Interview mit Boris Rhein: Warum läuft an der Uni-Klinik so viel schief, Herr Minister?

Quelle: BILD
Von: Von MICHAELA STEUER und HORST CRONAUER

Frankfurt – Rote Zahlen, Untreue-Ermittlungen gegen den Dekan, ein umstrittener Ärztlicher Direktor, Keime auf der Intensivstation …

Die Uni-Klinik verliert an Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Seriosität. Fragen an Hessens Wissenschaftsminister (auch Aufsichtsratsvorsitzender Uni-Klinik) Boris Rhein (45, CDU).

Das BILD-Interview

BILD: Schlechte Google-Bewertungen, Studenten laufen weg. Das sind doch klare Alarmzeichen.

Boris Rhein: „Ich gebe nichts auf diese Bewertungen. Wir arbeiten täglich an der medizinischen Qualität. Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Leute mit gutem Bewusstsein in die Uni-Klinik gehen. Wir haben einen Masterplan entworfen, dieser Prozess läuft. Ich kann nicht feststellen, dass uns die Studenten weglaufen, ich nehme aber wahr, dass an der einen oder anderen Stelle an der Lehre Kritik geübt wird, daran muss gearbeitet werden.“

BILD: In der Uni-Klinik spricht man hinter vorgehaltener Hand vom „Terrorregime“, das der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. Jürgen Graf, und Dekan Prof. Dr. Josef Pfeilschifter aufgebaut haben sollen.

Rhein: „Das sind schwere Vorwürfe. Mich wundert allerdings, dass mir Derartiges bislang nicht vorgetragen wurde.“

BILD: Den Dekan nennt man „Erdogan“, er entscheide selbstherrlich, heißt es. Es werde mit der Angst der Mitarbeiter gespielt.

Rhein: „Auch das ist starker Tobak und wer die Vorwürfe erhebt, der sollte Ross und Reiter nennen, damit ihnen nachgegangen werden kann.“

BILD: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Dr. Pfeilschifter wegen Veruntreuung von Millionen. Aktueller Stand: Die Ermittler warten auf Antwort aus Ihrem Ministerium (für Wissenschaft und Kunst) – es geht um Verwendungsnachweise der Uni für Forschung und Lehre. Warum geben Sie die nicht raus?

Rhein: „Unser Ministerium hat hohes Interesse an einer schnellen Aufklärung und deswegen werde ich veranlassen, dass die Staatsanwaltschaft die angeforderten Akten umgehend erhält.“

BILD: Zuletzt machte die Uni-Klinik Schlagzeilen wegen einer keimverseuchten Intensivstation. Was sind die Konsequenzen? Warum haben wir keine Professur für Hygiene wie Bayern?

Rhein: „Wir müssen die Forschung zum Thema Keime dringend verstärken. Deswegen werde ich den universitätsmedizinischen Standorten Gießen, Marburg und Frankfurt den Aufbau eines hessischen Forschungszentrums für Resistenz und Hygiene vorschlagen. Wir wollen mit der Goethe-Uni eine Hygiene-Professur schaffen und wir werden mit der Landesärztekammer die Weiterbildungsermächtigung zum Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin beraten.“

BILD: An der Uni-Klinik dürfen nach drei Todesfällen keine Herztransplantationen mehr durchgeführt werden. Immerhin ist sie eines der deutschen Transplantationszentren.

Rhein: „Das ist sehr bedauerlich und ein Schwachpunkt. Aber wir handeln, um den Herzbereich zu stärken, denn ein Krankenhaus dieser Größe und Bedeutung muss Herztransplantationen durchführen können und dürfen.“

BILD: Riesensummen fließen in Forschung, Krankenversorgung und Lehre bleiben auf der Strecke, die klinische Forschung steht vorm Aus. Alles geschieht auf dem Rücken der Patienten. Ist das wirklich ein „Erfolgsmodell“?

Rhein: „Davon, dass irgendetwas vorm Aus stünde, kann nicht die Rede sein. Richtig ist aber, dass der Bund eine Fehlentwicklung der Krankenhausfinanzierung zulässt. Was jetzt nötig ist, ist eine Sonderfinanzierung der Uni-Medizin, denn sie erbringt Leistungen, die mit anderen Krankenhäusern nicht vergleichbar ist. Und was Forschung und Lehre betrifft, stattet das Land Hessen die Goethe-Uni mit jährlich fast 400 Mio. Euro auskömmlich aus.“

BILD: Sind der Dekan und der Ärztliche Direktor noch zu halten? Oder ist es nicht Zeit für einen Neustart, um wieder Vertrauen in die Klinik zu bekommen?

Rhein: „Prof. Dr. Graf hat in der letzten Krise medizinisch vorbildlich reagiert, der Dekan ist gewählt und versieht sein Amt.“

BILD: Würden Sie selbst in die Uni-Klinik gehen, wenn Sie krank wären?

Rhein: „Ja, wie viele Tausend andere Menschen auch. Es gibt in Deutschland mehr als 2000 Krankenhäuser, aber nur 32 Unikliniken – und dennoch versorgen diese ca. zehn Prozent aller stationären Patienten. Und das ist so, weil sie die Spezialisten sind, wenn es um schwerste oder seltene Erkrankungen oder um Leben und Tod geht.“

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