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Meinung Privatisierung

Eine vehemente Verteidigung der Ordnungspolitik

Hamburgs ehemaliger Finanzsenator Wolfgang Peiner greift in die Debatte um die Krankenhaus-Privatisierung ein Hamburgs ehemaliger Finanzsenator Wolfgang Peiner greift in die Debatte um die Krankenhaus-Privatisierung ein
Hamburgs ehemaliger Finanzsenator Wolfgang Peiner greift in die Debatte um die Krankenhaus-Privatisierung ein
Quelle: Bertold Fabricius
In einem Beitrag für die WELT bezieht Hamburgs ehemaliger CDU-Senator Wolfgang Peiner Stellung zur erneuten Debatte über die Privatisierungspolitik öffentlicher Einrichtungen. Er will die Diskussion.

Die Privatisierungspolitik des CDU-Senats erregt auch nach mehr als zehn Jahren immer wieder die Gemüter, allen voran in Hinblick auf den damaligen LBK sowie Pflegen und Wohnen. Die Reaktionen im parteipolitischen Umfeld sind für den Betrachter jeweils vorhersehbar: Die SPD-Vertreter beklagen die Verkäufe und denken nostalgisch an die Zeit zurück, in der die Unternehmen der Stadt gehörten – die CDU-Vertreter verweisen auf die katastrophale Lage eben dieser Unternehmen, in die diese durch die Politik der SPD hineingeraten waren.

Statt nach über 10 Jahren Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, empfehle ich der Hamburgischen Bürgerschaft eine Grundsatzdebatte über die Rolle des Staates und den Ordnungsrahmen, in dem sich das Handeln der Stadt künftig einordnet. Wo liegen die ordnungspolitischen Unterschiede? Welches Konzept kann langfristig den Interessen der Stadt und seinen Bürgern am besten dienen?

„Erfüllungsstaat“ oder Gewährleistungsverantwortung?

Der Spannungsbogen der Sozialen Marktwirtschaft ist breit. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Begriff „Daseinsvorsorge“: Unter Leistungen der Daseinsvorsorge fallen marktbezogene und nicht marktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden.

Aus der Verantwortung für die Daseinsvorsorge lässt sich ein sehr großes Aufgabenfeld für den Staat ableiten: Strom, Wasser, Entsorgung, Krankenhäuser, Nahverkehr, Kindertagesstätten, Altenheime . Hier stehen sich nun zwei Denkmodelle konträr gegenüber: Das eine Extrem ist der „Erfüllungsstaat“, er sieht all diese Aufgaben als konkrete Aufgabe für den Bund, das Land oder die Kommune an und sieht den Staat damit in der Durchführungsverantwortung. Der Staat ist in diesem Modell selber Betreiber der Unternehmen, sie gehören ihm.

Im anderen Extrem hat der Staat für diese Aufgaben die Gewährleistungsverantwortung, die auch die Qualitätssicherung einschließt. Der Staat gewährleistet, das heißt, er stellt sicher, dass die erforderlichen Leistungen zu marktkonformen Preisen in definierter Qualität von den Marktteilnehmern angeboten werden, aber er beschränkt sich dabei auf die Rolle des Hüters des Wettbewerbs und des Kontrolleurs der Qualität .

Eine zusätzliche Dimension tritt durch die Standortpolitik auf. Von der Wirtschaftspolitik wird heute erwartet, dass sie eine aktive Gestaltungsrolle übernimmt bei der Bereitstellung der Infrastruktur, bei der Förderung neuer wirtschaftlicher Schwerpunkte, bei der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen der privaten Wirtschaft. Wirtschaftspolitik soll den Rahmen schaffen, in dem sich die private Wirtschaft entwickeln kann. Aber soll die Politik auch aktiv einwirken, wenn Entscheidungszentren verloren gehen könnten, wenn der Standort gefährdet ist? Wo liegen die Grenzen staatlichen Handels im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung?

Das alles ist nun nicht Theorie – sondern erfordert konkrete Antworten in der Praxis. Für welches Modell stehen die Parteien – und was bedeutet dies für ihre Politik?

CDU: Verantwortung und Unabhängigkeit des Staates

Ich trete der SPD sicher nicht zu nahe, wenn ich ihr unterstelle, dass sie historisch für die Erfüllungsfunktion des Staates steht – den Staat also als Betreiber sieht. Das Bedauern über die Privatisierung der städtischen Krankenhäuser, der Altenheime, bestätigen dies. Auch die Gewerkschaften, allen voran Ver.di als Nachfolgerin der ÖTV („Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr“) sind hier eindeutig positioniert: Sie haben sich immer dafür eingesetzt, dass die Aufgaben der Daseinsvorsorge weitgehend vom Staat selbst wahrgenommen werden.

Die CDU stand in ihrer Regierungszeit für den „Gewährleistungsstaat“, für einen Staat, der Verantwortung für den Wettbewerb und die Qualität übernimmt, aber nicht Betreiber der Unternehmen ist, die diese Leistung anbieten. Warum? Wer die Qualität der Dienstleistung bestimmen und überwachen will, muss unabhängig sein.

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Diese Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet, wenn der Staat selbst Betreiber ist – dazu noch ein schlechter. Die schwierige Situation bei dem LBK sowie Pflegen und Wohnen hat dieses Dilemma für die Stadt aufgezeigt: Mit welcher Autorität wollte die Gesundheits- bzw. Sozialbehörde durchgreifen, wenn die eigenen Betriebe ein schlechtes Vorbild sind. Die Entscheidung des heutigen Senates, mit einer Wohn- und Betreuungsdurchführungsverordnung die Aufsicht über die Pflegeheime zu verstärken, zeigt mir, dass das Potenzial einer unabhängigen Aufsicht erkannt und genutzt wird.

Wettbewerb macht Gesundheitssystem bezahlbar

Das zweite Argument ist der Wettbewerb: Der Pflege-Staatssekretär der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, hat festgestellt: Der Konkurrenzdruck unter den privaten Pflegeheimanbietern hat dafür gesorgt, dass bundesweit die Zahl der ungeliebten Doppelzimmer in Heimen gesunken ist, er fügte hinzu: Der Wettbewerb sorgt für mehr Qualität.

Das gleiche gilt für die Krankenhäuser: Die Qualitätsvergleiche unter den Anbietern sorgen für Druck in Hinblick auf messbare medizinische Qualität. Eine unabhängige Aufsicht kann allgemein verbindliche Standards festsetzen und ihre Einhaltung ohne Interessenkonflikt überprüfen.

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Der Wettbewerb und die damit verbundene Transparenz über die Wirtschaftlichkeit zeigen aber auch, dass es offenbar staatlichen und kirchlichen Einrichtungen schwer fällt, ihre Leistungen für die Versichertengemeinschaft kostengünstig zu erbringen. Der Wettbewerb führt dazu, dass unser Gesundheitssystem für die Breite bezahlbar bleibt.

Klare ordnungspolitisce Grunsätze als Kompass

Wie aber passen die zeitweiligen Beteiligungen an der Norddeutschen Affinerie (heute Aurubis), Beiersdorf und Hapag-Lloyd in diese ordnungspolitische Linie? Auch hier galt es, einen Ordnungsrahmen einzuhalten. Ausschließliches Ziel aller Beteiligungen war es, gesunde Unternehmen dabei zu unterstützen, den Eigentümerkreis neu zu ordnen, Zeit zu gewinnen, um Übernahmen zu verhindern, die dem Standort dauerhaft schaden. Aber: Es muss sich um ein temporäres Investment handeln, es darf keine Subventionen geben – und die Stadt darf sich nicht in das unternehmerische Geschehen aktiv einmischen.

Klare ordnungspolitische Grundsätze geben einen Kompass für das Verhalten im konkreten Fall. Deswegen war es mir als Senator wichtig, das Handeln des Senats in einen ordnungspolitischen Rahmen zu stellen. Über den Inhalt des Rahmens kann man streiten – man sollte es sogar. Dazu möchte ich ermuntern. Dann weiß auch der Bürger, was er von wem zu erwarten hat.

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