Spitälern stärkere Vorschriften machen

Schon ab dem 1. Januar 2018 sollen im Kanton gewisse Operationen nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen. Spitäler sorgen sich wegen fehlender Infrastruktur und Umsatzeinbussen.

Jan Hudec
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Um Kosten zu sparen, sollen Patienten das Spital nach einer Operation so rasch wie möglich wieder verlassen. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Um Kosten zu sparen, sollen Patienten das Spital nach einer Operation so rasch wie möglich wieder verlassen. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Dass das Gesundheitswesen in der Schweiz Spitze ist, daran zweifelt hierzulande kaum einer. Und doch gibt es eine Rangliste, auf der man die Schweiz weit hinten suchen muss, hinter Slowenien und knapp vor Polen und Mexiko. Es handelt sich dabei um eine Liste der OECD, die aufzeigt, wie gross der Anteil der chirurgischen Eingriffe ist, die ambulant durchgeführt werden, also bei denen der Patient noch am gleichen Tag nach Hause kann. Ganz vorne finden sich Länder wie Kanada, Grossbritannien oder die Niederlande. Dass die Schweiz auf den hinteren Rängen steht, ist vor allem aus finanzieller Sicht problematisch, denn stationäre Eingriffe sind meist deutlich teurer als ambulante.

In ihrem jüngsten Gesundheitsversorgungsbericht hat die Zürcher Gesundheitsdirektion dazu eindrückliche Zahlen publiziert. Eine stationäre Krampfadernoperation kostet bei einem grundversicherten Patienten 7400 Franken. Wird die gleiche Operation ambulant durchgeführt, kostet sie gerade einmal 2600 Franken. Noch viel extremer ist der Unterschied bei Zusatzversicherten: Die Operation kostet bei ihnen stationär 20 000 Franken, ambulant sind es ebenfalls nur 2600 Franken. Welches Spital kann da schon widerstehen, einen Eingriff stationär durchzuführen? Gesundheitsökonom Willy Oggier spricht denn auch von einer Cashcow, die die Spitäler jahrelang gemolken hätten.

Unterdeckung befürchtet

Doch damit soll nun Schluss sein, diverse Kantone versuchen die Verschiebung in den ambulanten Bereich zu erzwingen. So auch der Kanton Zürich. Am Montag wird der Kantonsrat aller Voraussicht nach ein Gesetz verabschieden, mit dem eine Liste von Behandlungen eingeführt wird, die von den Spitälern künftig nur noch ambulant vorgenommen werden dürfen. Ausnahmen sind lediglich in schwierigen Fällen gestattet, zum Beispiel, wenn ein Patient besonders schwer erkrankt ist.

Bereits ab dem 1. Januar 2018 soll das neue Gesetz gelten. Der Verband Zürcher Krankenhäuser steht grundsätzlich hinter dem Vorhaben. Einigen Spitälern bereitet die rasche Neuerung aber Kopfzerbrechen. Bei der Hirslanden-Klinik rechnet man damit, dass rund 10 Prozent ihrer stationären Patienten künftig ambulant operieren werden müssten – das wären knapp 2000 Fälle. Dazu fehle heute die nötige Infrastruktur, heisst es bei Hirslanden auf Anfrage. In der Folge müssten sie diese Patienten in der teuren stationären Infrastruktur zum ambulanten Tarif operieren. «Das wird bei vielen Spitälern zu grossen Unterdeckungen führen», sagt Sprecher Frank Nehlig. Die Zukunft liege zweifellos darin, mehr ambulant zu operieren, aber es brauche eine Übergangsfrist und für diese Zeit auch einen speziellen Tarif, der zwischen dem ambulanten und dem stationären liege. Spitäler mit weniger Zusatzversicherten dürften nicht so stark betroffen sein, doch auch im Regionalspital Wetzikon spricht man von 500 bis 600 Fällen pro Jahr. «Dafür sind auch die Grundversorgungsspitäler nicht richtig aufgestellt», sagt Verwaltungsratspräsident Jörg Kündig. Nur mit billigeren Operationssälen und der Behandlung von möglichst vielen Fällen lasse sich trotzdem kostendeckend arbeiten. «Aber welches Spital verfügt heute schon über die nötigen Strukturen?», fragt Kündig rhetorisch. Es stelle sich zudem auch die Frage, ob die Spitäler richtig investiert hätten. Viele bauten und bauen ihre Bettenkapazitäten aus. Stehen die Betten nachher plötzlich leer?

Spitäler schlecht vorbereitet

Gesundheitsökonom Oggier teilt die Ansicht, dass einige Spitäler in Schwierigkeiten geraten könnten. Das gelte vor allem für jene, die im stationären Bereich schon heute nicht allzu gut ausgelastet seien und zusätzlich mit finanziellen Problemen zu kämpfen hätten, wie es beispielsweise beim Zürcher Stadtspital Triemli der Fall sei. «Obwohl die Entwicklung in Richtung mehr ambulanter Eingriffe längst absehbar war, haben sich viele Spitäler zu wenig auf den Wandel vorbereitet.» Länger mit der Einführung des neuen Gesetzes zu warten, bringe allerdings nichts, «es dauert sonst einfach länger, bis sich die Situation verbessert.»

Trotzdem: Die Spitäler stehen vor einer grossen Aufgabe. Der ambulante und der stationäre Bereich müssten möglichst getrennt werden, sagt Oggier. Im ambulanten Bereich brauche es schlanke Abläufe, eine kostengünstigere Infrastruktur und eine hohe Auslastung, «man muss gewissermassen fliessbandmässig operieren können». Wenn Kapazitäten nicht mehr ausgelastet werden können, müssten die Spitäler nach kreativen Lösungen suchen und die Räume zum Beispiel an Arztpraxen oder Versicherungen vermieten.

Im Kantonsspital Winterthur schaut man der Sache einigermassen gelassen entgegen. Schon heute förderten sie die Verschiebung in den ambulanten Bereich, sagt Sprecher André Haas. So hätten sie denn auch trotz steigenden Patientenzahlen im Neubau keine zusätzlichen Betten eingeplant. Sicher werde es in Zukunft aber auch entscheidend sein, die Abläufe zu optimieren und noch besser auf die Patienten zuzuschneiden.

Liste noch ausweiten?

Der Kanton erhofft sich aus der Einführung des neuen Gesetzes eine Ersparnis für die Staatskasse von 7 Millionen Franken pro Jahr. Die Gesundheitsdirektion rechnet mit über 2000 Fällen, die in den ambulanten Bereich verschoben werden können. Das ist weniger, als von den Spitälern befürchtet. Die Diskrepanz erklärt sich auch dadurch, dass die definitive Liste mit den Behandlungen erst ausgearbeitet wird. Zu den Kandidaten gehören neben der Krampfadernoperation auch die Operation des Leistenbruchs oder die Entfernung der Mandeln. Eine Übergangsfrist steht für das neue Gesetz nicht zur Debatte. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen soll die Liste aber in den folgenden Jahren regelmässig angepasst werden. Die Tendenz dürfte dabei eher zu einer Erweiterung gehen. Eine Studie der Beratungsfirma PwC spricht von über 30 Eingriffen, die ambulant durchgeführt werden könnten, und einem schweizweiten Sparpotenzial von 1 Milliarde Franken.