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Späte Freude über die Fusion

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63003471-1b84-4a8c-9ce6-975d8a4fdd8c.jpg © Arne Dedert (dpa)

War die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg alternativlos oder ein Fehler? Darüber wird noch immer diskutiert. Ein Experte sieht derweil auch unerwartete Effekte.

Von Carolin Eckenfels (dpa)

Die Uni-Kliniken von Gießen und Marburg (UKGM) sind vor zehn Jahren zu einem Krankenhaus verschmolzen. Die Fusion war eine wichtige Maßnahme der Operation Privatisierung. Wenige Monate später verkaufte das Land Hessen die Klinik – das damals bundesweit einmalige Vorgehen ist bis heute umstritten.

DIE AUSGANGSLAGE: Die beiden Uni-Kliniken liegen nur rund 30 Kilometer auseinander. Der Betrieb ist teuer für das Land. Das Haus in Marburg schreibt zwar schwarze Zahlen, Gießen aber kränkelt und hat großen Investitionsbedarf. Unter der Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) entscheidet das Land angesichts der knappen öffentlichen Kassen die Kliniken zu privatisieren.

DER WEG ZUR PRIVATISIERUNG: Begleitet von heftigen Protesten und Widerstand der Opposition bereitet Wiesbaden den Verkauf vor. Am 9. Juni 2005 beschließt der Landtag die Fusion der Häuser, die dann zum 1. Juli erfolgt. Anfang 2006 wird an die Rhön-Klinikum AG verkauft.

DIE STREITPUNKTE: Für erhöhten Puls sorgen immer wieder Debatten zur Personalsituation und die Marburger Partikeltherapieanlage. Damit hätten schon längst Krebspatienten behandelt werden sollen. Nach langem Streit soll es nun im Herbst endlich losgehen. Und vor kurzem sorgten Berichte für Wirbel, das UKGM plane, die ambulante Krankenversorgung der Marburger Region bei sich zu bündeln.

Halbe Milliarde investiert

DAS KLINIKUM: Rhön hat nach Angaben der Klinikleitung seit 2006 über 550 Millionen Euro investiert. Der Standort habe so modernisiert und profiliert werden können. „Es gibt immer noch einige, die das Projekt UKGM kritisch sehen, ohne jedoch wirklich gangbare Alternativen zu benennen“, sagt Klinik-Chef Martin Menger. Das UKGM habe kontinuierlich Personal aufgebaut, vor allem bei Ärzten und in der Pflege. Und ja, es gebe Überstunden, die man aber abbauen wolle.

DIE KRITIKER: „Die Privatisierung war, ist und bleibt falsch.“ Das sagt der SPD-Gesundheitsexperte im Landtag, Thomas Spies. Es sei zu erwarten gewesen, dass dadurch die Arbeitsbelastung steige. Rhön habe für Kauf und Investitionen mehrere Hundert Millionen Euro aufbringen müssen. „Das muss aus dem laufenden Betrieb, von den Beschäftigten, erwirtschaftet werden.“ Welche Folgen die Privatisierung für Forschung und Lehre habe, müsse zudem dringend neu geprüft werden.

Arbeitnehmervertreter fordern seit langem ein Rezept für mehr Personal und gegen Überlastung. Im Mai appellierten sie an Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), sich für sie einzusetzen. „Die Menschen fühlen sich vom Land alleine gelassen“, sagt die Marburger Betriebsratsvorsitzende Bettina Böttcher. Es könne nicht sein, dass in neue Bauten investiert werde, aber nicht in die Menschen. „Das Land muss sich seiner Verantwortung stellen.“

„Arbeitsverdichtung“

DAS LAND: Wiesbaden steht zur Privatisierung. Beide Standorte hätten dadurch gesichert und ein „massiver Investitionsstau“ aufgelöst werden können – Rhön verpflichtete sich beim Kauf, Millionen in neue Gebäude und Technik zu stecken. Die „zunehmende Arbeitsverdichtung“ sei kein Spezifikum des UKGM oder privater Träger, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Diese Entwicklung habe die Gesundheitsbranche insgesamt erfasst und „gilt für die Uni-Kliniken im Besonderen, weil die Finanzierung der Uni-Kliniken im System der Krankenversicherungen nicht auskömmlich ist“.

DER EXPERTE: Wilfried von Eiff, der Leiter des Centrum für Krankenhaus-Management an der Uni Münster, hält die Privatisierung auf dem Klinik-Sektor für „alternativlos“. Hessen habe damals nicht die Finanzkraft für die nötigen Investitionen in überschaubarer Zeit gehabt. Von Eiff beriet das Land während des Privatisierungsprozesses und äußerte sich im Jahr 2005 auch eindeutig im Landtag zu Chancen und Risiken. „Damals hatte ich gesagt, dass die Privatisierung kein Allheilmittel ist, dass man auch die strukturellen Probleme angehen muss. Das ist gemacht worden.“ Dabei sei es schwerpunktmäßig um die Frage gegangen, wie unsinnige Doppelarbeit in Gießen und Marburg vermieden werden könne. Dass es derartige Überschneidungen gab, ist unstreitig.

Gute Zusammenarbeit

Von Eiff zufolge führte die Übernahme zudem – anders als befürchtet - nicht zu einem harten Wettbewerb zwischen dem großen Privaten und anderen Krankenhäusern in der Region: „Vor dem Verkauf waren die Uni-Kliniken eher eine Konkurrenz gegen alle umliegenden Krankenhäuser.“ Natürlich konkurriere man miteinander. „Aber in den letzten Jahren hat sich eine recht gute Zusammenarbeit entwickelt, insbesondere im Bereich Kardiologie, Rheumatologie oder Onkologie. Das finde ich sehr positiv, gerade für die Patienten.“

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