Kardiologie sieht Vivantes-Chefin AndreaGrebe künftig schwarz. Ambitionierte Mediziner würden ohne die Möglichkeit, auch Tavis und andere Eingriffe vorzunehmen, über kurz oder lang abwandern. Die Kardiologie hat der Konzern jedoch in einem Strategiepapier zu einem seiner Schwerpunkte erklärt. Dieser Plan steht nun akut in Frage.

Vivantes-Aufsichtsratschef Peter Zühlsdorff ärgert sich vor allem über den Stil, in dem solch weitreichende Entscheidungen getroffen wurden. Vor zwei Jahren sei bereits einmal darüber diskutiert worden. Aber dann sei es still geworden, ehe im Sommer das Thema plötzlich akut wurde und so gut wie beschlossen war. Der Chefaufseher, der für Berlin auch den Aufsichtsrat der Messe führt, versteht nicht, wie die Politik sein Unternehmen mit 14.000 Beschäftigten so im Regen stehen lassen kann. Als Ausweg will Vivantes jetzt in die Offensive gehen und außerhalb des Krankenhausplanes und ohne Betten für gesetzlich Versicherte eine kleine private Herzchirurgie aufbauen. Mit solch einer Einheit im Haus dürften Vivantes-Ärzte formal weiter die lukrativen Tavis durchführen.

Im Aufsichtsrat von Vivantes fand dieser Plan breite Zustimmung. Aber der Gesundheitssenator stimmte nach Informationen dieser Zeitung dagegen. Nun warten die Vivantes-Manager, ob Czaja die private Herzchirurgie in Neukölln mit einer Gesellschafterweisung unterbindet, was ein sehr ungewöhnlicher Vorgang wäre. Das Haus Czaja begründet die Entscheidung mit fachlichen Erwägungen. Die Argumente von Vivantes, man werde dadurch mittelfristig geschwächt, teilt die Verwaltung nicht. Vivantes werde auch künftig seinen guten Platz in der Berliner Krankenhauslandschaft wahrnehmen, so eine Sprecherin..