LUZERN: Verstrahlte Verstorbene müssen zwischengelagert werden

Bei ausgewählten Therapien werden Patienten mit radioaktiven Substanzen behandelt. Stirbt der Kranke, ist es möglich, dass der Leichnam für eine Kremation in einer ersten Phase nicht freigegeben werden darf. Wie geht man am Kantonsspital damit um?

Thomas Heer
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Symbolbild Manuela Jans-Koch

Symbolbild Manuela Jans-Koch

Auf mehreren A4-Seiten wird in der Patienteninformation dargelegt, was es über den Wirkstoff des deutschen Pharmakonzerns Wissenswertes zu vermitteln gibt. Wer sie liest, dem kann ganz schön mulmig werden. Daneben wird den Betroffenen in Spitälern, die diese Therapie anbieten, auch ein Merkblatt mit «Hinweisen für Patienten» abgegeben. Und zu guter Letzt findet sich eine Einwilligungserklärung, die sowohl vom Patienten und als auch vom behandelnden Arzt zu unterschreiben ist.

Die Rede ist von einem Medikament, das die radioaktive Substanz Radium-223 enthält. Dieser Wirkstoff wird in die Armvenen gespritzt und soll dazu beitragen, dass Krebspatienten, bei denen sich Knochenmetastasen gebildet haben, Linderung erfahren. Die Therapie erstreckt sich über fünf Monate. Während dieser Zeit werden dem Kranken insgesamt sechs Spritzen des Medikaments appliziert.

Wie nicht anders zu erwarten, hat auch diese Therapie Nebenwirkungen. Sie sind nicht unerheblich und dürften beim einen oder anderen Betroffenen ungute Gefühle auslösen. So heisst es unter anderem: «Diese Strahlung kann entsprechende Geräte, zum Beispiel bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen, auslösen.» Und geraten wird daher zu Folgendem: «Führen Sie deshalb immer ein ärztliches Dokument über Ihre Behandlung bei sich.»

Eine zügige Kremation kann verunmöglicht werden

Weiter wird darauf hingewiesen, dass: «Falls es innerhalb von zirka vier Wochen nach der (...) Therapie zum Tode kommen sollte, kann es sein, dass durch die zu hohe Restaktivität im Körper eine Kremation nicht möglich ist.» Entweder müsse dann, so heisst es weiter, eine Erdbestattung erfolgen oder die Kremation etwas verschoben werden. Man bittet auch darum, die Angehörigen darüber zu informieren. Wie kommt es, dass Kliniken wie das Luzerner Kantonsspital die Patienten darüber informieren müssen, dass eine Kremation unter Umständen nur mit einer zeitlichen Verzögerung durchgeführt werden kann? Dazu eine Nachfrage beim Bundesamt für Gesundheit. Sprecher Daniel Dauwalder verweist dabei auf die Verordnung über den Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen (VUOS) und schreibt: «Eine Feuerbestattung ist zulässig, wenn die Aktivität an Ra-223 im Körper des Leichnams unterhalb von 1000 Bewilligungsgrenzen (LA) liegt. Bei Radium entsprechen 1000 LA einer Aktivität von 900 Kilo-Becquerel.» Becquerel ist jene Einheit, welche angibt, wie stark radioaktive Materie strahlt. Das heisst, wie viele Atome pro Sekunde zerfallen.

Und Dauwalder schreibt weiter: «Die Kremation muss so lange aufgeschoben werden, bis die Aktivität an Ra-223 unter der geltenden Limite liegt.» Der BAG-Sprecher weist noch darauf hin, dass das Radium-223 mit einer Halbwertzeit von elf Tagen abklingt. Das Problem bei der Verbrennung kontaminierter Leichen liegt in den Abgasen, die während der Verbrennung entstehen und danach via Entlüftung der Umwelt zugeführt werden.

Das Spital ist für den Ernstfall gerüstet

Wer aber entscheidet, ob ein mit radioaktiver Substanz behandelter Patient nach seinem Ableben zur Kremation freigegeben wird? Gemäss Dauwalder ist es der behandelnde Arzt. Dies in Rücksprache mit dem nuklearmedizinischen Institut, das die Therapie durchführt. Im Luzerner Kantonsspital ist man auf dieses Szenario vorbereitet. Laut Sprecherin Ramona Helfenberger verfügt das Spital über das entsprechende Hilfsmittel, ein sogenanntes Kontaminationsmessgerät, womit der Leichnam, falls nötig, gecheckt werden kann. Helfenberger hält weiter fest: «Dieser Fall trat bei uns noch nie ein. Sollte ein Patient innerhalb der geltenden Frist ausserhalb des Luzerner Kantonsspitals sterben, würde er zu uns transportiert, um die Messung vorzunehmen.» Falls die Lagerung des verstorbenen Patienten, so Helfenberger weiter, erforderlich wäre, erfolgt diese in der Pathologie. Eine Kremation bedarf neben der ärztlichen Freigabe zusätzlich einer amtlichen Bewilligung des zuständigen Zivilstandsamtes, wie Heinz-Peter Stamm, Sekretär der Stiftung Luzerner Feuerbestatter, erklärt.

Thomas Heer

thomas.heer@luzernerzeitung.ch