Kräftige Teuerung des Gesundheitswesens

In einer Umfrage unter 231 internationalen Krankenversicherern wird für Europa dieses Jahr ein Kostenschub von 3,5% erwartet. Die USA enteilen mit +8,1%; die Schweiz liegt mit +5,4% auch vorne.

Werner Enz
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(Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

(Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Es mag ein schwacher Trost für Schweizer Bürger sein, aber Leid und Last in Form der von Jahr zu Jahr sich kräftig verteuernden Krankenkassenprämien teilen sie mit vielen. Einen Orientierungspunkt dazu bietet eine Studie der Beraterfirma Willis Towers Watson, die 231 führende Krankenversicherer aus 79 Ländern befragt hat. Für das laufende Jahr wird international mit einem Kostenschub von 7,3% gerechnet; im kommenden Jahr soll sich der Zuwachs zu laufenden Preisen auf 7,8% beschleunigen. Auch für die Schweiz werden inflations- bzw. deflationsbereinigt mit 5,4 und 5,0% hohe Zuwachsraten prognostiziert. Mit Blick auf erwartete Aufschläge von 5% für die Krankenkassenprämien in der Grundversicherung wirkt das plausibel.

Enormes Gefälle in Europa

Im internationalen Vergleich ist die Kostendynamik in Europa mit preisbereinigt geschätzten 3,5% im laufenden Jahr unterdurchschnittlich. In der Willis-Studie, die mit Deutschland das wichtigste Land aber nicht erfasst, wird eine grosse Heterogenität sichtbar. In Frankreich und vor allem in Italien wird eine schwache Teuerung erwartet, was in erster Linie mit der starken Hand des Staats und seinen Finanznöten erklärt wird. Frankreich greife stark in die Preisbildung bei Medikamenten ein und habe Obergrenzen für ärztliche Spezialbehandlungen eingeführt. Nicht näher erörtert wird, wie sich die Qualität des Spitalwesens und der Gesundheitsversorgung je nach Land präsentiert.

Da weder zur Qualität der ärztlichen Versorgung noch zur Höhe der Gesundheitskosten je Kopf Zahlen erfasst wurden, fällt eine Einordnung schwer. In Polen (+8,1% Teuerung in diesem Jahr) etwa sind Aufholeffekte dank der wirtschaftlichen Prosperität eine wichtige Triebfeder. In der Ukraine (–8,1%) ist gerade umgekehrt die Versorgungslage wegen der Kriegswirren prekär. Sorge bereiten muss die Kostenentwicklung auch in Ländern wie Schweden (+4,9%), die ähnlich wie die Schweiz bereits über ein gut ausgebautes Spitalwesen und eine hohe Ärztedichte verfügen. Für die Vereinigten Staaten (+6,6%) erwarten die befragten Krankenversicherer nach den von Präsident Donald Trump angeordneten Eingriffen eine leichte Verlangsamung des Kostenwachstums. Der Gesundheitssektor absorbiert aber weiterhin, genauso wie in der Schweiz, laufend einen grösseren Teil der Wirtschaftsleistung. In den USA sei im Schnitt jährlich mit Auslagen von 13 000 $ je Angestellten zu rechnen.

Viele Kostentreiber am Werk

Welches sind die wichtigsten Gründe für die weltweit zu beobachtende Kostendynamik? Die meisten, nämlich 74% aller Befragten, nennen die übermässige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen auf ärztliche Empfehlung, einschliesslich der Abgabe von Medikamenten. Mehr als die Hälfte der Krankenversicherer erwähnt an zweiter Stelle bürokratischen Leerlauf, etwa weil anfänglich nicht die richtigen Fachärzte konsultiert würden. Die Versicherer sehen einen Ansatzpunkt zu einer nachhaltigen Entlastung darin, in den Betrieben der Gesundheitsförderung allgemein einen höheren Stellenwert beizumessen.