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Klinikums-Chef: Gordischer Knoten zerschlagen

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15 Millionen Euro jährlich mehr für Forschung und Lehre: Die Chefs von »Rhön« und UKGM, Stephan Holzinger und Gunther Weiß, äußern sich im Interview erleichtert über die Einigung mit dem Land.

Sie haben vergangene Woche eine wichtige Einigung mit dem Land erzielt. Es schießt dem Uniklinikum jährlich 15 Millionen Euro mehr Geld für Forschung und Lehre als bisher zu. Welche Bedeutung hat die Einigung für Sie?

Dr. Gunther Weiß: Für mich ist es wie ein gordischer Knoten, der durchschlagen worden ist. Leistungen, die wir bisher schon erbracht haben, werden jetzt angemessen finanziert. Eine Bleikugel ist vom Bein, wir können noch einmal etwas schneller rennen.

Stephan Holzinger: Auch für die Rhön-Klinikum AG ist es ein wesentlicher Schritt. Wir haben das drittgrößte Uniklinikum in Deutschland im Portfolio. Diesen Vorteil haben wir aber im Konzern meinem Eindruck nach bis dato zu wenig gewürdigt und eingesetzt. Ich glaube, dass wir Gießen und Marburg mit unseren anderen Standorten künftig viel stärker vernetzen müssen. Wenn ich in Frankfurt/Oder auf einen Oberarzt treffe, der in seiner Karriere blockiert ist: Warum kann der sich zum Beispiel nicht in Marburg weiter entwickeln?

Als noch 50 Kliniken zu Rhön gehört haben, hätten wir Ihnen eher zugestimmt, damals wäre die Vernetzung praktischer gewesen. Heute sind es fünf Kliniken.

Holzinger: Es geht nicht immer nur um Quantität. Die Rhön-DNA war ja immer: Wir kaufen marode, meist kommunale Krankenhäuser, und sanieren sie. Dann aber haben meine Vorgänger sie nicht so konsequent in den Konzern integriert, wie es andere gemacht haben. Da haben wir die Strategie inzwischen wesentlich verändert. Wir wollen Vernetzung: Gießen ist zum Beispiel weit vorne in der Onkologie und in der Kinderkardiologie. Die Experten hier sollen ihr Know-how künftig verstärkt mit unseren anderen Standorten teilen.

Welche Folgen hat die Einigung mit dem Land für die Beschäftigten des Klinikums?

Weiß: Wir können nachvollziehen, dass dem Land die Sicherheit der Arbeitsplätze wichtig war. Das Klinikum verpflichtet sich, fünf Jahre lang auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Außerdem übernehmen wir die Auszubildenden. Das sind wichtige Grundpfeiler. Aber wir wollen natürlich unseren Betrieb unternehmerisch weiterführen. Ich habe beim Land das Verständnis dafür wahrgenommen, dass wir uns nicht auf Planwirtschaft einlassen können und wollen. Wir werden mit dem Eigentümer, dem Land, den Betriebsräten und Gewerkschaften weiter um den richtigen Weg ringen.

Sind die Chancen für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz gestiegen?

Weiß: Ich sehe den Zusammenhang nicht unmittelbar. Die Einigung führt jetzt nicht auf direktem Weg zu einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz. Der Gesetzgeber hat ja festgelegt, dass ab Mitte nächsten Jahres auf bundesweiter Ebene Mindeststandards gelten. Wir unterstützen das, gehen solche Regelungen mit. Es darf aber keine Sonderbelastung für das Universitätsklinikum entstehen. Wir stehen schließlich im Wettbewerb.

Von Gewerkschaften gibt es den Vorwurf, Sie würden stillen Arbeitsplatzabbau betreiben.

Holzinger: Vom vierten Quartal 2016 bis zum ersten Quartal 2017 haben wir 70 Stellen in Gießen aufgebaut – im ärztlichen Dienst, im Pflegedienst und anderen Bereichen. In Marburg waren es 40. Die Aussage von Verdi, wir würden stillen Arbeitsplatzabbau betreiben, geht an der Realität vorbei.

An welcher Stelle kann denn der Patient erkennen: Hier wird der Leistungskatalog jetzt erweitert?

Weiß: Wir planen jetzt keine neuen Kliniken zu etablieren. Aber die Einigung sichert auf jeden Fall unsere Spezialisierung.

Es gibt auch kritische Stimmen zur Einigung mit dem Land: Im Gegensatz zum UKGM, das zu 95 Prozent der Rhön-Klinikum AG gehört, erhält das Frankfurter Uniklinikum ausschließlich staatliche Subventionen. Es sei damit im Nachteil.

Weiß: Was uns vom Uniklinikum Frankfurt unterscheidet: Das Land hat dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg schon 2005 bei der Privatisierung den Auftrag gegeben, sich zu erneuern – aus sich selbst heraus. Wir mussten damit eben auch entsprechende zusätzliche bilanzielle Belastungen tragen. Durch die Einigung vergangene Woche sehen wir in Bezug auf die zusätzlichen geplanten Investitionen einen gewissen Grundsatz der Fairness und des Gleichbehandlungsgebots wieder erreicht.

Herr Holzinger, Sie sind Kommunikationsexperte, waren unter anderem Unternehmenssprecher bei BMW. Inwiefern qualifiziert Sie diese Erfahrung zum Leiter eines Krankenhaus-Konzerns?

Holzinger: Ich habe Recht, Wirtschaft und Politik studiert und für deutsche und US-amerikanische Konzerne gearbeitet. Richtig ist: Ab 2012 bin ich stärker in die Branche der Kliniken und Krankenhäuser eingetaucht, war aber bereits dreieinhalb Jahre im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG tätig und leite eine gemeinnützige Stiftung zur Reform des Gesundheitswesens. Ich könnte eine Gegenfrage stellen: Die Vorstände, die zuletzt Verantwortung getragen haben, kommen auf mehr als 50 Jahre Erfahrung im Klinikmarkt. Und das Ergebnis war ... (er überlegt lange)...

...Sie können es ruhig aussprechen.

Holzinger: Sagen wir es so: Die Logik ist nicht zwingend, dass man lange in diesem Markt tätig sein muss, um etwas zu bewegen. Ich verstehe mich als Unternehmer, der temporär eine Management-Aufgabe übernommen hat. Ich bin kein Manager.

Noch eine persönliche Frage. Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere für den US-Senator John Warner gearbeitet. Was haben Sie dort für heute gelernt?

Holzinger: Das war 1990. John Warner hat mich auf vielerlei Weise beeindruckt. Nicht nur, weil er mit Elizabeth Taylor verheiratet war, sondern weil er es als einer der ersten US-amerikanischen Männer geschafft hat, aus einem Scheidungsverfahren mit viel Geld herauszukommen. Er war ja auch mit der Milliardärs-Tochter Catherine Mellon verheiratet. Er hat so viel Geld mitgenommen, dass er für den Rest seines Lebens Politik machen konnte. Beeindruckt hat mich aber vor allem, dass er immer seine eigenen Überzeugungen vertreten hat – auch dort wo er gegen die Parteilinie war. Es geht eben nicht darum, einer Herde zu folgen, sondern seinen eigenen Überzeugungen.

Sind Sie eigentlich sicher, dass das Universitätsklinikum Gießen und Marburg in fünf Jahren noch zum Rhön-Konzern gehört?

Holzinger: Absolut!

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