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Chefärzte fordern mehr Unterstützung Bremer Geburtskliniken am Limit

„Die Geburtskliniken in Bremen sind an ihren Belastungsgrenzen angekommen“, sagte der Chefarzt der Frauenklinik im St.-Joseph-Stift am Freitag in der Gesundheitsdeputation.
28.11.2015, 00:00 Uhr
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Sabine Doll
Von Sabine Doll

„Die Geburtskliniken in Bremen sind an ihren Belastungsgrenzen angekommen“, sagte der Chefarzt der Frauenklinik im St.-Joseph-Stift am Freitag in der Gesundheitsdeputation. Torsten Frambach: „Bisher können wir die schwangeren Frauen immer noch sehr gut versorgen, aber irgendwann und auf Dauer werden wir diese hohe Qualität nicht mehr gewährleisten können.“

Eigentlich hatte das Gremium, in dem Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen sitzen, die Lage der Geburtskliniken nicht explizit auf der Tagesordnung. Vorrangig ging es zunächst um einen Bericht des „Bremer Bündnis natürliche Geburt“, dem auch Chefarzt Frambach angehört. Ziel des Bündnisses ist es, die Kaiserschnittrate in den Kreißsälen zu senken. Dafür wurden Empfehlungen und Forderungen entwickelt, deren Umsetzung vor allem auch mit der personellen, räumlichen und finanziellen Ausstattung der Geburtskliniken zusammenhängt. Die sei von Engpässen bestimmt, betonte Frambach.

Schwangere können in vier Bremer Kliniken entbinden: im Klinikum Links der Weser (LDW), im Klinikum Nord, im Diako sowie im St.-Joseph-Stift. Nach der Schließung der Abteilung im Klinikum Mitte im Februar 2012, die im Schnitt 1100 Geburten jährlich zählte, müssen die anderen Häuser diesen Ausfall kompensieren. Im St.- Joseph-Stift ist die Zahl der Geburten seitdem von 1400 auf 2200 Entbindungen gestiegen, im LDW von 1900 auf 2800. Zugleich wächst die Zahl von Schwangeren aus dem niedersächsischen Umland, weil dort mehrere Geburtsstationen geschlossen wurden. Im LDW liege der Anteil bei rund 50 Prozent, sagte Carsten Oberhoff, Chefarzt der Geburtshilfe in der Klinik.

„Wir müssen rund 400 Schwangere im Jahr wegen der Engpässe auf andere Kliniken verteilen“, sagte er. Das betreffe vor allem die neonatologische Station, wo Frühgeborene versorgt werden. Solche Abteilungen gibt es noch in Bremen-Nord und im St.-Joseph-Stift. Aber auch dort könne es sein, dass es keinen freien Platz mehr gebe. Risikoschwangere müssten dann in andere Kliniken nach Bremerhaven, Oldenburg oder auch Hannover transportiert werden. Dies ist bereits mehrfach vorgekommen: Im August hatte der WESER-KURIER über zwei solcher Fälle berichtet. Oberhoff: „Bisher ist das alles gut gegangen. Aber machen wir uns nichts vor, irgendwann wird vielleicht ein Frühgeborenes im Rettungswagen zur Welt kommen.“ Aber nicht nur in der Neonatologie gebe es Engpässe, auch in Kreißsälen und Patientenzimmern auf den Geburtsstationen gebe es Engpässe. In den anderen Häusern sei die Situation nicht anders. Und sie verschärfe sich derzeit durch die steigende Zahl von Flüchtlingen.

„Wir hoffen auf Unterstützung für eine bessere Infrastruktur in den Geburtskliniken, die muss vom Land kommen“, forderte Frambach. In den vergangenen Monaten hatte es Gespräche zwischen Bremen und Niedersachsen darüber gegeben, ob sich das Nachbarland an der bremischen Krankenhausfinanzierung beteiligt. Die wird es laut Gesundheitsstaatsrat Gerd-Rüdiger Kück nicht geben: „Das ist sehr eindeutig“, sagte er. „Niedersachsen hat großes Interesse daran, dass Schwangere eher in Oldenburg oder Vechta entbinden.“

Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) forderte „wenigstens zwei Kreißsäle mehr“ im LDW und dem St.-Joseph-Stift, auch um die Kaiserschnittrate in Bremen weiter zu senken. „Die politische Unterstützung allein reicht nicht aus, die Kliniken brauchen auch die Hardware“, betonte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Laut dem Bericht des „Bremer Bündnis natürliche Geburt“ konnte die Kaiserschnittrate von 2012 bis 2014 im Schnitt von 33,2 auf 31,5 Prozent gesenkt werden. In den vergangenen 20 Jahren hatte sich die Zahl – auch bundesweit – verdoppelt. Das Problem dabei: Eine Sektio, so der Fachbegriff, sei mit höheren Risiken für Mutter und Kind verbunden, sagte die Vorsitzende des Bremer Hebammen-Landesverbands, Heike Schiffling. „Das ist in der Öffentlichkeit nicht klar, im Gegenteil wird eher die natürliche Geburt als Risiko wahrgenommen.“ Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, hätten ein höheres Risiko für Asthma, Diabetes und Allergien.

Das Bündnis hat Empfehlungen entwickelt, um die Rate zu senken: eine bessere personelle Ausstattung mit einer 1:1-Betreuung durch Hebammen, weniger Risikobetonung im Mutterpass, mehr Fortbildungen für Ärzte, um auch Komplikationen bei der natürlichen Geburt zu begegnen. Etwa bei einer Beckenendlage. Ein Hauptgrund für den Anstieg sei zudem die sogenannte Re-Sektio: Nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt würden weitere Kinder auch per Kaiserschnitt entbunden – obwohl dies nicht zwingend notwendig sei.

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