Dass die Krankenkasse DAK Gesundheit seit geraumer Zeit in großer Zahl Anträge auf Leistungen zur häuslichen Pflege ablehnt, stößt auf immer mehr Kritik. Der Fragebogen, mit dem die Kasse ermitteln will, ob nicht Angehörige oder Nachbarn die Aufgaben übernehmen könnten, ist ins Visier der Bundesdatenschützer geraten.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die heftige Kritik an der Praxis der Ersatzkasse DAK Gesundheit, die seit Wochen in großem Umfang Leistungen der häuslichen Krankenpflege für betagte Patienten nicht mehr bezahlen will, zieht Kreise. Wie sich zeigt, klagen die meisten Pflegedienste über das Vorgehen der DAK. Nach der Diakoniestation Stuttgart haben am Donnerstag das Diakonische Werk Württemberg und der Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart gegen das Gebaren der Kasse protestiert. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz prüft, ob der von der DAK eingesetzte Fragebogen gegen geltende Gesetze verstößt. Die Kasse selbst denkt über den weiteren Einsatz des Fragebogens nach.

 

Pflegedienste nicht nur im Land klagen

Wie berichtet, sind bei der Diakoniestation Stuttgart 70 Fälle aufgelaufen, bei denen die DAK teils hochbetagten Patienten Leistungen der häuslichen Krankenpflege verweigert. Es geht etwa um Insulininjektionen, die Gabe von Medikamenten oder das Anlegen von Kompressionsverbänden. Verordnet werden diese Leistungen vom Arzt, der damit dokumentiert, dass niemand im persönlichen Umfeld des Patienten diese Aufgaben übernehmen könne.

Wenn überhaupt, werden die Leistungen den betroffenen DAK-Versicherten derzeit nur kurzfristig gewährt. Voraussetzung für eine längerfristige Bewilligung ist, dass die Menschen einen Fragebogen ausfüllen. Darin will die Kasse wissen, wer in ihrem persönlichen Umfeld lebt, ob dazu „neben Angehörigen auch Freunde und Nachbarn gehören“. Und die DAK fragt, wer von diesen „die Maßnahmen übernehmen kann“ und gegebenenfalls „eine Anleitung durch medizinisches Fachpersonal“ benötige.

Kritik an der Befragung: „Das ist übergriffig“

Ein kleine Stichprobe zeigt, dass es sich nicht nur um ein Problem der Klienten der Diakoniestation handelt, des mit 2500 Betreuten größten Pflegeanbieters in Stuttgart, sondern um ein Flächenphänomen in Land und Bund. Alleine für Baden-Württemberg ist von einer drei- bis vierstelligen Zahl solcher Fälle auszugehen.

Kurt Greschner, Bereichsleiter Altenhilfe bei der Caritas Stuttgart, berichtet von sieben solcher Fälle, bei 120 betreuten Klienten. „Die wollen die Kosten drücken und schauen, wie laut der Aufschrei ist“, sagt Greschner. Zum verwendeten Fragebogen stellt er fest: „Das ist übergriffig.“ Mit rund 900 Patienten gehört die Katholische Sozialstation zu den größeren Anbietern ambulanter Pflege in Stuttgart. Dort kommt man auf etwa 40 Ablehnungen von Patientenanträgen. „Genehmigungen von Krankenkassen waren immer mal wieder nicht ganz einfach zu bekommen“, sagt Pflegedienstleiterin Margit Fink. „Was wir jetzt aber erleben, hat es noch nie gegeben.“

Beauftragter der privaten Pflegedienste: Vorgehen ist frech

Berthold Denzel, Landesbeauftragter des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der knapp 600 private Pflegedienste vertritt, kennt das Thema seit Wochen. „Die Menschen zuhause sind völlig überfordert“, sagt er über die DAK-Fragebogenaktion. Natürlich habe die Kasse das Recht, Patientenanträge zu prüfen. „Was hier geschieht, geht aber weit über das hinaus, was der Gesetzgeber vorsieht“, so Denzel. Er denkt sich: Wenn in zehn Fällen acht überfordert seien und nur zwei Widerspruch einlegten, stimme die Rechnung für die DAK. „Das ist frech“, findet Berthold Denzel. „Wir reden über Behandlungspflege, für die braucht man eine Ausbildung.“

Deutlich werden auch das Diakonische Werk Württemberg und die Caritas der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Die DAK will Geld auf Kosten alter und kranker Menschen sparen“, heißt es in einer Erklärung. Verzichteten die meist hochbetagten Menschen auf die Leistung, „setzen sie damit ihre Gesundheit und ihren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit aufs Spiel“. Eva-Maria Armbruster vom Vorstand des Diakonischen Werks, in dem rund 180 Sozialstationen mit 24 000 überwiegend älteren Betreuten organisiert sind, ist verärgert. Obwohl man mit der DAK schon Gespräche geführt habe, ändere sich nichts.

Die Kasse verweist auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit

In der Hamburger Zentrale der Krankenkasse verweist man weiter darauf, dass man die Leistungen der häuslichen Pflege zweckmäßig und wirtschaftlich zu erbringen habe. Und dies auch nur, wenn der Versicherte oder eine im Haushalt lebende Person dazu nicht selbst in der Lage seien. Bei einem Thema aber rudert die DAK zurück. „Wir prüfen, ob man an dem Fragebogen etwas anpassen muss“, so ein Sprecher.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte prüft diesen Fragebogen inzwischen, bestätigte eine Sprecherin. Fragwürdig ist nicht, dass die Versicherten Auskunft über sich selbst geben sollen. Aber dass sie per Fragebogen womöglich Angaben zu Freunden oder Nachbarn machen, könnte datenschutzrechtlich problematisch sein.