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Kliniken: Millionen-Verlust droht durch Reform

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Karsten Honsel
Karsten Honsel © -

Kassel. Mit der Krankenhausreform, die 2016 in Kraft treten soll, soll die Qualität in Kliniken steigen. Karsten Honsel, Vorsitzender der Gesundheit Nordhessen Holding, sieht das kritisch.

Herr Honsel, die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnt die Reform ab und spricht von Etikettenschwindel, weil der Gesetzentwurf den Kliniken Geld entziehe. Werden auch die vier Krankenhäuser der GNH Geld verlieren? 

Lexikonwissen: 

K. Honsel im Regiowiki

Karsten Honsel: Die Reform wird Nachteile für Kliniken und Patienten bringen. Unsere Krankenhäuser werden erhebliche Mittelkürzungen hinnehmen müssen, deren Gesamthöhe wir noch nicht abschätzen können. Allein durch den geplanten Wegfall des Versorgungszuschlags ab 2017 werden die vier GNH-Kliniken in Kassel, Wolfhagen, Hofgeismar und Bad Arolsen zwei Millionen Euro jährlich verlieren. Dies ist weit mehr, als die möglichen Zuschüsse durch das angekündigte Pflegestellenförderprogramm einbringen können.

Teilen Sie die Einschätzung, dass die Reform ein Etikettenschwindel ist? 

Honsel: Die Bundespolitik fordert eine weitere Steigerung der Produktivität: Weniger Mitarbeiter müssen mehr Patienten versorgen. Ich bin über den Entwurf sehr enttäuscht. Die strukturellen Probleme der deutschen Krankenhäuser werden nicht angepackt. Es bleibt beispielsweise unklar, wie die Kliniken nötige Investitionen und Tarifsteigerungen für die Mitarbeiter schultern sollen. Auch die Notfallambulanzen sind weiterhin unterfinanziert.

Sind im Zuge der Reform überhaupt Verbesserungen in Sicht? 

Honsel: Zwar gibt es punktuelle Verbesserungen wie die Wahrnehmung besonderer Aufgaben von Zentren. Insgesamt wird den Kliniken aber viel mehr genommen als gegeben. Leistungsfähige Häuser wie das Klinikum Kassel werden bestraft, wenn sich viele Patienten einer bestimmten Behandlung dort unterziehen. Denn wenn sie über eine mit den Krankenkassen vereinbarte Menge hinaus Behandlung dauerhaft in ihr Budget bekommen wollen, müssen sie als Krankenhaus hohe Abschläge bei der Vergütung hinnehmen.

Diese Abschläge für Kliniken, die gute Arbeit leisten und deshalb von mehr Patienten in Anspruch genommen werden, als mit den Kassen vereinbart wurde, sollen sogar noch deutlich steigen. 

Honsel: Ja, das ist so vorgesehen. Die Mehrleistungsabschläge sollen ganz erheblich steigen. Die Krankenkassen sparen damit viel Geld. Aber das Klinikum Kassel wird durch diese Abschläge massiv bestraft. Da dürfte es um weitere Millionen Euro gehen, die verloren gehen könnten. Honsel: Das lässt sich noch nicht verlässlich abschätzen, deshalb kann ich keine Zahl nennen.

Und was ist mit der medizinischen Qualität, die der Gesundheitsminister angeblich verbessern will? 

Honsel: Das sehe ich als Trojanisches Pferd. Unter dem Vorwand, mehr Qualität ins System zu bringen, setzt die Bundespolitik insbesondere kleine Krankenhäuser unter Druck. Wir rechnen damit, dass es etwa Mindestmengen für bestimmte Eingriffe oder Strukturvorgaben geben könnte. Das ist für kleinere Krankenhäuser wie in Wolfhagen, Hofgeismar und Arolsen schwer umsetzbar.

Sehen Sie die beiden Kreiskliniken der GNH und das Krankenhaus Bad Arolsen in ernster Gefahr? 

Honsel: Wir stehen zu den Kreiskliniken. Aber in der Bundespolitik gibt es einen klaren Willen, die Krankenhausstandorte weiter zu konzentrieren. Das bildet weder den Wunsch der Bevölkerung ab noch unsere Vorstellung von kommunaler Daseinsvorsorge. Die Reform macht es nicht leichter, die kleinen Krankenhäuser zu erhalten. Mit unserem Klinikverbund haben wir gute Voraussetzungen, dass dies gelingt. Es wird schwerer als bisher.

Noch mal zurück zur Behandlungsqualität. Jeder Patient, der ins Krankenhaus muss, sieht eine Qualitätsdiskussion doch als richtig und notwendig an? 

Honsel: Die Qualitätsdiskussion begrüße ich ausdrücklich. Wir wollen die medizinische Behandlungsqualität verbessern und sind seit Jahren bei der Initiative Qualitätsmedizin engagiert. Das verschafft Patienten Durchblick und sie können ihren Behandlungserfolg einschätzen. Aber in diesem Gesetzesvorhaben ist noch vollkommen unklar, wie die Qualität eigentlich gemessen werden soll.

Da sollen die Krankenkassen eine zentrale Rolle spielen. Werden die Kassen dabei versuchen, ihre Kosten zu verringern? 

Honsel: Die Qualitätsindikatoren sollen durch einen neu zu gründenden Ausschuss erst festgelegt werden. Geplant ist, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Qualität prüft. Das sehe ich aber kritisch. Die Krankenkassen könnten hier in ihrem Interesse prüfen, um dann weniger vergüten zu müssen.

Karsten Honsel ist seit Anfang März 2015 Vorstandsvorsitzender der Gesundheit Nordhessen Holding AG (GNH) in Kassel. Der 51-Jährige stammt aus Bielefeld, hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert und dann an der Freien Universität Berlin Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach seinem Abschluss zum Diplom-Kaufmann war er zunächst in einer Unternehmensberatung und danach in der Bankgesellschaft Berlin AG als Referent für Beteiligungsmanagement tätig. 1996 wechselte er als Manager ins Gesundheitswesen, erste Station war das Städtische Krankenhaus Gütersloh. 1999 ging er an die Dr. Horst Schmidt-Kliniken (HSK) in Wiesbaden, war dort zuletzt Mitglied im Klinikumsvorstand und zudem Geschäftsführer Finanzen. 2006 wechselte Karsten Honsel als Geschäftsführer Finanzen und Infrastruktur zum Klinikum Region Hannover (KRH). Dort wurde sein eigentlich bis 2015 laufender Vertrag im Mai 2013 im gegenseitigen Einvernehmen vorzeitig aufgelöst. Ab März 2014 war der Klinikmanager als kaufmännischer Direktor für das Universitätsklinikum Bonn tätig, dann folgte der Wechsel nach Kassel. Karsten Honsel ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von 16 und 19 Jahren. Die Familie lebt vorerst in Isernhagen bei Hannover, weil die beiden Jungs dort noch zur Schule gehen.

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