Essen. Dem Uniklinikum Essen droht ein neuer Skandal. Bei Lebertransplantationen soll es zu vielen Verstößen gegen bestehende Richtlinien gekommen sein.

Bei Lebertransplantationen im Uniklinikum Essen soll es in den Jahren 2012 bis 2015 zu zahlreichen Verstößen gegen bestehende Richtlinien gekommen sein. Das geht aus einem Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) hervor, die nun die Staatsanwaltschaft Essen eingeschaltet hat. Das Klinikum weist die Vorwürfe zurück. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) fordert eine „schonungslose Aufklärung“.

Die PÜK, eine von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen eingesetzte Kontrollinstanz, führt diverse Verstöße auf. In acht Fällen sollen Organe an Alkoholkranke vergeben worden sein, obwohl diese nicht wie vorgeschrieben mindestens sechs Monate abstinent waren. In 14 Fällen wurden laut PÜK Organe an Patienten verpflanzt, obwohl deren Tumore zu klein oder zu groß waren.

Seit 2012 können Verstöße mit Freiheitsstrafen geahndet werden

Die PÜK wirft dem Klinikum auch vor, Organe im „beschleunigten Verfahren“ an andere Patienten vergeben zu haben als zuvor angegeben. In diesen Verfahren werden Spenderlebern, die wegen minderer Qualität von anderen Kliniken abgelehnt wurden, an Häuser vergeben, die am schnellsten einen Empfänger benennen.

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ILLUSTRATION - Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am 27.09.2012 in Berlin am Eingang eines OP-Saales vorbei getragen. In derartigen keimfreien Behältern wird das zuvor mit einer speziellen Flüssigkeit gespülte und gekühlte Spenderorgan schnellstmöglichst in ein Transplantationszentrum zum Patienten transportiert. Foto: Soeren Stache/dpa [ Rechtehinweis: (c) dpa ]
Von Stefan Schulte und Stephanie Weltmann

Die Essener sollen auch Empfänger gemeldet haben, die transportunfähig oder verreist waren. Laut PÜK handelt es sich angesichts der Vielzahl der Verstöße „nicht lediglich um ein Versehen, sondern um ein willentliches und systematisches Vorgehen“. Seit 2012 können Verstöße mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Uniklinik wehrt sich vehement

Das Uniklinikum, das vor zehn Jahren von einem Spenderskandal um den damaligen Chefarzt Prof. Christoph Broelsch erschüttert wurde, wehrt sich vehement. Die PÜK sei eine „irreguläre Kontrollinstanz“ und „ohne jede spezifische Fachkompetenz“. In keinem Fall habe die PÜK nachweisen können, dass ein Empfänger ein Organ zu Unrecht bekommen habe. Das Klinikum räumt nur ein, dass „Dokumentationspflichten nicht hinreichend beachtet“ worden seien. Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery bezeichnete den Vorwurf mangelnder Kompetenz in der PÜK als „lächerlich“.

Die Zahl der Organspender ist seit Jahren rückläufig. In der jüngsten Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung war fehlendes Vertrauen ins System einer der Hauptgründe für die mangelnde Spendebereitschaft.