Je nach Organisationsstruktur stellen sich bis zu 40 % der konservativen Patienten einer Notaufnahme mit neurologischen Krankheitsbildern vor. Davon werden, je nach Definition, etwa 2 bis 3 Mio. Patienten dem Neurologen vorgestellt; Tendenz steigend. Das Behandlungsergebnis hängt häufig direkt vom Erkennen der Symptome und einer schnellstmöglichen Therapieeinleitung ab [13, 19]. Wie die Fachbereiche Chirurgie, Innerer Medizin und Anästhesie positioniert sich die deutsche Neurologie zunehmend bezüglich der Akutversorgung dieser Patienten in fachlichen und berufspolitischen Arbeitsgruppen [12, 23, 39]. Dieses Engagement zeigt sich u. a. in gemeinsamen Ausbildungskurrikula für die zu erwartende Zusatzbezeichnung der innerklinischen Notfallmedizin oder in gemeinsamen Positionspapieren.

Fachlich und organisatorisch sind Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall in diesem Zusammenhang besonders zeitkritische Notfälle mit hoher Außenwirkung. Sie sind, in Bezug auf die verzugslose Diagnostik und Einleitung der relevanten therapeutischen Schritte, sowohl eine Herausforderung für den Rettungsdienst als auch für den gesamten Bereich der innerklinischen Versorgung [13, 25, 27, 29, 35]. Nicht ohne Grund ist der Schlaganfall, neben dem Schädel-Hirn-Trauma, dem Polytrauma, dem akuten Koronarsyndrom und der Reanimation, eine der fünf notfallmedizinischen Tracer-Diagnosen [2, 36]. Zur optimalen Versorgung dieser Patientengruppe existieren sowohl nationale wie auch internationale Empfehlungen und Leitlinien [1, 14, 18]. Effekte der multiplen Aufklärungskampagnen der Öffentlichkeit zum Erkennen der typischen Symptome, Optionen zum Training und Schulung des Rettungsdienstes bis hin zur Verbesserung der Rehabilitation sind Gegenstand langjähriger Forschung und stehen dabei im steten Fokus der Öffentlichkeit. Eine der vielen durchgeführten Maßnahmen war die Etablierung eines Netzes speziell organisierter Bereiche der sog. Stroke-Units (SU) in Deutschland. Verglichen mit anderen Behandlungskonzepten verbessern diese SU das Outcome der behandelten Schlaganfallpatienten [9].

Die Einhaltung fachlicher Empfehlungen wird u. a. in Schlaganfallregistern kontinuierlich im Sinne einer Qualitätssicherung (QS)/eines Qualitätsmanagements (QM) evaluiert [43]. Hierzu wurden z. T. Kennzahlen als sog. Qualitätsindikatoren (QI) vorgeschlagen [3, 21, 34]. Grundlage dieses kontinuierlichen QM bildet die Dokumentation. Der Datensatz Notaufnahme der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI) ist angetreten, die Basis der Dokumentation in diesen zentralen Notaufnahmen zu bilden. Dieser wird von verschiedenen Fachgesellschaften empfohlen und wurde u. a. von Fachärzten für Neurologie in einem nicht standardisierten Konsensusprozess während mehrerer Expertentreffen entwickelt [30, 31, 41].

Dokumentation in der innerklinischen Notfallmedizin

Nach der Ersteinschätzung werden im Rahmen der Untersuchung, Risikostratifizierung und Behandlung die Weichen für das weitere medizinische Vorgehen gestellt [11, 40]. Hierbei ist es essenziell, die in dieser Phase anfallenden Informationen zu dokumentieren und an das den Patienten weiterbehandelnde medizinische Personal zu übermitteln. Dabei wird postuliert, dass durch eine standardisierte Informationserfassung der Informationsverlust verringert werden kann. Überregional standardisierte bzw. konsentierte Vorgaben oder Empfehlungen bezüglich Form und Umfang, im Sinne eines einheitliches Dokumentationsstandards, liegen erstmals mit dem Datensatz Notaufnahme der DIVI vor [30, 31, 42]. Der modulare Aufbau des Datensatzes in Form verschiedener Formulare soll die Dokumentation aller fachspezifischen Aspekte der Notfallversorgung fördern. Neben der Informationsweitergabe stellt die fallbezogene Dokumentation die Basis (Rohdaten) für ein QM dar [17, 28].

Der Datensatz Notaufnahme der DIVI

Der Datensatz Notaufnahme wurde interdisziplinär durch die wesentlichen Fachdisziplinen der Akutmedizin (Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin und Neurologie) im Konsens entwickelt. In seiner aktuellen Form umfasst er insgesamt 676 Datenfelder [30, 31, 42]. Wie in Abb. 1 dargestellt, ist er in mehrere Module aufgeteilt, sodass er einerseits bei jedem Krankheitsbild/Verletzungsmuster eines Patienten angewendet werden kann, andererseits aber niemals der gesamte Datensatz zur Anwendung kommen muss.

Abb. 1
figure 1

Auszugsweise Darstellung des modularen Aufbaus des Datensatzes Notaufnahme der DIVI sowie der jeweils möglichen Umsetzung als Papierformulare (= Notaufnahmeprotokoll). Je nach Erkrankung/Verletzung des Patienten einer Notaufnahme wird empfohlen, unterschiedliche Module des Datensatzes zu verwenden. Bei Patienten mit akuter zentraler Neurologie soll die Basisdokumentation um die Module „Überwachung“ und „Fachneurologisches Modul“ erweitert werden. Sollen weitere Konsiliare hinzugezogen werden (z. B. Neurochirurgie, Innere Medizin), kann deren Leistung mit zusätzlichen Konsilmodulen erfasst werden. Das Modul zur Dokumentation Schwerstverletzter wird für diese Patientengruppe i. A. nicht benötigt. DIVI Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

In mehreren Publikationen der Arbeitsgruppe wird postuliert, dass er den Anforderungen aus klinischer Routine, bestehenden Registern (z. B. TraumaRegister DGU® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie) und dem QM/QS gerecht wird [30, 31, 41, 42]). Des Weiteren decke er medikolegale Forderungen ab. Zusätzlich soll der Datensatz die Abrechnung der erbrachten Leistungen verbessern. Im Jahr 2010 wurde er vom Präsidium der DIVI konsentiert und seither von mehreren Fachgesellschaften zur Anwendung empfohlen. Sein Aufbau und eine mögliche graphische Umsetzung (als Notaufnahmeprotokoll) sind in den Arbeiten [30, 31, 42] dargelegt. Beides kann über elektronische Supplemente bei Kulla et al. [31] bzw. dem Internetauftritt der Sektion Notaufnahmeprotokoll der DIVI bezogen werden (http://www.notaufnahmeprotokoll.de). Der Datensatz findet derzeit Anwendung in 100 Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen. Zukünftig sind Anpassung und Erweiterung des Datensatzes, Unterstützung bei der Implementierung in Klinikinformationssystemen (KIS) und der Aufbau eines Notaufnahmeregisters durch das Projekt AKTIN (Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung [BMBF] „Verbesserung der Versorgungsforschung in der Akutmedizin in Deutschland durch den Aufbau eines nationalen Notaufnahmeregisters“; http://www.aktin.org) geplant.

Fragestellung

Aufgrund der enormen Relevanz der Diagnose „akuter ischämischer Schlaganfall“ (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems [ICD-]10-GM 2014: I63.0-9) soll die vorliegende Arbeit anhand dieser Indexdiagnose prüfen, inwieweit der Datensatz Notaufnahme der DIVI als Dokumentationsbasis einer Notaufnahme geeignet ist.

Material und Methoden

Bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall handelt es sich um unmittelbar überwachungspflichtige, instabile Notfallpatienten. Daher müssen, dem Konzept des modularen Aufbaus des Datensatzes Notaufnahme folgend, die Module „Basis“, „Überwachung“ und „Neurologie“ erhoben werden. Gegebenenfalls kann die Dokumentation um das allgemeine „Konsil-Modul“ zur Erfassung weiterer Konsilleistungen wie Innere Medizin oder Neurochirurgie erweitert werden (Abb. 1).

Die identifizierten Datenfelder werden einer mehrstufigen Analyse unterzogen und dabei auf die

  • medizinische Rationale (Abbildung von medizinischen Leitlinien und Empfehlungen),

  • Rationale zum Qualitätsmanagement (Abbildung von Messinstrumenten/Kennzahlen zum Qualitätsmanagement und Versorgungsforschung),

  • Abrechnungsrationale (Leistungsdokumentation zu Abrechnungszwecken)

hin untersucht.

Es erfolgt eine Gegenüberstellung der Auswertung der Rationalen (Empfehlungen/Leitlinien/Kennzahlen/Leistungszahlen etc.) zu den einzelnen Datenfeldern des Datensatzes Notaufnahme. Dabei wird ausgewertet, ob die verschiedenen Rationalen durch den Datensatz überhaupt abgebildet werden.

Bei der Auswertung wird unterschieden zwischen Rationalen, die entweder primär Berücksichtigung finden, oder Rationalen, die lediglich sekundär, d. h. durch Fachkenntnis erfassbar sind. „Primär“ bedeutet, dass es ein offensichtliches Datenfeld gibt (z. B. initialer Blutdruck bei Aufnahme des Patienten). „Sekundär“ bedeutet, dass man den Inhalt mit dem Datensatz Notaufnahme dokumentieren kann, der Anwender jedoch wissen muss, dass diese Information relevant ist (Beispiele siehe Tab. 3). Parallel wird ausgewertet, welche Datenfelder des Datensatzes überhaupt Verwendung finden, um die Rationalen abzubilden.

Die Ergebnisse werden mittels prozentualer Auswertung sowie Angabe der absoluten Werte in tabellarischer Form dargestellt. Zusätzlich erfolgt eine graphische Zusammenfassung als Mengendiagramm (Venn-Diagramm), welches die Überschneidungen zwischen den betrachteten Rationalen und den Datenfeldern des Datensatzes Notaufnahme wiedergibt.

Medizinische Rationale

Für die Untersuchung wurden die in der jeweiligen Leitlinie empfohlenen Therapie- und Dokumentationsschritte bei der Akutbehandlung identifiziert und tabellarisch erfasst. Dabei wurden lediglich diejenigen Empfehlungen berücksichtigt, welche für die Behandlung von Schlaganfallpatienten in der innerklinischen Akutphase, d. h. in einer Notaufnahme bis zur Übergabe des Patienten, relevant sind. Für jede empfohlene Therapie bzw. Maßnahme wurde, falls vorhanden, der dazugehörige Empfehlungsgrad („grade of recommendation“, GoR) aus der Behandlungsleitlinie aufgeführt (Abb. 2). Ebenfalls wurden Suchergebnisse übernommen, welche ein definiertes Vorgehen ausdrücklich empfehlen, bei denen jedoch kein Empfehlungsgrad angegeben war [4, 8, 10].

Abb. 2
figure 2

Entwicklung der medizinischen Rationale für ein Datenfeld aus der Evidenzklasse bzw. dem Empfehlungsgrad/GoR in der zugrunde liegenden Leitlinien. (Modifiziert nach [4, 8, 10]). GoR „grade of recommendation“/Empfehlungsgrad, GCP „good clinical practice“/Expertenmeinung

Zur Feststellung der medizinischen Rationale wurden 3 Leitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften ausgewertet:

  • DeuLL: Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls; Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG) in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2008 (aktualisierte Version Mai 2009; [14]),

  • EuroLL: European Stroke Organisation. Guidelines for Management of Ischemic Stroke and Transient Ischemic Attack 2008 [18],

  • AmeLL: Guidelines for the Early Management of Adults With Ischemic Stroke, A Guideline From the American Heart Association (AHA) and the American Stroke Association (ASA) 2007 [1].

Empfohlene Behandlungsschritte bei Schlaganfallpatienten, welche in einer der drei Leitlinien getroffen wurden jedoch nicht im Datensatz Notaufnahme der DIVI berücksichtigt sind, wurden ebenfalls identifiziert.

Rationale zum Qualitätsmanagement

Die Grundlage für die Untersuchung bildeten die Dokumentationsbögen zweier national anerkannter Institutionen zur Qualitätssicherung in der Schlaganfallversorgung sowie eine Übersichtsarbeit zu existierenden Qualitätsindikatoren in der Schlaganfallversorgung:

  • ADSR-QI: Basis-Dokumentationsbogen Schlaganfall Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlaganfall-Register (ADSR; [3, 26]),

  • GeQIK-QI: Basisbogen „Qualitätssicherung in der Schlaganfallversorgung“ Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Krankenhaus [21],

  • Otten-QI: Leitlinien und Qualitätsindikatoren im Rahmen von Disease-Management-Programmen für Schlaganfallpatienten – Übersicht existierender Indikatoren zur Schlaganfallversorgung [34].

Zusätzlich wurde jeder gefundene Qualitätsindikator einer der drei Qualitätsdimensionen nach Donabedian zugeordnet (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität; [17]). Empfohlene Messinstrumente, welche in einer der drei Quellen gefunden wurden, aber mit dem Datensatz Notaufnahme der DIVI nicht anwendbar sind, wurden ebenfalls identifiziert.

Abrechnungsrationale

Der dritte Aspekt bestand in der Überprüfung, inwieweit abrechnungsrelevante Informationen, definiert durch aktuell geltende Gesetze und Bestimmungen, durch den Datensatz Notaufnahme dokumentiert werden können. Folgende Bestimmungen wurden als Basis verwendet:

  • KHEntgG: Krankenhausentgeldgesetz [5],

  • SGB-V: Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [6],

  • N-Komplex: neurologische Komplexbehandlung Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-981.0 oder.1 [16].

Darüber hinaus wurden leistungs- und abrechnungsrelevante Inhalte identifiziert, welche in der Notfallaufnahme nicht berücksichtigt bzw. dokumentiert werden können.

Ergebnisse

Zur Dokumentation von Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall sollen in jedem Fall die Module:

  • Basisdokumentation.

  • Neurologie und

  • Überwachung

verwendet werden. Häufig werden weitere Konsiliare hinzugezogen, sodass das Erweiterungsmodul „Konsil“ ebenfalls Anwendung findet. Hieraus ergibt sich eine zu untersuchende Teilmenge des Datensatzes mit 401 Datenfeldern.

Medizinische Rationale

In den drei Leitlinien (DeuLL/EuroLL/AmeLL) sind insgesamt 214 Empfehlungen für den Bereich der innerklinischen Akuttherapie anwendbar. In der deutschen Fachleitlinie (DeuLL) werden 43 Empfehlungen ausgesprochen. 90 weitere können der Leitlinie der europäischen Schlaganfallgesellschaft (EuroLL) entnommen werden. Die US-amerikanischen Empfehlungen (AmeLL) enthalten 81 Empfehlungen. Der Abgleich dieser Empfehlungen mit dem Datensatz Notaufnahme ist in Tab. 1 zusammengefasst. Tab. 2 listet die nicht enthaltenen Empfehlungen auf. Tab. 3 enthält diejenigen Empfehlungen, welche zwar nicht primär abgedeckt werden, jedoch mit Sachkenntnis eines Neurologen dokumentiert werden können.

Tab. 1 Zusammenfassung der Abbildung von Leilinien im Datensatz Notaufnahme der DIVI im Sinne einer medizinischen Rationalea
Tab. 2 Zusammenfassung der nicht im Datensatz Notaufnahme der DIVI enthaltenen Empfehlungen mit ihrem jeweiligen Empfehlungsgrad/GoR
Tab. 3 Auflistung der im Datensatz Notaufnahme sekundär (d. h. nur mit Sachkenntnis) berücksichtigten Empfehlungen mit ihrer jeweiligen Empfehlungsstärke/GoR

Qualitätsindikatoren

Gemäß dem „Basis-Dokumentationsbogen Schlaganfall“ der ADSR dienen 44 Messinstrumente, um den Schlaganfallpatienten einem QM zu unterziehen. Davon können 28 bereits in der Notaufnahme erhoben werden. Im GeQiK werden 74 Qualitätsindikatoren beschrieben. Von diesen betreffen 49 die Versorgung in der Notaufnahme. In der Übersicht von Otten sind 51 Qualitätsindikatoren genannt. Hiervon betreffen 29 die Versorgung in der Notaufnahme. Zusammenfassend werden in den drei Arbeiten zum QM/QS der Schlaganfallbehandlung 106 sich zum Teil überlappende Qualitätsindikatoren für die Akutversorgung ermittelt. Die Abbildung dieser Qualitätsindikatoren im Datensatz Notaufnahme ist detailliert in Tab. 4 dargestellt.

Tab. 4 Abbildung von Qualitätsindikatoren im Datensatz Notaufnahme der DIVI.a (Mod. nach [17])

Abrechnungsrationale

Im Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB-V) und den Erläuterungen zur neurologischen Komplexbehandlung OPS 8-98.0 und .1 (N-Komplex) werden insgesamt 67 Aspekte der Leistungsdokumentation zu Abrechnungszwecken erwähnt.

Krankenhausentgeldgesetz

Im Gesetzestext des KHEntgG wird die Vergütung für in Krankenhäusern erbrachte Leistungen im „Allgemeinen Teil“ behandelt. Ein ausschließlicher Bezug zur Behandlung akuter Schlaganfallpatienten kann daher nicht erfolgen. Im Abschnitt 6: Sonstige Vorschriften, § 21 Übermittlung und Nutzung von Daten, Absatz 2 Satz 2 des KHEntgG wurden 14 Leistungsdaten identifiziert, welche pro Krankenhausfall an die DRG („diagnosis-related groups“) -Datenstelle zu übermitteln sind. Davon können bereits 85,7 % (12/14) der Leistungsdaten durch den Datensatz Notaufnahme der DIVI dokumentiert werden. Bei den 2 Leistungsdaten, welche nicht dokumentiert werden können, handelt es sich um die Übermittlung der Art und der Höhe aller im einzelnen Behandlungsfall abgerechneten Entgelte.

Fünftes Buch Sozialgesetzbuch

In § 301 SGB V Absatz 1 werden 30 Leistungsdaten identifiziert, welche den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung zu übermitteln sind. Davon können 66,7 % (20/30) der Leistungsdaten durch den Datensatz Notaufnahme der DIVI dokumentiert werden. Nicht dokumentiert werden:

  • Krankenversichertennummer,

  • Versichertenstatus,

  • Zuzahlungsstatus,

  • Beginn des Versicherungsschutzes,

  • Ablaufdatum des Versicherungsschutzes (bei befristeter Gültigkeit der Karte),

  • Institutionskennzeichens der Krankenkasse,

  • voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung,

  • Arztnummer des einweisenden Arztes bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung,

  • Angaben über die im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen sowie Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,

  • Übermittlung der nach den § 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte.

Neurologische Komplexbehandlung (OPS 8-981.0 und .1)

Zur Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung müssen insgesamt 23 Aspekte erfüllt sein. Hiervon können 15 während der ersten innerklinischen Phase dokumentiert werden. Bei Verwendung des Datensatzes Notaufnahme werden davon 40,0 % (6/15) primär erfasst. Hat der behandelnde Neurologe entsprechende Sachkenntnis können 9 weitere Inhalte zusätzlich erhoben werden. Somit ergibt sich eine Erfüllungsrate von 100 % (15/15) für den Bereich der Notaufnahme und 65,2 % (15/23) für die gesamte Abrechnung einer neurologischen Komplexbehandlung.

Bei den Leistungsdaten der neurologischen Komplexbehandlung, welche durch den Datensatz Notaufnahme nicht dokumentiert werden können, handelt es sich um:

  • Strukturparameter (z. B. Nachweis der Behandlung auf einer spezialisierten Einheit/Nachweis einer 24-stündigen Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie etc.) und

  • Prozesse außerhalb der Akutversorgung (z. B. Dokumentation des Beginns von Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie spätestens am Tag nach der Aufnahme etc.).

Zusammenführung der Ergebnisse

Insgesamt beinhalten die Basisdokumentation, das Konsil-, das Überwachungs- sowie das fachneurologische Modul des Datensatzes Notaufnahme 401 Datenfelder. Diese Datenfelder stehen dem behandelnden Team einer Notfallaufnahme zur Dokumentation der Behandlung von Patienten mit Verdacht auf einen akuten ischämischen Schlaganfall zu Verfügung. Für 61,6 % (247/401) der Datenfelder konnte abschließend mindestens eine Rationale identifiziert werden. Mithilfe dieser 247 Datenfelder werden insgesamt

  • 214 medizinische Empfehlungen aus Leilinien,

  • 106 publizierte Qualitätsindikatoren/Messinstrumente und

  • 67 Aspekte zur Leistungsdokumentation und Abrechnung erfasst.

Die Aufteilung und Überschneidungen der verschiedenen Rationalen auf die 247 Datenfelder ist in Abb. 3 zusammenfassend dargestellt. Auf der einen Seite ist zur Abbildung mancher Qualitätsindikatoren, medizinischer Empfehlungen oder Abrechnungsrationalen mehr als ein Datenfeld des Datensatzes nötig. Auf der anderen Seite werden mit einem Datenfeld oft mehrere Rationalen bedient. So ist die Diskrepanz aus der unterschiedlichen Anzahl an Datenfeldern im Vergleich zu den abgebildeten Rationalen erklärbar.

Abb. 3
figure 3

Nicht maßstabsgetreue Darstellung der Verteilung der Rationale aller Datenfelder des Datensatzes Notaufnahme der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) als Venn-Diagramm. Der gesamte Datensatz enthält 676 Datenfelder, für Patienten mit akuter zerebraler Ischämie sind 401 Felder relevant. Von diesen haben 247 mindestens eine Rationale

Mit den Datenfeldern ohne explizite Rationale für die Behandlung werden …

  • allgemeinmedizinische Inhalte (z. B. Dokumentation des Tetanusstatus) erfasst,

  • medikolegale Aspekte ohne direkten Zusammenhang mit der Behandlung des Schlaganfalls berücksichtig (z. B. wie Anordnungszeitpunkte, Handzeichen und Durchführung allgemeiner Maßnahmen),

  • im fachneurologischen Modul Datenfelder, welche für andere neurologische Krankheitsbilder benötigt werden (z. B. Zephalgie, Rückenschmerzen, Myasthenie usw.), erhoben.

Diskussion

Die vorgestellte Arbeit untersucht erstmals die Rationale eines publizierten und von Fachgesellschaften empfohlenen Datensatzes zur Dokumentation von Notfallpatienten im nationalen Gesundheitswesen. Die mit dieser Untersuchung gewonnen Ergebnisse kommen

  • dem Kliniker vor Ort,

  • den Entwicklern von Datensätzen zur Dokumentation als auch

  • den Experten aus Leitlinienkommissionen sowie

  • dem Beauftragten für Qualitätsmanagement

zugute. Weiterhin profitieren Entwickler von Klinikinformationssystemen (KIS), da sie die Relevanz der zu implementierenden Inhalte abschätzen können. Auf diesem Weg schließt sich der Kreis, da in ein KIS und somit in die Routinedokumentation integrierte Inhalte eine Verminderung der Doppeldokumentation bedeuten. Sie tritt bisher häufig im Rahmen vieler QS- und QM-Projekte oder bei Zertifizierung auf [15, 22, 32]. Wird Doppeldokumentation vermieden, können die Beauftragten für Qualitätsmanagement einen hohen Erfüllungsgrad von ihren Qualitätsindikatoren erwarten und die Entwickler von Leitlinien können erkennen, ob ihre Empfehlungen adäquat umgesetzt werden.

Praxisrelevanz für den klinisch tätigen Neurologen

Das aus Sicht der Autoren wichtigste Ergebnis ist, dass der Datensatz Notaufnahme der DIVI zur Dokumentation von Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall geeignet ist. Wie in Abb. 3 und in Tab. 1 dargestellt, werden die 214 medizinischen Empfehlungen zu 78,9 % (169/214) primär vom Datensatz erfasst. Bei der Analyse der primär nicht direkt mit eigenen Datenfeldern abgebildeten Empfehlungen zeigt sich, dass sie zumeist sekundär erhoben werden können. Durch vorhandene Fachkenntnis können so 96,7 % (207/214) aller medizinischen Empfehlungen dokumentiert werden. Obwohl dies Sachkenntnis und Expertise in der Behandlung des Schlaganfalls voraussetzt, wird diese Einschränkung seitens der Autorengruppe des Datensatzes Notaufnahme in Kauf genommen. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass der Patient mit Schlaganfall von Neurologen, daher Ärzten mit Sachkenntnis, behandelt werden soll. Unter dieser Grundannahme und der postulierten Annahme, dass alle Fachärzte für Neurologie diese entsprechende Sachkenntnis besitzen, kann von einem nahezu 100 %igen Erfüllungsgrad ausgegangen werden [13]. Zusätzlich wurde festgestellt, dass alle 13 Empfehlungen aus der deutschen Leitlinie (DeuLL) mit Angabe einer Empfehlungsstärke zu 100 % (13/13) inhaltlich abgedeckt werden [14].

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Datensatz in seiner aktuellen Form, geeignet ist den Patienten mit Schlaganfall zu dokumentieren, jedoch kein „Algorithmus“ bzw. „Behandlungsprotokoll“ für Schlaganfallpatienten darstellt.

Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung

QM und QS können mittels Qualitätsindikatoren (QI) im Rahmen eines Plan-Do-Check-Act-Algorithmus (PDCA) die Leistung eines komplexen Systems wie die Schlaganfallbehandlung erfassen. Behandlungsprozesse können bis hin zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität optimiert werden. Daher sind QM inkl. Fortbildungen fester Bestandteil der Stroke-Unit. Voraussetzung ist damit die Anwendung geeigneter Qualitätsindikatoren. In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt 106 QI aus verschiedenen Qualitätssicherungsprojekten untersucht. Von ihnen können mit dem Datensatz Notaufnahme 85,8 % (91/106) primär und sämtliche fehlende sekundär ausgewertet werden. Wie von Schmidt et al. [37, 38] grundsätzlich dargestellt, werden durch die untersuchten Qualitätssicherungsbögen hauptsächlich QI zum Prozessmanagement abgefragt (Tab. 4). Ob die abgebildeten Messinstrumente geeignet sind, war nicht Teil der vorliegenden Untersuchung [37, 38].

Problematisch erscheint jedoch, dass die abgebildeten QI mit validen Daten gefüllt werden müssen, was oft als zusätzliche Arbeitsbelastung empfunden wird [20]. So ist die Akzeptanz von QM/QS am höchsten, wenn von den Betroffenen einerseits die Sinnhaftigkeit erkannt wurde und andererseits die Generierung der Daten nicht mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist [20]. Daher erscheint es zielführend, wenn sich Qualitätsindikatoren aus Informationen berechnen lassen, welche aus der Routinedokumentation des klinischen Behandlungsablaufes stammen. Am Beispiel des TraumaRegister DGU® der Gesellschaft für Unfallchirurgie, welches ebenfalls zeitkritische, vital bedrohte Patienten erfasst, hat sich gezeigt, dass die Implementierung dieser QM/QS-relevanten Messinstrumente in die Routinedokumentation zumindest ihre Datenvollständigkeit erhöhen kann [24, 41].‘

Zusammenfassend wird durch den Datensatz Notaufnahme der DIVI ermöglicht, durch Dokumentation bestehender Qualitätsindikatoren an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen, wie Strokeregistern, teilzunehmen. Dies ist wiederum eine wesentliche Voraussetzung zur Zertifizierung als SU [32].

Leistungsdokumentation zu Abrechnungszwecken

Obwohl als Ziel postuliert, ist der Datensatz Notaufnahme nicht geeignet, die Leistung bei der Behandlung von Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall alleinig abzurechnen. Zu viele Leistungsparameter fehlen: Einige administrative Informationen, wie Beginn des Versicherungsschutzes, sind nicht Teil des Datensatzes, sondern werden separat in Patientendatenmanagementsystemen (PDMS) durch die Krankenhausverwaltung erhoben. Gleichzeitig muss grundsätzlich hinterfragt werden, ob aktuell noch enthaltene Datenfelder wie „Krankenkasse“ oder „Versicherungsstatus“ in zukünftigen Versionen des Datensatzes Notaufnahme überhaut Bestandteil bleiben sollen. Sie führen letztendlich nur zu einer Doppeldokumentation von im KIS/PDMS bereits erfasster Informationen.

Abseits dieser offenen Punkte kann jedoch positiv festgehalten werden, dass mit dem Datensatz Notaufnahme wichtige abrechnungsrelevante Informationen erhoben werden. Genannt sei in diesem Zusammenhang die vollständige Abdeckung der Anforderungen an die Abrechnung mittels Komplexziffer (OPS-2014: 8-981.0 und .1; [16, 32]).

Limitationen

Grundsätzlich gelten die gemachten Aussagen bezüglich der festgestellten Rationale und der Eignung des Datensatzes Notaufnahme nur für die gewählte Indexdiagnose „akuter ischämischer Schlaganfall“. Aus der arbeitstäglichen Praxis sind jedoch ähnliche Ergebnisse für andere Bereiche der Notfallversorgung zu erwarten, da die Methode der interdisziplinären Datensatzerstellung in Expertengruppen identisch war (z. B. Schwerstverletztenbehandlung). Für Fachbereiche, welche nicht durch Experten in der Datensatzerstellung vertreten waren (z. B. Pädiatrie), sind aller Voraussicht nach weniger gute Ergebnisse zu erwarten.

Bezüglich der gewählten Methode muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die Überprüfung der Übereinstimmung eines in Leitlinien geforderten Inhaltes mit dem Datensatz nur durch einen einzelnen Untersucher erfolgte.

Fazit

Aus den verschiedenen Blickwinkeln von medizinischer Behandlung, Qualitätsmanagement sowie Erhebung von Leistungszahlen zur Abrechnung werden unterschiedliche Erwartungen an die Dokumentation gestellt. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen den Schluss zu, dass mit dem Datensatz Notaufnahme der DIVI Leistungen standardisiert, berufsgruppenübergreifend nachgewiesen werden können. Qualitätsrelevante Prozesse der Akuttherapie des Schlaganfalls sind nahezu vollständig abgebildet, ohne dass eine Doppeldokumentation nötig wird. Gerade vor der aktuellen politischen Diskussion, Krankenhäuser zukünftig nicht nur nach Fallzahlen, sondern auch nach erbrachter Qualität zu vergüten, ein nicht unerheblicher Aspekt [7, 33].

Dieses Ergebnis beruht vermutlich auf der frühzeitigen Einbindung von Experten in den Erstellungsprozess des Datensatzes Notaufnahme. Daher wird empfohlen,

  • dass zukünftig bereits bei der Erstellung von Datensätzen primär die Rationale für jedes zu erhebende Datenfeld kritisch diskutiert und dokumentiert werden muss,

  • dass Entwickler von Qualitätsindikatoren möglichst frühzeitig auf Arbeitsgruppen, welche sich mit Dokumentation beschäftigen, zugehen. So kann gewährleistet werden, dass QI ein Bestandteil der Routinedokumentation werden,

  • dass Experten für Controlling und Abrechnung hinzugezogen werden, um alle Informationen, welche z. B. für Komplexbehandlungen nötig sind, vollständig zu erheben.

Durch diesen Ansatz erwarten wir für alle Beteiligten Vorteile: eine einheitliche Dokumentation, welche die Routinedokumentation auf ein fachlich begründetes Maß beschränkt, gleichzeitig aber alle relevanten Qualitätsindikatoren eines umfassenden QM/QS-Systems der Patientenversorgung enthält. Zusätzlich unterstützt dieser Ansatz das Controlling/die Finanzabteilung im Rahmen der Entgeltabrechnung.