Leverkusen Krankenhauspersonal ist Mangelware

Leverkusen · In Deutschland fehlen 162.000 Klinikmitarbeiter, davon allein 70.000 in der Pflege. Die Gewerkschaft Verdi schlägt Alarm und fordert mehr Personal und Entlastung. Vor dem Klinikum gab es deshalb eine Aktion.

 Die Anästhesie-Schwestern Theresa Katzuba, Justine Weber und Andrea Höffgen (v.l) nutzten ihre Pause für eine kleine Erfrischung und nahmen für ihre Kolleginnen auf der Station gleich ein paar Portionen Eis mit, die Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Stückle bei der Verdi-Aktion vor Ort bereit stellte.

Die Anästhesie-Schwestern Theresa Katzuba, Justine Weber und Andrea Höffgen (v.l) nutzten ihre Pause für eine kleine Erfrischung und nahmen für ihre Kolleginnen auf der Station gleich ein paar Portionen Eis mit, die Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Stückle bei der Verdi-Aktion vor Ort bereit stellte.

Foto: Uwe Miserius

Die Gewerkschaft Verdi gab gestern den Eismann und verteilte kostenlos Eiskugeln an über 500 Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und andere Mitarbeiter des Leverkusener Klinikums. Das Personal begrüßte die Aktion. Bei 32 Grad Außentemperatur kam die Abkühlung am Mittag wie gerufen. Doch auch, wenn die meisten mit der lecker gefüllten Eiswaffel in der Hand freudig lächelten - oftmals ist ihnen in ihrem Arbeitsalltag nicht zum Lachen zu Mute.

Denn Deutschlands Krankenhäuser leiden an chronischer Unterbesetzung. Überall fehlt Personal, auch in Leverkusen. Besonders in der Pflege bekommen es die Krankenschwestern auf den Stationen täglich zu spüren: "Der Alltag auf Station kann schon heftig sein. Vor allem im Frühdienst, wenn die Körperpflege ansteht", sagt Justine Weber.

Die 25-Jährige hat während ihrer Ausbildung am Klinikum in Leverkusen alle Stationen durchlaufen und weiß, wie hart der Tag sein kann, wenn acht bis zehn Patienten in die Verantwortung einer Pflegekraft fallen. "Mittlerweile bin ich im Anästhesie-Bereich, wo es wirklich eine Eins-zu-eins-Betreuung gibt. Aber die anderen Kollegen haben täglich mit dem Personalmangel zu kämpfen."

Mareike Falke (33) ist examinierte Krankenschwester, betreut die Station der Unfallchirurgie und bestätigt: "Wenn die Station voll belegt ist, wird es in der Frühschicht mit fünf bis sechs Leuten schon stressig." Ihrer Meinung nach fehlt es vor allem an examinierten Kräften. Helfer gebe es nämlich einige auf Station, "aber sie dürfen nicht alles machen". Im Endeffekt muss dann doch eine Schwester ran, wenn es um Kanülen oder Blutabnahmen geht.

"Eigentlich", sagt Falke, "ist der Beruf in der Krankenpflege wirklich klasse, wenn die Verhältnisse stimmen würden." Oftmals komme es vor, dass das Personal vor lauter Arbeit keine Pausen machen könne. "Das passiert tatsächlich öfter", gibt die 33-Jährige zu. Vor allem, wenn es in mehreren Zimmern gleichzeitig klingele, sei es stressig.

"Es gibt sehr viele Patienten, die Verständnis dafür haben, dass wir nicht sofort überall sein können." Andere aber seien weniger verständnisvoll, was das Arbeitsklima zusätzlich verschärfe. Dennoch hat die Krankenschwester nie daran gedacht ihren Beruf zu wechseln. Im Gegenteil, aktuell bildet sie sich im Pflegemanagement weiter. "Da sind viele, die es am Patientenbett einfach nicht mehr aushalten und sich deswegen weiterbilden."

Unter dem Fachkräftemangel, gibt Wolfgang Stückle, Betriebsratsvorsitzender des Klinikums zu, leide schließlich auch die Qualität. Er selbst habe viele Jahre als Pflegekraft am Patientenbett gestanden und weiß, was seine Kollegen täglich am Klinikum in Leverkusen leisten.

Das Problem, bemerkt er, sei vielschichtig: Zum einen fehle das Geld, das von den Ländern und dem Bund bereit gestellt werden müsse, um in den Krankenhäusern Personal aufzustocken. "Dann muss der Beruf als solches noch attraktiver gestaltet werden." Die ständige Bereitschaft, der Nacht- und Wochenenddienst, müssten sich finanziell lohnen.

Erst gestern beschloss die Bundesregierung, den Mindestlohn im Pflegebereich bis Anfang 2020 schrittweise auf 11,35 Euro die Stunde hochzusetzen. Ein guter Schritt, aber nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, bemerkt Klinik-Geschäftsführer Hans-Peter Zimmermann - ebenso wie die Verdi-Aktion, die er durchaus unterstütze. "Es ist ein schwieriger Spagat. Wir versuchen alles, um unser Personal nicht zu sehr zu belasten, und würden auch gerne mehr einstellen, dürfen es aber nicht." Die finanzielle Situation lasse es nicht zu. "Da kann ich mich schlecht als Motivationskünstler hier hinstellen und einfach Eis verschenken."

Zimmermann hofft jedoch, dass die Aktion von Verdi Wellen schlägt und bei der Bevölkerung und Politik ankommt. "Wir müssen selbst wissen, wie viel uns Pflege und Gesundheit am Ende Wert sind." Um einen Teil der Belastung herauszunehmen, reagieren einige Kliniken mit dem Schließen von Stationen, sagt der Klinikums-Chef. "Aber das kann es bei einer älter werdenden Bevölkerung und steigenden Patientenzahlen nicht sein."

Am Leverkusener Klinikum, das über 740 Betten verfügt, sind 2200 Mitarbeiter beschäftigt, davon 1800 in der Pflege. 80 Prozent von ihnen sind Frauen, die häufig - auch familiär bedingt - in Teilzeit arbeiten. Jährlich werden in der eigenen Pflegeschule 25 neue Pflegekräfte ausgebildet, die nach ihrer Prüfung mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag übernommen werden. Aber auch die reichen nicht, um der steigenden Fluktuation entgegenzusteuern.

(RP)
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