Jahresempfang:Kraftstrotzendes Klinikum

Großhadern hängt das Rechts der Isar immer weiter ab

Von Stephan Handel

Wer geht schon gerne auf Empfänge? Endlose Reden in schlechter Luft, während draußen der Prosecco warm wird, gehudelt wird beim Lob, aber nicht beim Ablauf, weshalb alles ewig dauert, und schaut der Reporter hinterher auf seinen Notizblock, so findet er selten Berichtenswertes, sondern eher die schwierige Aufgabe, aus einer mehrstündigen und mehrstimmigen Eloge eine Essenz zu destillieren. Die es manchmal aber gar nicht gibt.

Gut 300 Menschen kamen am frühen Dienstagabend in die Große Aula der Universität zum Jahresempfang des LMU-Klinikums, und es schien alles bereitet zu sein für eine dem Klischee entsprechende Veranstaltung. Dann aber konnten die Eingeweihten - wozu die meisten Anwesenden wohl zu zählen sind - doch einiges an unerwarteten Neuigkeiten erfahren, und das nicht einmal erst beim erfreulicherweise lange genug kalt gestellten Prosecco, sondern ganz offiziell von dazu Befugten, verkündet vom Rednerpult herunter.

Dass zum Beispiel der Dekan der Medizinischen Fakultät, Maximilian Reiser, sein Amt heuer im Herbst aufgibt und sich wieder ausschließlich der Leitung des Radiologischen Instituts widmen wird, war bekannt - immerhin seit 2008 steht Reiser der Fakultät vor, nun konnte er seinen Nachfolger gleich selbst bekanntgeben: Zum 1. Oktober übernimmt Reinhard Hickel die Aufsicht über die Lehre; er ist Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie.

Einen ähnlich schönen Titel trägt - noch - Jörg Schelling, der hauptberuflich als niedergelassener Arzt in Martinsried arbeitet: Er wurde im vergangenen Herbst als Direktor des neuerrichteten Instituts für Allgemeinmedizin vorgestellt, gepriesen wurde dabei die Verbindung von Praxis und Lehre, die für die Ausbildung von Hausärzten nur von Vorteil sein könne. Nun allerdings ist Schelling seinen Titel auch schon wieder los: Auf den Lehrstuhl gerufen wurde Eva Hummers-Pradier, die noch das Institut für Allgemeinmedizin an der Universität Göttingen leitet. Unterschrieben ist noch nichts, sagt ein Sprecher, was aber bedeutet, dass Hummers-Pradier den Ruf angenommen hat und nun über die Bedingungen verhandelt wird. Die Lehrstuhlinhaberin in spe hat ausweislich ihres Lebenslaufs eine respektable universitäre Laufbahn hinter sich, die Verankerung in hausärztlicher Praxis schien dem gegenüber nicht mehr so stark ins Gewicht zu fallen.

Das Klinikum der LMU präsentierte sich bei seinem Jahresempfang kraftstrotzend und selbstbewusst, und dass ein Universitätsklinikum in der Endabrechnung der Finanzen eine "schwarze Null" schreibt, fand sogar der zuständige Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle ein "starkes Ergebnis". Vor diesem Hintergrund erlaubten sich die Verantwortlichen durchaus ein bisschen Süffisanz, etwa Gerd Koslowski, der kaufmännische Direktor, der lächelnd von der "kleinen Schwester vom anderen Ufer des Flusses" sprach, womit er das zur TU gehörige Klinikum rechts der Isar meinte. Ohne Zweifel hat das LMU-Klinikum das Rechts der Isar weit hinter sich gelassen, was sich zuletzt zeigte, als das vom Transplantations-Skandal geschüttelte TU-Klinikum in diesem Bereich unter großhadernsches Kuratel gestellt wurde. Nun verkündete Karl-Walter Jauch, der Ärztliche Direktor der großen Schwester, etwas, was sein Kollege Reiner Gradinger vom Rechts der Isar mit einem nicht so ganz gelöstem Lächeln hörte: Das LMU-Klinikum wird künftig bei Kinder-Kardiologie und Kinder-Herzchirurgie mit dem Deutschen Herzzentrum (DHM) in der Lazarettstraße zusammenarbeiten, fast schon wieder ein Affront, denn das DHM ist wie das Rechts der Isar der TU angegliedert - und kooperiert nun aber lieber mit dem größeren Universitätsklinikum. Das ist ungefähr so, als würde das Rundfunkorchester verkünden, man wolle künftig lieber zu den Philharmonikern gehören.

Wer geht schon gerne auf Empfänge? Heiß war's in der Aula der Uni, aber der Prosecco blieb ja kalt. Und als die Bühne geleert und die Gläser noch voll waren, da hatten die Gäste einiges zu besprechen: Richtige Neuigkeiten, das ist ja nicht unbedingt das, was bei einem Empfang zu erwarten ist.

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