10'000 Franken pro Kopf

Die Gesundheitsausgaben in der Schweiz wachsen etwa doppelt so schnell wie die Gesamtwirtschaft. Dies liegt an einigen «natürlichen» Gründen sowie an Fehlanreizen im System.

Hansueli Schöchli
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2017 und 2018 sollen die Gesundheitsausgaben in der Schweiz je um rund 4% steigen. (Bild: Imago)

2017 und 2018 sollen die Gesundheitsausgaben in der Schweiz je um rund 4% steigen. (Bild: Imago)

Es gehört zum Refrain in der Schweizer Gesundheitspolitik: Die Kosten wachsen deutlich schneller als die Gesamtwirtschaft. Das wird laut der neusten Prognose der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) auch 2017 und 2018 so sein. Gemäss dieser steigen die nominalen Gesundheitsausgaben in diesen zwei Jahren je um rund 4% und damit etwa doppelt so schnell wie die Gesamtwirtschaft. Unter Ausklammerung der Teuerung und des Bevölkerungswachstums liegt die Zunahme bei etwa 2,5% pro Jahr.

Mit prognostizierten 87 Mrd. Fr. Gesamtausgaben für 2018 dürften die Kosten erstmals 10 000 Fr. pro Kopf der Bevölkerung übersteigen. Seit 1980 sind die Gesundheitsausgaben von knapp 7% der Wirtschaftsleistung auf prognostizierte 13% im Jahr 2018 angewachsen. Die Alterung und der grösser werdende Wohlstand der Bevölkerung sorgen fast naturgemäss für eine überdurchschnittliche Zunahme der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Hinzu kommen laut KOF Verhaltensänderungen (mehr Nachfrage nach externer Langzeitpflege) und der technische Fortschritt, der im Unterschied zu anderen Branchen oft Kostensteigerungen statt Kostensenkungen bringt.

Sättigung noch nicht in Sicht

Ewig kann dieser Trend allerdings nicht so weitergehen, weil sonst die Schweizer irgendwann gegen 100% ihres Einkommens für das Gesundheitswesen ausgäben. Wann eine Art «Sättigung» erreicht sein wird, ist derzeit aber noch kaum absehbar.

Ebenfalls kaum zu eruieren ist, welcher Anteil des Niveaus und des Anstiegs der Gesundheitsausgaben «effizient» ist und welcher Anteil «Verschwendung» darstellt. Der Anstieg der Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung in der Schweiz lag in den letzten zehn Jahren laut Daten der Pariser OECD etwa im internationalen Durchschnitt. Das Ausgabenniveau ist dagegen hierzulande gemessen an der Wirtschaftsstärke das zweithöchste der Welt (nach den USA). Immerhin gelten im Gegenzug die Qualität und die Zugänglichkeit des Schweizer Gesundheitswesens im internationalen Vergleich als gut. So liegt zum Beispiel die Schweiz gemessen an der Lebenserwartung traditionell auf einem der drei ersten Plätze.

Fehlanreize am Werk

Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es erhebliche Verschwendung. Der Hauptgrund liegt darin, dass kaum einer der Akteure grosse Sparanreize hat – weder die Patienten noch die Ärzte, noch die Krankenkassen. Und vor allem hat bisher auch die Mehrheit der Stimmbürger trotz dem Jammern über «hohe Krankenkassenprämien» das Sparen im Gesundheitswesen wenig gewichtet.

«Es gibt politischen Handlungsbedarf», sagte KOF-Experte Marko Köthenbürger am Dienstag vor den Medien in Bern. Doch die aus Sicht von Ökonomen wünschbare Reduktion von Fehlanreizen (zum Beispiel durch höhere Kostenbeteiligung für Patienten oder durch Beseitigung der Finanzierungsunterschiede zwischen Spitälern und ambulanten Leistungen) ist politisch schwierig, wie Köthenbürger andeutete. Immerhin zahlen die Schweizer schon heute im internationalen Vergleich einen hohen Anteil der Gesundheitsausgaben direkt aus dem eigenen Sack (27%, gegenüber dem OECD-Durchschnitt von 20%).

Die Politik hat es allerdings noch nicht einmal geschafft, jenen rund 30% der Versicherten, die Prämienverbilligungen beziehen, die Versicherung in kostensparenden Modellen zur Bedingung für die Subvention zu machen. Etiketten wie «Einschränkung der freien Arztwahl» und «Zweiklassenmedizin» gelten immer noch als wirksame Killerargumente. Wie lange das noch so bleibt, hängt davon ab, wann bei den Kosten die Schmerzgrenze überschritten ist.