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Wie die Zentrumsspitäler Baden und Thun als Aktiengesellschaften funktionieren

Das Kantonsspital Baden ist seit über zehn Jahren eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte AG, 70 Prozent der Aktien bleiben stets beim Kanton.

Das Kantonsspital Winterthur (KSW) ist derzeit ein «Exot» in der Zürcher Spitallandschaft, das betonen die Verfechter einer Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft immer wieder. Und weiter sagen sie: Die AG sei heute wohl die häufigste Rechtsform. Mit beidem haben sie Recht.

Neben dem Unispital ist das KSW der das einzige Zürcher Spital in Kantonsbesitz. Ein Exot im nationalen Vergleich ist allerdings auch die Zürcher Auslagerungsvorlage. Nach fünf Jahren kann der Kanton seine Aktien verkaufen und das KSW voll privatisieren. Soweit ging bisher noch kein deutschsprachiger Kanton, die Spital AGs bleiben (vorerst) in öffentlicher Hand – in Zug, im Thurgau oder auch im Kanton St. Gallen.

Neben dem Unispital ist das KSW der das einzige Zürcher Spital in Kantonsbesitz

Die Spitallandschaft Schweiz ist ein einziger Fleckenteppich, Vergleiche zwischen dem KSW und anderen Spitälern hinken zwangsläufig. Am wenigsten vielleicht beim Kantonsspital Baden (KSB) und dem Spital Thun (STS AG): Beide sind die Nummern Zwei im Kanton, beide sind wichtige Regionalspitäler, und zumindest das KSB ist ähnlich gross.

Ausgangslage: Die Spitäler bleiben (vorerst) öffentlich

Im Kanton Bern lief der Prozess 2007 umgekehrt als hier: Die Regionalspitäler wurden kantonalisiert, im Falle Thuns die Spital AG der kommunalen Zweckverbände. Direkten Einfluss auf den Spitalbetrieb nimmt die Regierung nur noch über die Wahl des Verwaltungsrates. Ein Drittel der Aktien kann der Kanton verkaufen, allerdings mit Aktionärsbindungsvertrag.

Im Aargau erfolgte die Verselbstständigung seiner Kantonsspitäler in Teilschritten: 2004 wurde das KSB zur gemeinnützigen AG, das heisst nicht gewinnorientiert; acht Jahre später wurden ihm die Immobilien übertragen. 70 Prozent der Aktien bleiben stets beim Kanton. In Thun sitzt noch ein Grossrat im Verwaltungsrat, in Baden ist das strategische Führungsgremium völlig Politiker-frei.

Wichtige Parallele: Bei beiden Spitälern wurde ein Gesamtarbeitsvertrag für das Personal ausgehandelt, der sich an den früheren Bedingungen orientiert.

Das Personal: In Baden sind die Löhne gestiegen

Interessant ist die Lohnentwicklung beim KSB als AG. «Die Löhne sind stärker angestiegen als beim Kanton, insbesondere bei den GAV-Angestellten, der breiten Basis», sagt der CEO, Adrian Schmitter. Beim Kader (ohne GAV) zeige die Lohnkurve in zwei Richtungen: bei den Assistenz- und Oberärzten nach oben, bei den Chefärzten leicht nach unten.

«Hier tickt eine Bombe»

Bettina Dauwalder, Gewerkschaft VPOD Bern

Anders in Thun. «Dort ist die Schere zwischen den Löhnen der Kantons- und Spitalangestellten um fünf Prozent aufgegangen, obwohl die Gefahr, Fachpersonal zu verlieren, auch hier gross ist», sagt Bettina Dauwalder von der Gewerkschaft VPOD Bern. Der finanzielle Druck sei mit der neuen Spitalfinanzierung in Thun schlicht zu gross geworden für Lohnerhöhungen.

Und verankert, wie bei öffentlich-rechtlichen Spitälern, seien solche bei privatrechtlichen Verträgen nun einmal nicht. «Hier tickt eine Bombe», glaubt sie. Jedes Spital müsse man also gesondert und im regionalen Kontext betrachten.

Bei der Patientenzufriedenheit erzielen beide Spitäler gute Resultate mit über 9 von 10 Punkten. Bei den Angestellten sieht es mässiger aus (rund 65 von 100). Das KSW hat seine Mitarbeiter letztmals 2015 befragt, die Ergebnisse nicht publiziert, aber festgehalten: Die Mitarbeiterzufriedenheit sei besser denn je und landesweit die höchste.

Auch die Gewinnmargen sind mit 8,8 Prozent (Spital STS AG, 2015) und 10,4 (KSB, 2016) solid. Das Fazit bei den Spitälern ist klar: Es brauche die unternehmerische Flexibilität als Aktiengesellschaft, um Projekte schnell planen und umsetzen zu können.

Blick von aussen: Dank GAV die Gewerkschaften im Boot

Im Kanton Aargau hat die FDP die Vollprivatisierung der beiden Kantonsspitäler soeben wieder aufs Tapet gebracht, um die Staatsfinanzen ins Lot zu bringen. Grossrat und Hausarzt Severin Lüscher (Grüne), der in der Gesundheitskommission sitzt, lehnt den Verkauf an Privat-Investoren aber ab: «Das Problem der steigenden Kosten im Gesundheitssystem löst man damit jedenfalls nicht», sagt er.

Lediglich den Rollenkonflikt, der sich heute in unvereinbaren Forderungen der Gesundheitsdirektion an seine Spitäler zeige: «Als Besteller von Leistungen will sie, dass die Spitäler mit den Krankenkassen tiefere Tarife aushandeln. Als Eigner forderte sie höhere Dividenden. Und gleichzeitig gibt sie die Devise ‹ambulant vor stationär› vor. Das alles zusammen geht einfach nicht auf.»

«Das Problem der steigenden Kosten im Gesundheitssystem löst man mit der Privatisierung nicht»

So sieht es auch der KSB-Geschäftsführer Schmitter. Für ihn ist die Privatisierung der nächste logische Schritt . Die Rechtsform der gemeinnützigen AG biete dabei einen beinahe perfekten Schutz vor Gewinnstreben, das zu unsozialen Massnahmen führe. «Bei der KSB AG ziehen Spitalleitung und Personal schon heute an einem Strang», glaubt Gesundheitspolitiker Lüscher, was die Gewerkschaft VPOD auf Anfrage bestätigt. Das Klima im Betrieb sei gut, der GAV sei ein Garant für faire Arbeitsbedingungen.

Auch im Berner Oberland sieht man weniger die Rechtsform als vielmehr die Rolle des Kantons und das ganze System kritisch: «Der Einfluss der Politik ist praktisch weg und die Position des Kantons als Regulator und Finanzierer schwach», findet der Berner SP-Grossrat und Gesundheitspolitiker Patrick Bhend. Ein Spital, das die Vorgaben nicht erfülle, wieder von der Spitalliste zu streichen, sei extrem schwierig, da rechtlich anfechtbar.

Eine Vollprivatisierung der Spital STS AG fände Bhend problematisch: «Aus betriebswirtschaftlicher Sicht müsste man das Zweitspital in Zweisimmen dann eigentlich schliessen.» Beim KSB stehen die Zeichen anders rum: 2018 sollen die Bauarbeiten für den neuen Haupttrakt losgehen, ein 400-Millionen-Projekt.