Kontroverse um Spital garantiert

Kommentar

Roger Fuchs
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Appenzell steht vor der Diskussion über einen möglichen Spitalneubau. (Bild: Urs Jaudas)

Appenzell steht vor der Diskussion über einen möglichen Spitalneubau. (Bild: Urs Jaudas)

Ein neues Spital für 1100 stationäre Patienten pro Jahr: Sinnvoll, notwendig oder kompletter Luxus? In den nächsten Monaten wird dieses Thema in Appenzell Innerrhoden viel Raum einnehmen. Auf kleiner Flamme brodelt es schon seit Jahren. Fakt ist: Die Lösung sieht die Innerrhoder Standeskommission seit der gescheiterten Kooperation mit dem Ausserrhoder Spitalverbund in der Verkleinerung des eigenen Spitals. Nun wird die Sache konkret, man hegt Neubaupläne. Noch vor den Sommerferien sollen die Ergebnisse aus einem Architekturwettbewerb präsentiert werden.

Ein richtiges Spital soll die neue Infrastruktur indes nicht mehr sein. Die Rede ist denn auch von einem «Ambulanten Versorgungszentrum Plus», kurz «AVZ+». Im Volksmund wird jedoch keine Person je erzählen, sie habe sich verletzt und müsse deshalb ins Ambulante Versorgungszentrum Plus. Jede und jeder wird weiterhin sagen: «Ich muss ins Spital.» Der neue Begriff wirkt sehr technisch, obschon er inhaltlich treffend ausdrückt, wohin die Reise geht: Stärkerer Ausbau des ambulanten Bereichs im Vergleich zum stationären.

Rund 37 Millionen Franken sollen in einen Neubau investiert werden. Bislang ging noch kein Aufschrei durch den Kanton und die entsprechenden Ausführungen wurden wohlwollend aufgenommen. Das wird nicht so bleiben. Spätestens wenn der Antrag für einen Rahmenkredit schwarz auf weiss vorliegt, müssen die Politikerinnen und Politiker und auch das Volk Farbe bekennen. Es wird ein Abwägen zwischen emotionalen und finanziellen Komponenten sein. Viele Innerrhoderinnen und Innerrhoder werden sich zu einem neuen Spital bekennen, weil es beruhigend ist, eine grundlegende Gesundheitsversorgung in nächster Nähe zu wissen. Befürworter könnten auch den volkswirtschaftlichen Nutzen ins Feld führen und darauf hinweisen, wie viele Menschen dank des Spitals eine Arbeitsstelle haben.

Auf der anderen Seite kommt der Landkanton nicht um die Diskussion herum, ob man sich dies finanziell leisten will? Der Kanton ist schuldenfrei, die freien flüssigen Mittel liegen über 70 Millionen Franken. Von daher dürfte es kein Problem sein. Doch im Kanton spricht man auch noch von anderen Projekten, beispielsweise bei den Verwaltungsbauten, beim einstigen Kapuzinerkloster, beim Bürgerheim und Gymnasium. Die Standeskommission wird dem Volk aufzeigen müssen, wie man alle diese Brocken stemmen will. Die Innerrhoder sind als sparsam bekannt. 37 Millionen Franken für ein neues Spital ist mehr Geld, als man in den vergangenen Jahren jemals für ein anderes Vorhaben ausgegeben hat.

Zudem sind bestehende Spitäler, die noch weit mehr anbieten, angesichts der heutigen Mobilität gut zu erreichen. Nicht zu vergessen: Ein medizinisches Zentrum gibt es auch unweit des Coop Appenzell. Ein ambulantes Versorgungszentrum müsste sich demgegenüber deutlich abgrenzen, so man sich keine Patienten streitig machen will. Das werden die Gegner ins Feld führen.

Die grosse Unbekannte ist und bleibt die Entwicklung der Patientenzahl. Der Spitalrat vertraut gemäss Geschäftsbericht darauf, dass eine attraktive Infrastruktur dafür sorgen wird, dass die Anzahl Patienten nachhaltig gesteigert werden kann. «Vertrauen» lautet hier das Motto. Ob es dann in der Realität genau so kommt, kann niemand voraussagen. Immerhin: Die Appenzellerinnen und Appenzeller haben es selbst in der Hand. Wer einem «AVZ+» zustimmt, soll dieses dann auch nutzen und mithelfen, ein ausgeglichenes finanzielles Betriebsergebnis zu erzielen. In diesem Punkt scheint sich die Geschichte mit jener des Hallenbads zu decken.

Roger Fuchs

roger.fuchs@appenzellerzeitung.ch