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Um Impfungen von Schülern, Unversicherten, Flüchtlingen kümmern sich Amtsärzte - nur erhalten sie viel weniger als Mediziner in Kliniken.

© Gabbert/dpa

Exklusiv

Gesundheitsämter und Charité: In Berlins Gesundheitswesen droht Streik

Ärzte in Gesundheitsämtern wollen so verdienen wie Mediziner in Kliniken. Und an der Charité könnten die Pflegekräfte streiken - Entscheidung am Donnerstag.

Ob Amtsärzte, Pflegekräfte oder Klinikleiter – im Gesundheitswesen der Stadt stehen harte Auseinandersetzungen bevor. In den nächsten Tagen entscheidet sich nicht nur, ob der Senat die Ärzte in den Bezirksämtern tatsächlich ähnlich bezahlen möchte wie in Kliniken.

An der Charité könnte ein schon gelöst geglaubter Konflikt eskalieren – und zum Pflegestreik führen. Zudem drängen die Klinikleiter auf mehr Geld, was auch in der SPD viele verstehen.

Viel hängt davon ab, wie flexibel sich die rot-rot-grüne Landesregierung zeigt – die Verhandlungen betreffen längst nicht nur Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Denn nun hat der Marburger Bund (MB), als Gewerkschaft der Klinikärzte bekannt, den Finanzsenator zu Verhandlungen aufgefordert: Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ist für die Tarife der Landesbediensteten zuständig – und der MB möchte, dass die Ärzte in den Gesundheitsämtern so viel verdienen wie ihre Kollegen in den Kliniken.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Noch erhalten Fachärzte in den Ämtern 1000 Euro im Monat weniger als in den Kliniken üblich – und das, obwohl die Bezirke dringend Personal suchen. Insgesamt gibt es 315 bezirkliche Arztstellen, 40 davon sind unbesetzt. Impfungen von Schülern, Hygienekontrollen und Gutachten für psychisch Kranke dauern in Berlin oft Monate.

„Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, sagt MB-Landeschef Peter Bobbert. „Zumal wir schon für die Ärzte im Justizwesen erfolgreich verhandelt haben.“ Vor sechs Jahren setzte die Ärztegewerkschaft im Haftkrankenhaus in Plötzensee den an Kliniken üblichen Tarif durch. In den Bezirksämtern aber bekommt ein Facharzt am Laufbahnende immer noch rund 5900 brutto im Monat – das entspricht im Krankenhaus gerade dem Einstiegsgehalt.

Senator Kollatz-Ahnen lässt mitteilen, weil Berlin zur Tarifgemeinschaft der Länder gehöre, sei eine länderübergreifende Zustimmung für die Verhandlungen nötig. MB-Chef Bobbert widerspricht, Berlin könne eigene Verhandlungen führen – zudem habe der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag den Ärzten in den Gesundheitsämtern mehr Geld in Aussicht gestellt.

In der SPD wollen viele mehr Geld für die Kliniken

Bislang vertrat der kleinere Ärzteverband BVÖGD die Mediziner in den Ämtern. Der BVÖGD gehörte dem Beamtenbund an, der die geltenden, also vergleichsweise niedrige Tarife in den Ämtern absegnete. Den Beamtenbund hat der BVÖGD nun verlassen und unterstützt die Forderungen des MB.

Kollatz-Ahnen allerdings befürchtet, durch Sondergespräche mit Ärzten andere Fachgewerkschaften zu eigenen Wegen zu ermutigen: Bekommen nicht auch Laboranten, Polizisten, Ingenieure in Berlin weniger als anderswo? Zudem braucht der Finanzsenator wohl ohnehin mehr Geld als geplant. Im Haushaltsentwurf sollen die Krankenhäuser für 2018 und 2019 jeweils 130 Millionen Euro erhalten. Damit müssen Bauarbeiten, Technik, neue Betten bezahlt werden.

Die Krankenhausgesellschaft fordert, dass der Senat, wie angekündigt, so viel wie im Bundesdurchschnitt üblich pro Krankenbett ausschüttet. Für Berlin wären das 150 Millionen Euro pro Jahr. Diese Summe finden auch viele Sozialdemokraten angemessen und unterstützen eine entsprechende Forderung ihres Abgeordneten Thomas Isenberg.

Streiken die Pflegekräfte an der Charité?

Und als wäre das nicht genug, droht ein weiterer Streit an der Charité. Die landeseigene Universitätsklinik hatte 2016 einen bundesweit einmaligen Tarifvertrag mit Verdi abgeschlossen. Damals vereinbarten Gewerkschaft und Charité-Vorstand unter anderem, dass in der Nachtschicht auf keiner Station nur eine Pflegekraft allein eingesetzt werden darf.

Die tariflichen Regelungen werden Verdi zufolge aber nicht nur unterlaufen, der Klinikvorstand verweigere sich zudem wirksamen Kontrollen, falls die Schichten eben doch unterbesetzt sind. Der Vorstand bot an, monatlich prüfen zu lassen, ob ein Team zu viele Patienten versorgen musste. Verdi fordert ein Überprüfen für jede Schicht und jeden Mitarbeiter.

„Es geht um die verbindliche Entlastung des noch vorhandenen Personals. Diese Verbindlichkeit ist die Charité den Beschäftigten schuldig geblieben, deshalb müssen wir jetzt erneut Druck machen, auch zum Wohl der Patienten“, sagt Carsten Becker, Kinderkrankenpfleger und Chef der Verdi-Betriebsgruppe.

Am Donnerstag entscheidet sich intern, ob an Europas größer Universitätsklinik gestreikt wird. Den aktuell zu präzisierenden Tarifvertrag hatte Verdi mit einem tagelangen Ausstand durchgesetzt. „Ich gehe davon aus, dass wir uns noch einigen“, sagt Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité. Eine für Streiks übliche Notdienstvereinbarung hat Verdi dennoch an den Vorstand gesandt.

Aufsichtsratschef der Charité ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er hat gerade durchgesetzt, dass die teilprivatisierte Charité-Tochter CFM wieder vollständig zur Klinik kommt. Verlangt Müller nun, dass die Charité den Tarifvertrag genauer einhält, wird die Charité mehr Personal einstellen müssen – und dafür ebenfalls mehr Geld brauchen.

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