SP will Krankenkassenprämien direkt vom Einkommen abhängig machen

Zu viel Wettbewerb treibe die Prämien in die Höhe, diagnostiziert die SP. Ihr Gegenrezept: Bundeshausverbot für Krankenkassenlobbyisten, gekappte Boni für Chirurgen – und generell viel mehr Staat.

Simon Hehli
Drucken
Die Gesundheitspolitikerinnen Marina Carobbio (Mitte) und Barbara Gysi (rechts) waren federführend bei der Erarbeitung des neuen SP-Papiers. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

Die Gesundheitspolitikerinnen Marina Carobbio (Mitte) und Barbara Gysi (rechts) waren federführend bei der Erarbeitung des neuen SP-Papiers. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

Immer mehr Schweizer ächzen unter den Jahr für Jahr steigenden Krankenkassenprämien. Die SP hat als Schuldige für diese Entwicklung – wenig überraschend – die freie Marktwirtschaft ausgemacht. Im neuen Positionspapier «Teurer Wettbewerb – für ein starkes öffentliches Gesundheitswesen», über das die SP-Delegierten am 24. Juni abstimmen, steht, der Wettbewerb treibe die Kosten in die Höhe. «Er führt zu Überversorgung, wo Renditen winken, und zu Unterversorgung, wo finanzielle Anreize fehlen», schreiben die Autorinnen, darunter die Nationalrätinnen Barbara Gysi und Marina Carobbio.

Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeige, dass staatlich gesteuerte Gesundheitssysteme günstiger und teilweise effizienter seien. Die SP-Gesundheitspolitikerinnen kritisieren, dass Konzerne wie die Migros mit ambulanten Arztpraxen gute Renditen erzielten und Chirurgen Bonuszahlungen für einträgliche Operationen erhielten – dies alles auf dem Buckel der Prämienzahler.

Höchstens 10 Prozent für Prämien

Das Papier enthält ein ganzes Bündel von Massnahmen, mit denen die SP das Gesundheitswesen nach ihrem Gusto umbauen will. Ein Teil der Forderungen hat in noch hängige oder bereits versenkte parlamentarische Vorstösse Eingang gefunden, andere sind neu. Um den Mittelstand zu entlasten, bereitet die SP eine Initiative vor, welche die Prämienlast pro Haushalt bei 10 Prozent des verfügbaren Einkommens deckeln soll.

Geschehen könnte das über eine Aufstockung der Prämienverbilligungen oder höhere Abzüge bei der Steuerrechnung. Eine kantonale Initiative, die in dieselbe Richtung zielte, erlitt jedoch erst gerade im Mai Schiffbruch, nur 34 Prozent des Aargauer Stimmvolks sprachen sich dafür aus.

Die Forderung, die Krankenkassenprämien direkt einkommensabhängig zu machen, ist in der SP weiterhin populär und auch so im Parteiprogramm enthalten, dennoch fehlt sie in der ursprünglichen Fassung des Papiers. «Der Abschied von der Kopfprämie bleibt natürlich das Endziel», sagt Barbara Gysi, die 10-Prozent-Initiative sei ein Zwischenschritt. Trotz dem Resultat im Aargau glaubt sie an die Chancen eines solchen Volksbegehrens. «Die Aargauer Initiative scheiterte an den katastrophalen Finanzlage des Kantons, aber die Forderung selbst geniesst im Volk breite Sympathien.»

Gegen sämtliche Privatisierungsgelüste

Die meisten anderen Programmpunkte im etatistisch ausgerichteten Papier sollen direkt den Wettbewerb eindämmen. So will die SP weiterhin die Umwandlung von öffentlichen Spitälern in Aktiengesellschaften bekämpfen, die Referendumsabstimmung im Kanton Zürich gewann sie vor wenigen Wochen. Die Genossen pochen auf eine strikte Zulassungssteuerung für Ärzte durch den Staat, auch soll die öffentliche Hand die Verschiebung von Leistungen von stationär zu ambulant «nicht als Sparmassnahme missbrauchen», sondern neu auch im ambulanten Bereich eine Mitfinanzierung übernehmen.

Ein Dorn im Auge ist der SP, dass Krankenkassenvertreter im Bundeshaus mitmischen, denn die Kassen seien nicht zuständig für Gesundheitspolitik, sondern lediglich für die Abwicklung des Versicherungsgeschäfts. Deshalb will die Partei die Krankenkassen entmachten, indem ihre Vertreter nicht mehr Mitglied des Parlaments sein dürften. Dieselbe Forderung wollen die Gesundheitsdirektoren der Kantone Waadt und Genf, Pierre-Yves Maillard (sp.) und Mauro Poggia (mcg.), mit einer Volksinitiative durchsetzen. Die SP verlangt zudem, dass nicht mehr die Krankenkassen für Kostengutschriften für Behandlungen zuständig sind, sondern eine unabhängige Stelle.

Patienten in Spital-Verwaltungsräten

Die SP-Wunschliste enthält weiter die Forderungen, dass Gewinne aus dem Betrieb von Spitälern und ambulanten Praxen an die Prämien- und Steuerzahler zurückzuerstatten seien; dass Spital- und Krankenkassenmanager nicht mehr als ein Bundesrat verdienen dürfen und überfleissige Chirurgen keine Boni mehr kassieren sollen; dass Vertreter von Patienten und Gesundheitspersonal feste Sitze in den Verwaltungsräten von Spitälern erhalten; oder dass der Staat wieder die Investitionen der öffentlichen Spitäler finanziert.

Der letzte Punkt wäre eine teilweise Abkehr von der 2012 vollzogenen Reform. Seither müssen Spitäler mit den Fallpauschalen für Behandlungen Gewinn erzielen, wenn sie einen Neubau errichten oder teure Geräte anschaffen wollen.