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Im Unispital werden immer häufiger Bagatellen behandelt

Es war ein viel beachteter, pionierhafter und nicht zuletzt umstrittener Entscheid: Auf Anfang 2016 schlossen sich das Universitätsspital Insel und die Spital Netz Bern AG zur neuen Insel-Gruppe AG zusammen. Die Fusion einer Uniklinik mit Grundversorgungsspitälern ist bis heute schweizweit einzigartig.

Das neue Grossspital setzte sich zum Ziel, das Prinzip der abgestuften Versorgung noch konsequenter umzusetzen. Will heissen: Einfachere Fälle sollten entweder in den Grundversorgungsspitälern in Aarberg, Münsingen, Riggisberg und Belp oder im Stadtspital Tiefenau behandelt werden. Erst die komplexen Fälle sollten ins Inselspital gelangen. So hätten die Verantwortlichen nicht zuletzt Kosten sparen wollen.

Kritiker glaubten jedoch nicht daran, dass dieses Vorhaben gelingen würde. Vielmehr befürchteten sie, dass durch die Fusion immer mehr leichtere Fälle an der Insel behandelt würden, wo sie unter dem Strich mehr kosten als in den Grundversorgungsspitälern oder im Tiefenauspital.

Mehr Fälle, tieferer Index

Im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss ist es der Insel-Gruppe nicht gelungen, die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Denn es setzte sich auch 2016 ein Trend fort, der seit Jahren zu beobachten ist: Am Inselspital wurden ­erneut mehr leichtere Fälle behandelt. Dies bildet der sogenannte Casemix-Index (CMI) ab.

Der Index zeigt die Komplexität der an einem Spital behandelten Fälle. An einem Universitätsspital ist der CMI höher als an anderen Spitälern, weil dort mehr schwere Eingriffe durchgeführt werden. Am Inselspital ist der CMI letztes Jahr im Vergleich zu 2015 von 1,49 auf 1,45 Punkte gefallen. Dies, obwohl die Patientenzahlen gestiegen sind.

Komplexitätsgrad der Behandlungen im Inselspital

Seit 2012 ist der CMI der Insel um insgesamt 6,3 Prozent gesunken. Die Fusion mit der Spital Netz Bern AG konnte diesen Rückgang bisher noch nicht stoppen. Zum Vergleich: Das Universitätsspital Zürich (USZ) wies in den letzten Jahren ebenfalls eine sinkende CMI-Kurve auf. Letztes Jahr jedoch gelang die Trendwende.

Komplexitätsgrad der Behandlungen im Unispital Zürich

Insel: «Mehrere Faktoren»

Die Insel begründet den neuerlichen Rückgang des CMI mit mehreren Faktoren. Hauptsächlich jedoch nicht mit einer Zunahme von leichten Fällen, sondern mit dem negativen DRG-Katalog­effekt. Das bedeutet, dass Operationen 2016 im Fallgruppenkatalog tiefer bewertet wurden als noch 2015. «Besonders betroffen waren die für das Inselspital wichtigen Schwerpunkte Kardiologie und Neurologie», wie die Kommunikationsabteilung des Inselspitals auf Anfrage festhält.

Vom DRG-Katalogeffekt war 2016 auch das Universitätsspital Zürich betroffen. «Das USZ konnte jedoch den negativen ­Effekt mit der Zunahme von schweren Fällen mehr als kompensieren», erklärt eine Mediensprecherin des USZ.

Auf die Frage, warum diese Kompensation in Bern nicht gelungen sei, antwortet die Kommunikationsabteilung der Insel, dass die Verkürzung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer sowie der Effekt der Schliessung des Zieglerspitals eine Kompensation des negativen Katalogeffekts verhindert hätten. Im zweiten Halbjahr 2016 sei der Casemix-Index jedoch ­angestiegen. Tatsächlich konnte die Insel den CMI in der zweiten Jahreshälfte von 1,43 auf 1,45 steigern, er lag aber immer noch unter dem Wert von 2015.

Santésuisse widerspricht

Beim Krankenkassenverband Santésuisse lässt man die Erklärung des Inselspitals, es sei vor ­allem der negative DRG-Katalog­effekt für die Abnahme des CMI verantwortlich, nicht unwidersprochen: «Es stimmt zwar, dass sich der Katalogeffekt negativ ausgewirkt hat», sagt Stephan Colombo, Leiter Tarifstruktur bei Santésuisse.

«Wir beobachten, dass über die Jahre in der Insel eine Verschiebung hin zu leichteren Fällen stattgefunden hat.»

Stephan Colombo, Santésuisse

«Wir beobachten jedoch, dass über die Jahre in der Insel eine Verschiebung hin zu leichteren Fällen stattgefunden hat.» Das bedeute nicht zwingend, dass die Anzahl der schweren Behandlungen abgenommen habe. «Sicher ist aber die Zahl der leichten Eingriffe gestiegen.»

Dass die Gesundheitskosten steigen, wenn leichte Fälle an einer teuren Uniklinik statt in einem kleineren Spital durchgeführt werden, ist unbestritten. «Dafür, dass die Unispitäler dies absichtlich und aus wirtschaftlichem Anreiz machen, haben wir keine Beweise», sagt Colombo. Klar sei jedoch, dass die Spitäler generell von Gesetzes wegen den Auftrag haben, eine Behandlung wirtschaftlich, zweckmässig und wirksam durchzuführen.

Schnegg bleibt kritisch

Der weiterhin sinkende Casemix-Index des Inselspitals ist auch dem Berner Gesundheits­direktor Pierre Alain Schnegg (SVP) nicht entgangen. Er sagte im Oktober 2016 gegenüber dieser Zeitung: «Es ist eine Sorge von mir, dass das Inselspital Operationen durchführt, die anderswo günstiger gemacht werden könnten.»

«Es geht darum, wichtige Aufträge der hoch spezialisierten Medizin für Bern zu gewinnen. So werden die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Casemix-Index geschaffen.»

Pierre Alain Schnegg, Regierungsrat

Schnegg kündigte damals eine «tiefgehende Analyse» an. Diese sei noch nicht abgeschlossen, sagt sein Generalsekretär Yves Bichsel nun auf Anfrage. Das Ziel sei es aber, die Insel als Universitätsspital zu stärken, sagt Schnegg. «Beispielsweise geht es darum, Bern im Rahmen der interkantonalen Vereinbarung zur hoch spezialisierten Medizin gut zu positionieren und dort wichtige Aufträge zu gewinnen. So werden die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Casemix-Index geschaffen.»

Schnegg macht weiterhin keinen Hehl daraus, dass er die Fusion von Insel und Spital Netz Bern nicht gutheisst. «Dies erhöht die Komplexität und erschwert die Aufgaben der Insel zusätzlich.»