Krankenhäuser:120 000 Euro Gehaltserhöhung - trotz Klagen über zu hohe Personalkosten

  • Helmut Nawratil ist seit 2012 Vorstand der mittelfränkischen Bezirkskliniken. Er ist höchst umstritten.
  • Während hohe Personalkosten der Klinik beklagt werden, fährt er einen teuren Campingbus als Dienstwagen. Außerdem wurde sein Gehalt auf einen Schlag um beinahe 50 Prozent erhöht.
  • Viele Entlassungen und Kündigungen sind auf Zerwürfnisse mit Nawratil zurückzuführen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Aus all den unauffälligen Zweck-Karossen der mittelfränkischen Bezirkskliniken in Ansbach sticht er heraus: Ein gut ausgestatteter, silberfarbiger VW-Bus vom Typ T6 California. Volkswagen bewirbt das Modell als "ideales Freizeit- und Reisemobil" und "echtes Zuhause auf vier Rädern". Jenes wird von Helmut Nawratil gefahren - als "mir vertraglich zustehender Dienstwagen", wie er sagt.

Ein Campingbus als Dienstauto eines Managers - das ist ungewöhnlich, aber nicht verboten. Seltsam ist es allerdings, wenn der Arbeitgeber dem Manager dazu noch eine Limousine spendiert. Fragwürdig wird der Vorgang, wenn der Campingbus mehr als das Vierfache der Limousine kostet und die Firma, die beide Autos bezahlt, ein öffentliches Unternehmen ist. Und das sind die Bezirkskliniken Mittelfranken, jene 3000 Beschäftigte zählende Tochterfirma, in welcher der Bezirk Mittelfranken seine psychiatrischen Krankenhäuser in Erlangen, Ansbach und Engelthal, sowie Heime und therapeutische Einrichtungen gebündelt hat.

Seit 2012 ist Helmut Nawratil, 47, Vorstand des Kommunalunternehmens. Er wisse vom Camping-Dienstwagen, und der sei auch mit ihm "abgesprochen", lässt Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratschef der Bezirkskliniken auf Anfrage mitteilen. Fragen nach dem Zweitwagen lassen Bartsch und Nawratil offen. 440 Euro monatliche Leasinggebühren zahlten die Bezirkskliniken internen Unterlagen zufolge für einen Nawratil vorbehaltenen VW-Phaeton. Der Campingbus ist mit zusätzlich 1808 Euro pro Monat verzeichnet.

Kleinkram, könnte man argumentieren, bei einem Klinikunternehmen mit 180 Millionen Euro Umsatz, dessen Führung Nawratil übernahm, als es neun Millionen Euro Defizit einfuhr. Seit 2014 arbeiten die Bezirkskliniken profitabel. Bartsch lobt Nawratil dafür. Der gibt sich bescheiden und verweist auf Teamarbeit.

Doch mit dem Miteinander scheint es in Wirklichkeit nicht weit her. Intern gibt es bei den Bezirkskliniken schon länger große Unruhe, die sich hauptsächlich am Chef entzündet. Es kursieren zahlreiche, teils massive Vorwürfe gegen Nawratil. Sie betreffen unter anderem sein geschäftliches Gebaren, fragwürdige Auftragsvergaben und den Umgang mit Mitarbeitern. Sie handeln von Intrigen und Willkür.

Seit Jahren jagt ein anonymer Brief an Bezirksräte den nächsten; die Schreiben sind lang, detailliert und stammen von Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen. Hilferufe seien ihre Briefe, schreiben die Verfasser. Sie wollen anonym bleiben, "weil bisher alle, die in den Bezirkskliniken Kritik geäußert haben, gehen mussten".

Nawratil und Bartsch erklären alles für haltlos. "Die Vorwürfe wurden unter anderem mehrfach durch die Staatsanwaltschaft untersucht und nicht weiterverfolgt", sagt Nawratil. Auch der Verwaltungsrat habe sich damit "befasst und keine erkennbaren Verfehlungen des Vorstandes" festgestellt, lässt Bezirkstagspräsident Bartsch mitteilen. Dabei ist längst nicht alles falsch, was in den anonymen Schreiben steht. Auf SZ-Nachfrage räumt der Klinikchef etwa Geschäfte mit Firmen ein, die ihm oder Mitgliedern seiner Familie gehören. Aber: Auch das sei überprüft und für in Ordnung befunden worden.

Von normalen Zuständen ist das Klinikunternehmen dennoch weit entfernt. Es herrschen in Teilen Misstrauen und Verunsicherung. Führungskräfte wechseln in bisweilen rasender Geschwindigkeit, die einen gehen freiwillig, andere werden geschasst. Dabei gab es in der Ära Nawratil auch kuriose Fehlgriffe. Ein Mitarbeiter soll monatelang in einer Position gearbeitet haben, für die er keine Qualifikation hatte. Der angebliche Betriebswirt und Ingenieur sei in Wahrheit gelernter Heizungstechniker mit ein paar Qualifikationen obendrauf gewesen, sagen Kollegen. Offenbar hatte bei seiner Einstellung niemand genau hingeschaut. Man trennte sich diskret.

Mitarbeiter sprechen von einem "Klima der Angst" in Teilen der Firma

Nicht selten sind für Kündigungen Zerwürfnisse mit Nawratil der Auslöser. So verlässt zum Monatsende genervt von Konflikten mit dem Vorstand der IT-Leiter das Unternehmen. Auch sein Stellvertreter hat gekündigt. Einem Manager wurden während einer Krankheit Zuständigkeiten entzogen. Ein von Nawratil hochgelobter Leiter der Bau- und Projektsteuerung wurde nach kürzester Zeit unter ziemlich merkwürdigen Umständen fristlos gefeuert. Demnächst trifft man sich vor Gericht.

Wer sich in den Bezirkskliniken genauer umhört, trifft auch jenseits anonymer Briefe auf eingeschüchterte oder wütende Mitarbeiter, die Befremdliches erzählen und nicht selten mit Unterlagen untermauern. Manches grenzt an Realsatire - wenn man nicht selbst betroffen ist. Wie die Geschichte mit der Pförtnerin.

Carola B. (Name geändert) erhielt im Oktober 2016 eine schriftliche Abmahnung, verbunden mit der Androhung ihres Rauswurfes. Sie hatte es gewagt, nicht gleich nach Schichtbeginn um sechs Uhr früh die Jalousie an der Pforte des Ansbacher Bezirkskrankenhauses hochzuziehen. "Gegen 6.45 Uhr fiel unserem Vorstand Herrn Nawratil auf, dass die Jalousien und Vorhänge in der Pforte - trotz Tagdienstes - geschlossen waren", rügten Vorgesetzte in der Abmahnung den "Verstoß gegen die arbeitsrechtlichen Pflichten", den man "nicht dulden" könne. In anderen Firmen wird so etwas in einem Gespräch geklärt.

Während Helmut Nawratil auf "interne und externe Feedbackinstrumente" verweist, welche eine "positive Entwicklung widerspiegeln", sprechen Mitarbeiter und ehemaligen Beschäftigte von einem "Klima der Angst" in Teilen der Firma. Selbst Verwaltungsräte sagen hinter vorgehaltener Hand, Nawratil dulde keinen Widerspruch, und wer ihm nicht passe oder ihn kritisiere, habe es schwer. Der hohe Verschleiß an Führungspersonal war bereits Thema im Verwaltungsrat, dem zehn Bezirksräte angehören.

Sie sollen den Vorstand kontrollieren, doch vieles dringt gar nicht erst zu ihnen durch. Und manches ist nicht angreifbar, auch wenn es einen seltsamen Beigeschmack hat und man es politisch durchaus hinterfragen könnte. Wie die für Kollegen überraschende Beförderung einer Mitarbeiterin kurz nachdem sie anonyme Vorwürfe gegen Nawratil intern untersucht und als falsch eingestuft hatte. Es bestehe da kein Zusammenhang, sagt er.

Von den Politikern im Verwaltungsrat hat der Klinikchef augenscheinlich nichts zu befürchten, im Gegenteil. Hauptsache die Zahlen stimmen. Drei Wochen ist es her, da schäumte Bezirkstagspräsident Bartsch förmlich über vor Lob über die "klare strategische Vorgehensweise" und "stringente Unternehmensführung" Nawratils. Deswegen stünden die Bezirkskliniken so gut da. Bartsch begründete so die vorzeitige Verlängerung des eigentlich noch bis Mai 2018 geltenden Vorstandsvertrags um fünf Jahre.

Und wie beim Camping-Dienstwagen, zeigt man sich großzügig. Von 1. Januar 2018 an verdient der umstrittene Klinikchef 380 000 Euro Grundgehalt, etwa 120 000 Euro mehr als derzeit. Kündigt eine der beiden Seiten den Vertrag vorzeitig "aus einem wichtigen Grund" steht Nawratil bis Ende 2022 die Hälfte des Gehalts weiter zu, also 190 000 Euro pro Jahr.

Drei der zehn Verwaltungsräte, Wolfgang Beigel (SPD), Daniel Arnold (Grüne) und Daniel Gruber (Piraten), stimmten gegen den Vertrag. Auch wenn das Gehalt branchenüblich erscheint, wollte ihnen nicht in den Sinn, wieso der Klinikchef auf einen Schlag fast 50 Prozent mehr verdienen soll. Während andererseits die hohen Personalkosten der Klinikfirma beklagt werden und die Ausgliederung Hunderter Mitarbeiter in eine Service GmbH erst im letzten Moment verhindert wurde. Sie hätten darin genauso viel arbeiten, aber deutlich weniger verdienen sollen.

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