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Geld verdienen mit ambulanten Operationen

Will «einen wesentlichen Beitrag zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen beitragen»: Operationssaal der Euro-Polyclinic Switzerland AG.

Der Zeitpunkt scheint ideal. Soeben hat der Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) eine Liste von Eingriffen bekannt gegeben, welche die Spitäler ab 2018 nicht mehr stationär, sondern nur noch ambulant durchführen dürfen. Und schon wird in Zürich eine neue grosse Tagesklinik eröffnet, die Euro-Polyclinic Switzerland AG an der Giesshübelstrasse, unweit des Einkaufszentrums Sihlcity. In drei Operations­sälen kann dort an fünf Tagen pro Woche von 7 bis 18 Uhr operiert werden. Interessierte Chirurgen können über ein Online-Reservationssystem Zeitfenster buchen. Die Koinzidenz ist Zufall, die Firma wurde bereits Ende 2015 gegründet. Dennoch nimmt Geschäftsleiter Marcello Caranci in einer Pressemitteilung Bezug auf das aktuelle gesundheitspolitische Umfeld: Indem die Euro-Polyclinic Switzerland Infrastruktur für ambulante Eingriffe zur Verfügung stelle, komme sie dem «Wunsch des Gesundheitsdepartementes» entgegen, wenn immer möglich ambulant statt stationär zu operieren. Damit leiste sie «einen wesentlichen Beitrag zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen».

Falls das Geschäftsmodell funktioniert. Tarifexperte Urs Stoffel hegt Zweifel. «Das ist ein Abenteuer, die Investoren gehen ein hohes Risiko ein», sagt der langjährige frühere Zürcher Ärztepräsident, der selber an verschiedenen Spitälern als Belegarzt operiert. Derzeit wisse niemand, welche Tarife ab 2018 gelten. Schon bisher war der ambulante Arzt­tarif Tarmed in etlichen Bereichen nicht kostendeckend, wie Ärzte, Ärztinnen und Spitäler immer wieder monierten. Und jetzt will Bundesrat Alain Berset noch Kürzungen im Umfang von 700 Millionen Franken vornehmen. Laut Stoffel würden diese vor allem die ambulant tätigen Chirurgen treffen, am stärksten die Augenärzte. Derzeit läuft die Vernehmlassung zu Bersets Vorschlägen.

Aus eigenen Mitteln

Stoffel findet es auch ambitiös, dass die neue Klinik drei Operationssäle füllen will. Zumal es in Zürich schon ein entsprechendes Angebot gebe, in der Limmatklinik zum Beispiel oder im Operationszentrum Bellaria bei der Klinik Im Park. Mit Heinigers Liste werde der Bedarf an ambulanten OP-Plätzen zwar steigen, doch die Spitäler würden sich auch um diese Fälle bemühen, sagt Stoffel. Der Investor der Euro-Polyclinic müsse bereit sein, auf Jahre hinaus Defizite in Kauf zu nehmen. Andere Branchenkenner teilen diese Einschätzung.

Der Investor selbst beurteilt die Lage anders. Es ist ein Geschäftsmann aus dem Kanton Schwyz, Roman J. Arnold. Er hat einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, alles eigene Mittel, wie er sagt. Arnold ist in der Uhrenbranche tätig, er hat eine Handelsfirma in Freienbach, die Euro-Time Switzerland AG, und ist Mehrheitsaktionär einer Uhrenfabrik im Tessin. Falls seine Euro-Polyclinic die ersten Jahre defizitär wäre, könnte er das verkraften, doch er gehe nicht davon aus. Er habe sich informiert übers Gesundheitswesen. «Unser Vorteil ist, dass unsere moderne Infrastruktur für verschiedene Ärzte nutzbar ist. Sollten wegen der Tarifanpassungen kleinere chirurgische Praxen in Schwierigkeiten geraten, könnten deren Ärzte kostengünstiger bei uns operieren.» Zudem seien die Abläufe in der neuen Klinik effizient und die Administration schlank. Laut Geschäftsleiter Marcello Caranci haben bisher rund zehn Ärzte zugesagt, mit vielen weiteren führe man Gespräche. Gefragt seien alle Fachdisziplinen.

Auf der Website der Klinik ist derzeit nur ein Arzt aufgeführt: Der Wiederherstellungschirurg Walter Künzi (68). Er ist ärztlicher Leiter. Künzi hatte viele Jahre im Unispital Zürich gearbeitet, nach der Pensionierung noch zwei Jahre am Kantonsspital Frauenfeld und danach als Belegarzt in der Klinik Hirslanden. Er wolle nicht bis 80 operieren, nimmt er kritische Fragen vorweg. «Meine Motivation ist, dafür zu sorgen, dass die Klinik ­anständig läuft.» Konkret: dass in hoher Qualität behandelt und korrekt nach Tarmed abgerechnet wird. Wichtig sei ihm auch, dass nur operiert wird, wenn es wirklich angezeigt ist, sagt Künzi. Die Euro-Polyclinic schliesse keine Belegarztverträge ab. Sie verlange von den Chirurgen aber eine Berufsausübungsbewilligung und einen FMH-Facharzt­titel.

Anästhesist infrage gestellt

Noch offen ist, wer für die Anästhesie verantwortlich sein wird – eine wichtige Funktion in einer so grossen Klinik. Laut TA-Recherchen ist ein Arzt mit einer unrühmlichen Vergangenheit vorgesehen: Domagoj Kujundzic, der ehemalige Leiter der Tagesklinik am Bellevue. Im Februar 2015 hatte Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger ein Operationsverbot gegen die Tagesklinik erlassen, weil die Sicherheit der Patienten nicht gewährleistet war. Die hygienischen und medizintechnischen Verhältnisse seien problematisch gewesen, sagte Heiniger damals. In der Klinik hatte unter anderem der als «Busen-Meyer» bekannte Schönheitschirurg Peter Meyer-Fürst gewirkt.

Kujundzic entschied dann, den Betrieb definitiv einzustellen. Seither hat er im Kanton Zürich keine Berufsausübungsbewilligung mehr. 2016 erhielt er aber eine solche in den Kantonen Aargau und Schwyz, wo er an verschiedenen Spitälern arbeitete. Ob er jetzt tatsächlich wieder in Zürich tätig wird, ist noch unklar. Laut Gesundheitsdirektion wäre dies auch ohne hiesige Berufsausübungsbewilligung möglich, im Angestelltenverhältnis. Walter Künzi, der die nötigen Bewilligungen für die Euro-Polyclinic besitzt, müsste Kujundzic also anstellen. Er bestätigt dessen Ambitionen und kennt dessen Vorgeschichte. Er habe Abklärungen getroffen, sagt Künzi. «Fachlich habe ich nichts Negatives gefunden.» Der definitive Entscheid über die Stellenbesetzung falle Mitte Juli.

Auf Künzi lastet eine grosse Verantwortung. Er ist in dem Unternehmen offensichtlich bisher die einzige Führungsperson vom Fach. Geschäftsleiter Marcello Caranci ist Personalvermittler mit eigener kleiner Firma in Horgen. Zuerst habe er aufs Baugewerbe fokussiert, sagt Caranci, seit einigen Jahren vermittle er nur noch Jobs im Gesundheitswesen. So ist er auf die Idee mit der Tagesklinik gekommen. Von einer früheren Arbeitsstelle kennt er Roman Arnold, den Investor, sowie den Treuhänder Rolf Aeschbacher. Dieser, ein Geschäftspartner von Arnold, ist in der Euro-Polyclinic Switzerland AG Verwaltungsratspräsident sowie Finanzchef. Die Stabstelle für Marketing nimmt Joël Arnold ein, Sohn von Roman Arnold. Er denke eben an die Zukunft, sagt der Investor. Einer seiner beiden Söhne soll einmal ein Gesundheitsunternehmen leiten, der andere den Uhrenbereich und die firmeneigenen Immobilien.