Übernahme
Hirslandens brisanter Kniff: Die Klinikgruppe sticht Konkurrenten Aevis im Bieterkampf aus

Die Klinikgruppe sticht den Konkurrenten Aevis im Bieterkampf um die Bieler Privatklinik Linde aus – nicht zuletzt dank finanziellen Versprechen.

Laurina Waltersperger
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Die Hirslanden-Klinik Zürich (nach Quartier benannt), zählt zu den fünf ersten Kliniken, aus denen die Gruppe 1990 entstand.

Die Hirslanden-Klinik Zürich (nach Quartier benannt), zählt zu den fünf ersten Kliniken, aus denen die Gruppe 1990 entstand.

HO

Bei Hirslanden in Zürich herrscht Freude. Bei Genolier oberhalb des Genfersees hängen hingegen die Köpfe. Antoine Hubert, Firmenchef der Schweizer Privatklinikgruppe Aevis, sah sein Imperium schon um eine Klinik grösser, die Übernahme war in greifbarer Nähe.
Nun kommt es anders. Sein grösster Kontrahent Ole Wiesinger, Chef der Hirslanden Gruppe, hat den Zuschlag für die Bieler Privatklinik Linde erhalten.

Die beiden Chefs lieferten sich in den vergangenen Tagen einen Bieterkampf, bei dem sie alle Register zogen, um die Gunst der Aktionäre zu gewinnen. Nun sichert sich Wiesinger mit der Übernahme der Linde die Vormachtstellung von Hirslanden als grösster Klinikgruppe der Schweiz. «Der Entscheid der Linde-Aktionäre ist ein starker Vertrauensbeweis in unser Geschäftsmodell», sagt Hirslanden-CEO Ole Wiesinger zur «Schweiz am Wochenende». Konkurrent Hubert muss sich nach neuen Übernahmezielen umschauen.

Jäher Richtungswechsel

Doch die Geschichte fing ganz anders an: Hubert liebäugelte schon länger mit der Linde. Er wollte in der Region Bern einen Pflock einschlagen, Präsenz im Mittelland markieren und über 25 Millionen Franken in den Ausbau der Klinik investieren. «Natürlich sind wir enttäuscht, dass wir den Zuschlag nicht bekommen haben» sagt Antoine Hubert im Gespräch. Hirslanden sei in der Region Bern stärker verankert als seine Aevis-Gruppe. Davon hätten die Zürcher bei den Linde-Ärzten profitiert.

Dabei hatte Hubert den Linde-Verwaltungsrat erst auf seiner Seite. Doch auf Druck der Belegschaft hatte sich dieser im Laufe dieser Woche von seiner Position distanziert. «Unser strategisches Ziel ist es, Teil einer starken Gruppe zu werden. Das kann mit beiden vorliegenden Geschäftsmodellen erreicht werden», sagte Linde-Präsident Kurt Aeberhard vor dem Entscheid zur «Schweiz am Wochenende».

Die Wahl fiel am Freitag: Knapp zwei Drittel der Linde-Aktionäre, dabei handel es sich massgeblich um die rund 80 Belegärzte, wollen nicht Hubert, den Unternehmer, sondern Wiesinger, den Manager. Er zahlt mit 3100 Franken pro Aktie gleich viel wie Hubert bar anbot.
Wiesinger führt die Hirslanden Gruppe als integriertes Unternehmen. Erst 2016 hat er eine neue Zentrale in Glattbrugg errichtet, die Platz für 600 Mitarbeitende bietet.

Dort sollen die zentralen Dienste für sämtliche 17 Schweizer Spitäler zusammengezogen werden. Mit der Integration in Hirslanden sei man überzeugt, dass sich Linde auch in den nächsten Jahren positiv weiterentwickeln werde, sagt Linde-Präsident Aeberhard. Doch was passiert mit den Management-Jobs, die in der integrierten Struktur weitgehend obsolet werden? «Das aktuelle Management wird weiterhin in der Führung vertreten sein», sagt Wiesinger knapp.

Für Hubert steht nach der Niederlage bereits fest, dass Aevis keine Minderheitsbeteiligung eingehen werde. Am Montag will er mitteilen, was Aevis mit den angedienten gut 30 Prozent der Linde-Aktien machen wird. Bis dahin bleibt etwas Zeit, den Wendepunkt des Übernahmekampfs zu verdauen.

Dieser sei Anfang Woche gekommen, als die Belegärzte der Klinik nochmals von Hirslanden-Vertretern eingeschworen wurden, heisst es aus klinikinternen Kreisen. Am Vorabend der verkündeten Angebotserhöhung von Hirslanden habe die Gruppe die Ärzte gekonnt geködert: So soll sie versprochen haben, die aktuellen Basispreise des Spitals für die Fallpauschalenberechnung in der stationären Behandlung nicht zu senken. Damit verdienen Ärzte mehr.

Das ist insofern brisant, als Kliniken wegen der steigenden Gesundheitskosten bei den Tarifverhandlungen angehalten sind, ihre Effizienzgewinne in Form eines niedrigeren Preises für Behandlungen an den Patienten weiterzugeben. Hirslanden streitet dies nicht ab. Sagt jedoch lediglich, man fahre keine «Tiefpreispolitik». Die Gruppe sei bestrebt, die aktuellen Basispreise zu halten oder zu verbessern.

Hirslanden habe tunlichst verhindern wollen, dass sich Hubert, der ein starkes Netz in der Romandie sowie Kliniken in Solothurn, Winterthur, Zürich und dem Tessin besitzt, auch das Mittelland schnappe, sagen Branchenkenner.

Denn die Privatklinik Linde ist mit einem Umsatz von zuletzt 91 Millionen Franken führend in der Region Bern. Lange wollte das Spital unabhängig bleiben, erst jüngst erfolgte der Sinneswandel. «Der Schritt musste kommen, es war nur eine Frage der Zeit», sagt der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher. Mit dem heutigen Druck auf die Gesundheitskosten hätten Kliniken ohne starke Verhandlungskraft und Skaleneffekte in einem Verbund kaum mehr eine Zukunft.

Antoine Hubert muss nun anderswo weiter jagen, um sein ambitioniertes Wachstumsziel von 25 Kliniken zu erreichen. «Mit der Klinik Linde ist nun die letzte grosse Perle im Schweizer Privatklinikmarkt weg», so Locher. Für Hubert werde es sehr viel anspruchsvoller, weitere attraktive Übernahmeziele zu finden. Es gelte, die Häuser zu finden, die eine klare Fokussierung und Spezialisierung haben. «Wir sind mit vielen Kliniken im Kontakt», sagt Hubert. Auch eine Akquisition im naheliegenden Ausland schliesst er nicht aus.