SPITÄLER: «Ja – wir sind im Gespräch»

Guido Sutter, Präsident der St.Galler Spitalverbunde, ist für eine umfassende Kooperation mit Ausserrhoden. Der Spitalstandort Herisau bliebe aus seiner Sicht erhalten – für das hochdefizitäre Heiden aber dürfte es eng werden.

Silvan Lüchinger, Regula Weik
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«Eine Kooperation könnte Ausserrhoden als Spitalstandort eine Perspektive geben», sagt Guido Sutter, Präsident des Verwaltungsrates der St. Galler Spitalverbunde.

«Eine Kooperation könnte Ausserrhoden als Spitalstandort eine Perspektive geben», sagt Guido Sutter, Präsident des Verwaltungsrates der St. Galler Spitalverbunde.

Interview: Silvan Lüchinger, Regula Weik

Bild: Hanspeter Schiess

Guido Sutter, die Ausserrhoder Spitäler schreiben rote Zahlen, die St.Galler machen Gewinn. Was machen sie besser?

Wenn wir die einzelnen Standorte betrachten und die Einzugsgebiete vergleichen, haben wir schon eine bessere Ausgangslage als beispielsweise Heiden. Aber es ist ja nicht so, dass wir keine Probleme hätten. Wil-Wattwil hat 2016 ebenfalls einen Verlust geschrieben und hatte auch in den Vorjahren Mühe, die Gewinnzone zu erreichen. Mit verbundübergreifenden Strategieansätzen versuchen wir nun, die Ertragslage nachhaltig zu verbessern.

Hat Heiden eine Zukunft?

Den Spitalstandort Heiden zu halten, wird eine grosse Herausforderung sein.

Auch nicht in anderer Form?

Wie er seine Gesundheitsversorgung gewährleisten will, ist grundsätzlich Sache des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Sollte es zu einer für mich wünschbaren Zusammenarbeit kommen, ist es aber kaum zielführend, wenn wir Bereiche unterstützen, die wir selber nicht als sinnvoll erachten.

Ein Spitalverbund zusammen mit Ausserrhoden ist keine Option?

Der Raum, den es zu versorgen gilt, reicht für uns über die Kantonsgrenzen hinaus. Eine Kooperation würden wir gerne und sehr interessiert prüfen – mit Ausserrhoden wie auch mit anderen möglichen Partnern.

Da stellt sich sofort die Frage der Standorte.

Meine persönliche Ansicht: Der Standort Herisau scheint mir gegeben. Ausserrhoden ohne Spital in Herisau kann ich mir nicht vorstellen. Ganz allgemein stellt sich für jedes Spital die Frage, ob Kompetenz, Qualität und Fallzahlen in einem Masse vorhanden sind, das auch Patienten anzieht und Vertrauen schafft. Wenn das nicht genügt, läuft der Patient am Standort vorbei. Insofern muss man jedem Spital den richtigen, auch unternehmerisch richtigen Inhalt geben.

Es kann unmöglich jedes Spital alle Spezialitäten anbieten.

Nehmen wir das Beispiel Orthopädie. Die Spezialisierung hat enorm zugenommen und wird weiter zunehmen. Wir können aber nicht in jedem Spital und überall alle Spezialitäten anbieten und die nötigen Fachkräfte an Ort beschäftigen. Wir müssen daher so aufgestellt sein, dass wir den Spezialisten bei Bedarf überall einsetzen können. Dafür muss nicht alles in St. Gallen konzentriert sein. Ein Spezialist kann seinen Arbeitsort auch in einem anderen Spital haben.

Warum nicht die Gesundheits­versorgung auf grosse Spitäler konzentrieren?

Grösse ist längst nicht in jedem Fall besser und billiger. Es gibt Studien von der CS, die aufzeigen, dass mittelgrosse Spitäler profitabler sind als grosse. In St.Gallen weist das Spital Linth als kleinstes Spital die höchste Ebitda-Marge aus. Als Unternehmer würde ich im Kanton St.Gallen das Angebot jedenfalls nicht auf drei Spitäler reduzieren.

Das ist kein Thema. Die Standorte sind definiert, Sanierung und ­Erneuerung vom Volk beschlossen.

Das stelle ich nicht in Frage. Unsere Aufgabe ist es, eine Strategie festzulegen, die jedem der neun Spitäler eine zukunftsorientierte Perspektive gibt. Jedes unserer Spitäler soll wenn möglich bezüglich Kompetenz und Qualität so aufgestellt sein, dass es auch finanziell tragbar ist und sich wenn immer möglich aus eigener Kraft erneuern kann.

Das gilt auch für die Ausserrhoder Spitäler. Laufen entsprechende interkantonale Gespräche?

Ja, aber sie stehen noch am Anfang. Dabei sind Exponenten der Ausserrhoder Spitäler, Daniel Germann als Leiter des Koordinationsgremiums aller St.Galler Spitäler und ich. Wir schauen den Versorgungsraum offen an. Es geht nicht darum, dass wir Ausserrhoden zum Beispiel einfach die Onkologieversorgung oder ein anderes Fachgebiet anbieten. Wir würden gerne darüber diskutieren, ob es ein Gesamtkonzept gibt, das für beide Kantone sinnvoll und tragbar ist und auch die Standorte in Ausserrhoden stärkt.

Reden auch die Politiker mit­einander?

Ja, auch die Gesundheitschefs Heidi Hanselmann, Matthias Weishaupt und Antonia Fässler für Innerrhoden sind in Kontakt. Im Vordergrund steht derzeit aber, dass wir auf Ebene der Verwaltungsräte eine gegenseitig akzeptierbare Lösung finden. Zeichnet sich dereinst eine gemeinsame Strategie ab, gehört die Politik mit an den Tisch.

Warum übernimmt St.Gallen nicht einfach auch die Gesundheitsver­sorgung beider Appenzell?

Wenn der Grosse dem Kleinen sagt: «Ich schlucke dich», kommt das nicht gut an. Da haben die Ausser- und Innerrhoder nachvollziehbare Bedenken. Wenn man sich aber auf Dauer versteht, ist eine sehr enge Zusammenarbeit denkbar. Aus unserer Sicht müssen solche Lösungsansätze für uns aber kostenneutral sein.

Wie sieht der Idealfall aus?

Die Lösung liegt aus meiner Sicht in einer möglichst umfassenden Kooperation, in der man in gegenseitigem Interesse versucht, Ausserrhoden als Spitalstandort eine Perspektive zu geben. Erst dann kommen – wenn überhaupt – weiterreichende Konzepte in Frage.

Also keine fusionierte Spitalregion über alle drei Kantone?

Heute und morgen sicher nicht. Anzustreben ist eine Kooperation, die getragen ist von Vertrauen und sogar Sympathie. Man muss sich mögen und verstehen, um erfolgreich zu sein. Wenn die Patienten sehen, dass das so ist, dann gehen sie auch in das Spital an Ort im Sinne von wohnortnaher Betreuung.

Dennoch: In Sachen Heiden muss bald etwas gehen.

Ganz allgemein: Wenn die Politik aus regionalpolitischen Gründen der Meinung ist, dass ein Angebot weiterbestehen soll, sollte sie auch bereit sein, die ungedeckten Kosten zu tragen. Diesen Entscheid muss Ausserrhoden fällen.

Welche Rolle spielt die wachsende Konkurrenz durch Privatspitäler?

Zentral sind Kompetenz und Qualität des Gebotenen. Dazu gehört auch der Kundenservice, und den kann man beeinflussen. Ebenso die Warteschlange. Dass jemand wochenlang auf eine Operation warten muss, darf es nicht geben. Bezüglich Infrastruktur und Hotellerie sind uns die Privaten voraus. Hier hat sich das Baumoratorium negativ ausgewirkt. Der Nachholbedarf ist sehr gross.

Reden wir von den Qualitätsunterschieden.

Die sehe ich nicht. In den Fachbereichen haben wir nahezu überall Universitätsniveau. Was die Spezialisierung betrifft, sind wir fraglos ebenbürtig – ich behaupte sogar besser.

Das private Angebot wächst. Wann ist das erste Spital überflüssig?

Wir haben jetzt rund 1300 Spitalbetten im Kanton. Weniger werden wir mit der Bevölkerungsentwicklung und der demografischen Entwicklung auch in Zukunft nicht brauchen. Wenn wir ein ­Spital schliessen würden, müssten wir anderswo aufstocken.

Mit der heutigen Rendite lassen sich die Spitäler aber nicht in die Zukunft führen.

Wir haben jetzt konsolidiert eine durchschnittliche Ebitda-Marge von sechs Prozent. Wir brauchen gemäss Experten zehn Prozent. Für eine nachhaltige Finanzierung fehlen über alle Verbunde gerechnet somit 45 bis 50 Millionen pro Jahr. An der Personalschraube – rund zwei Drittel der Kosten – haben wir bereits spürbar gedreht, und auf die Medikamentenpreise – 15 bis 20 Prozent der Kosten – haben wir kaum Einfluss. Es bleibt also das Volumen – und wir müssen auch über faire Preise reden können. Der Benchmark für das Kantonsspital muss ein Universitätsspital sein, mit den entsprechenden Tarifen.

Zur Person

Die St.Galler Spitäler sind mit über 8000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Franken das grösste Unternehmen im Kanton. Seit Februar präsidiert Guido Sutter den Spital-Verwaltungsrat; er hatte das Gremium, dem er seit 2003 angehört, bereits seit Sommer 2016 interimistisch geleitet. Der 68-jährige pensionierte Wirtschaftsanwalt und Ökonom HSG nimmt heute verschiedene weitere Verwaltungsratsmandate wahr und nennt Lesen, Wandern und Golf als seine Hobbys. (rw)