Klinik-Mitarbeiter:Seit Jahren frustriert

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Nicht nur das städtische Klinikum sucht dringend Fachkräfte, auch andere Betriebe wie auf der Litfaßsäule werben um das Pflegepersonal. (Foto: Florian Peljak)

Die Mitarbeiter sind verärgert und verunsichert, die Gewerkschaften beschweren sich über die geplanten Einsparungen in den städtischen Krankenhäusern

Von Stephan Handel

Ein Unternehmen, das seit Jahren ständig kurz vor der Insolvenz steht, das seinen Arbeitnehmern weniger bezahlt als viele Mitbewerber, das nun eine Sanierung angekündigt hat, bei der auch Arbeitsplätze wegfallen werden, und dessen Zukunft trotz aller blumigen Verlautbarungen in erster Linie eines ist: ungewiss. Kein Wunder, dass diesem Unternehmen die Mitarbeiter in Scharen weglaufen. Oder?

"Wird Zeit, dass es jetzt endlich losgeht", sagt Axel Fischer. "In Schwabing muss bald der Bagger stehen, damit die Mitarbeiter sehen: Es passiert etwas." Deshalb hofft der Geschäftsführer der Städtisches Klinikum GmbH (StKM), dass sich der Stadtrat am Mittwoch nicht zu viel Zeit nimmt für die Beratung des Sanierungskonzepts: Am Nachmittag schon hat Fischer zu den ersten Mitarbeiter-Versammlungen eingeladen, um die Willigen zu begeistern, die Skeptischen zu überzeugen und jene, die von der Angelegenheit so oder so nichts halten, wenigstens um eine Chance zu bitten.

Es ist ja auch ein schwieriges Problem, das da anzugehen ist, vielmehr: ein ganzes Bündel von Problemen, ein gordischer Knoten an Problemen. Würde man Fischer beschreiben als den Verantwortlichen eines Stellwerks, der dafür sorgen soll, dass der Zug StKM sein Ziel erreicht - die wirtschaftliche Tragfähigkeit -, dann wäre er ein Stellwerker, der mit jeder Weiche, die er stellt, fünf andere mitbedient. Und nicht alle davon halten den Zug unbedingt auf dem richtigen Gleis.

Zum Beispiel die Sache mit dem Bettenabbau: ein völlig normaler Vorgang in allen deutschen Kliniken, weil mit dem medizinischen Fortschritt, der Zunahme ambulanter Behandlungen und noch einiger anderer Faktoren die Zeiten kürzer werden, die die Patienten im Krankenhaus bleiben - also müssen auch weniger Betten aufgestellt werden. Daraus aber zu schließen, dass dann ja auch Pflegestellen abgebaut werden können, ist zu kurz gegriffen. Tatsächlich hat das Klinikum momentan 80 Pflegestellen ausgeschrieben, die sofort besetzt werden könnten - wenn es denn Bewerber gäbe. Aber: Der allgemeine Pflegekräfte-Mangel verhindert die Besetzung der Stellen, noch dazu, weil etwa private Kliniken nicht so starr an Tarifverträge gebunden sind wie öffentliche Einrichtungen.

So sieht auch Christoph Emminger die im Konzept angekündigte Erhöhung der Pflegestellen pro Station von 15,5 auf 17,5 eher skeptisch. Emminger ist Betriebsratsvorsitzender und frisch gekürter stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums: "Ja, wenn er sie nur kriegen würde!" meint er zu Fischers Plan. Emminger, der auch Landesvorsitzender des Marburger Bundes ist, der Gewerkschaft der angestellten Ärzte, sieht die Probleme in dem Konzept jedoch an ganz anderer Stelle - und ist sich darin mit seinem Kollegen Dominik Schirmer von Verdi einig: "Im Sanierungsumsetzungskonzept", sagt Schirmer, "sehen wir zu viel Sanierung und Konzept und zu wenig Umsetzung."

So sei, meint er, zu schnell auf das Thema "Fremdvergabe" gesetzt worden, bevor andere Möglichkeiten auch nur geprüft worden seien: Die Küche, die Pforte, die Logistik, der Blutspendedienst und andere Aufgaben sollen für Drittfirmen ausgeschrieben oder gleich verkauft werden, was den Wegfall der Arbeitsplätze dort bedeuten würde. "Ich habe schon vor Jahren angeregt", sagt Schirmer, "eine städtische Betriebsgesellschaft zu gründen, die alle Einrichtungen mit Bedarf an Essens-Versorgung bedienen könnte: Kliniken, Altenheime, Schulen, Kitas." Eine solche Gesellschaft allerdings gibt es nicht, und ihr Nichtvorhandensein lässt sich der Klinik-Geschäftsführung kaum vorwerfen.

Das nicht, meint Schirmer, etwas anderes allerdings schon: dass ihnen die Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung am morgigen Mittwoch gerade mal eine Woche vor dem Termin zugegangen ist. "800 anspruchsvolle Seiten in dieser kurzen Zeit seriös durchzuarbeiten, das kann nicht gelingen". So hofft der Verdi-Mann, dass der Stadtrat in der Sitzung "seiner Verantwortung gerecht wird" - und den Beteuerungen, die Landeshauptstadt wolle auch als Arbeitgeber sozial und arbeitnehmerfreundlich agieren.

Denn, so sagt Schirmer: "Die Frustration bei den Leuten ist schon groß. Seit Jahren hören sie von Sanierung, Umstrukturierung, Arbeitsplatzabbau. Aber was genau auf sie zukommt, hat ihnen noch keiner gesagt." Dabei findet sich durchaus außerplanmäßiges Engagement: So trifft sich seit mehreren Wochen eine Arbeitsgruppe, die nach Lösungen für den Pflegekräftemangel sucht. Für Fischer besonders wichtig, denn die Gruppe setzt sich aus Angestellten aller Kliniken zusammen - im Gegensatz zu zwei Bürgerinitiativen, deren eine sich für das Klinikum Harlaching stark macht, die andere kämpft in erster Linie für Schwabing. Sogar Dominik Schirmer muss zugeben, dass die beiden Initiativen an etwas festhalten, was die Misere des Stadtklinikums wohl mitverursacht hat: "Die Häuser haben sich nie als Teile eines Unternehmens begriffen, sondern immer nur ihre eigenen Interessen verfolgt."

Das zu ändern, soll eine der Weichen sein, die sich Axel Fischer vorgenommen hat zu stellen. Die Bedingungen dazu werden morgen gesetzt - erst im Stadtrat, dann bei den Mitarbeiter-Versammlungen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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