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Erste Hilfe für das 21. Jahrhundert Wie der iPod-Entwickler das Gesundheitswesen revolutionieren will

Er hat bei Apple die iPod-Entwicklung geleitet und war später bei Samsung für Gesundheitsprodukte zuständig: Ram Fish entwickelte nach einem Notfall die Idee eines modernen Erste-Hilfe-Koffers. Seine Vision geht darüber hinaus.
Mit Gale soll jeder im Notfall Hilfe rufen können

Mit Gale soll jeder im Notfall Hilfe rufen können

Foto: 19Labs

Einen Erste-Hilfe-Kasten sollten alle im Haus haben. Im Auto ist er sogar Pflicht und auch in Unternehmen ist er zwingend vorgeschrieben. Doch wer schon mal reingeguckt hat, findet außer Verbandsmaterial, Handschuhen und einer Rettungsdecke nicht viel mehr darin. Eine Schnellanleitung für Erste Hilfe ist noch beigelegt, das war es fast auch schon.

Doch das reicht nicht immer aus: Leidet jemand unter Atemnot oder hat einen Anfall, hilft der Inhalt des Verbandskastens meist nicht weiter. Das will der ehemalige iPod-Mitentwickler Ram Fish ändern. Er entwickelte einen Erste-Hilfe-Kasten für das 21. Jahrhundert. Die Idee zu der Gale genannten Box kam Fish im Urlaub in einem abgelegenen Ort in Mexiko.

Seine Tochter litt an Atemnot und weit und breit gab es keine Klinik, sagte er dem Magazin "Fast Company" . Schließlich ließen sich die Eltern durch einen Anruf bei einer Gesundheitsorganisation beruhigen. Der Anfall klang schlimmer als er letztlich war und es mussten keine Maßnahmen ergriffen werden. Aber Fish ließ der Gedanke nicht los, dass Menschen in abgeschiedenen Gegenden mit einfachsten Diagnosewerkzeugen oft auf sich allein gestellt sind.

Notfallkoffer mit Akku und LTE

"Jeder ist darauf fokussiert, Dinge in der Cloud zu erledigen", sagte er dem Magazin. Er habe daraufhin begonnen, sich auf Werkzeuge zu konzentrieren, die die Menschen bei sich haben. Das könnte den Therapieerfolg verbessern und schließlich auch ein Geschäft werden. Das technische Know-how hat der iPod-Miterfinder unter anderem bei Samsung erworben, wo er für digitale Gesundheitsprodukte zuständig war.

Vor rund anderthalb Jahren gründete Fish daher das Start-up 19Labs, das die Plattform für die nächste Generation der digitalen Gesundheitsversorgung bilden soll. Denn Fish denkt mit seiner Lösung weit über einen Ersatz für einen Erste-Hilfe-Kasten hinaus. Der Gale genannte Koffer soll so etwas wie eine Klinik in der Box sein.

Unter dem Deckel befindet sich ein Touchdisplay, auf dem der Nutzer schnell Informationen zu bestimmten Stichpunkten wie beispielsweise Verhalten bei Tierbissen oder -stichen, Fieber, Husten oder Brandverletzungen findet. Dazu gibt es interaktive Anleitungen für Erste Hilfe und Notfallprozeduren. Der Nutzer kann sich auch direkt mit einem Gesundheitsdienst verbinden lassen und per Videokonferenz mit einem Arzt sprechen.

In der Box sollen zum Start auch einige Diagnosewerkzeuge wie Thermometer, Stethoskop, eine Ohrlupe und Messgeräte für Blutdruck, -zucker und -sauerstoffgehalt enthalten sein. Die Messgeräte sollen ihre Ergebnisse per LTE-Mobilfunk übertragen und so eine schnelle Diagnose vor Ort ermöglichen. Damit im Notfall auch Strom vorhanden ist, ist ein großer Akku eingebaut.

Klinik für Jedermann

Künftig kann Fish sich auch weitere Dienste vorstellen, sagte er dem Magazin "Smithsonian.com" . So könnten auch ein Ultraschallgerät oder ein Gerät zur Messung der Blutfettwerte integriert werden. "Wir sehen das als Möglichkeit, Entwickler zum Marktstart zu verhelfen", sagte Fish weiter. Gale sei ein integrierter Ansatz, der eine Komplettlösung biete und die Technologien verschiedener Partner vereine. "Wir sehen uns als die einzige richtige Plattform in der Gesundheitsfürsorge, weil wir alles zusammenbringen".

Noch in diesem Jahr soll die Box erhältlich sein. Zum Start arbeitet 19Labs mit dem Telefonkonzern AT&T, dem Telemedizin-Dienstleister American Well und dem Videokonferenz-Anbieter Zoom zusammen.

Zunächst will Fish die Box vor allem in Gegenden mit schlechter medizinischer Versorgung vermarkten, aber auch an Schulen und in Betrieben kann er sich die Nutzung von Gale vorstellen. Schließlich geht er noch einen Schritt weiter: In einigen Jahren verändere sich das Gesundheitswesen auch durch immer bessere von künstlicher Intelligenz getriebener Diagnosemethoden sagt Gale. Die Gesundheitsdienste würden immer mehr dahin verlagert, wo die Menschen seien.

Und dann könnte irgendwann, so seine Vision, jeder Haushalt eine eigene Klinik beherbergen, nicht größer als eine Kühlbox. Damit hätte jeder seine eigene Gale zuhause. Der Name leitet sich von der Krankenschwester Florence Nightingale ab, die als Begründerin der modernen Krankenpflege gilt. Ihr Name sei ihm zu lang gewesen, sagt Fish. Aber auf der Box soll auch eine 19 stehen, für 19Labs. In der englischen Aussprache wird daraus eine Reminiszenz an die Reformerin des westlichen Gesundheitswesens.