OBWALDEN: «System der Spitalfinanzierung langfristig nicht haltbar»

Das Kantonsspital in Sarnen präsentiert erneut Spitzenergebnisse. Doch der Kanton muss immer mehr Geld für ausserkantonale Spitalaufenthalte in die Hand nehmen. Wie ist das zu erklären?

Adrian Venetz
Drucken
CEO Daniel Lüscher vor dem neuen Bettentrakt des Kantonsspitals Obwalden. (Bild: Corinne Glanzmann (Sarnen, 1. März 2017))

CEO Daniel Lüscher vor dem neuen Bettentrakt des Kantonsspitals Obwalden. (Bild: Corinne Glanzmann (Sarnen, 1. März 2017))

Adrian Venetz

adrian.venetz@obwaldnerzeitung.ch

Erneut trumpft das Obwaldner Kantonsspital mit Spitzenwerten auf: Im vergangenen Jahr wurden 4002 Personen stationär behandelt. Damit wurde die 4000er-Grenze erstmals geknackt. Bereits 2015 – im ersten vollen Betriebsjahr nach dem Neubau des Bettentraktes – purzelten die Rekorde. Die neuen Zahlen zeigten, «dass das Jahr 2015 kein ‹Ausreisser› war und die Strahlkraft des Kantonsspitals Obwalden weiter anhält», sagt Spitaldirektor Daniel Lüscher. «Was bei der Planung des neuen Bettentraktes wohl niemand für möglich gehalten hatte, ist in diesem Winter Realität geworden: Im stationären Bereich ist die Kapazitätsgrenze erreicht, in den ersten beiden Monaten 2017 zusammen mit der heftigen Grippewelle ­sogar überschritten worden», ­bilanziert Lüscher.

Nicht nur stationär sei das Spital auf Erfolgskurs, der ambulante Bereich habe mit 40232 Konsultationen ebenfalls markant zugelegt. Auch die Ergebnisse einer Patientenzufriedenheitsmessung 2016 freuen den Spitaldirektor. «Im Vergleich mit 24 anderen Chefarztspitälern in ähnlicher Grösse belegt das Kantonsspital Obwalden den zweiten Platz in der Gesamtbewertung und in der Bewertung des Pflegebereichs den ersten Platz.»

Fast 16 Millionen ausserhalb Obwaldens

Etwas quer in der Landschaft steht da auf den ersten Blick die Statistik des Kantons. Man könnte annehmen, dass dieser nun immer weniger Geld ausgeben muss für Obwaldner Patienten, die sich ausserhalb des Kantons stationär behandeln lassen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Diese ­Zahlungen für ausserkantonale ­Hospitalisationen steigen weiterhin an. 2010 waren es knapp 9 Millionen Franken, 2015 über 14 Millionen Franken. Und im Budget 2017 ist dafür ein Betrag von knapp 16 Millionen vorgesehen. Wie passt das zusammen?

«Mit dem neuen Bettentrakt haben diese Zahlen wenig zu tun», erklärt Werner Gut, Fachspezialist beim kantonalen Gesundheitsamt. Man beobachte hier vielmehr einen schweiz­weiten Trend. «Es gibt viel mehr Behandlungsmöglichkeiten als früher, und es wird viel mehr operiert.» Wenn ein Obwaldner also ausserhalb des Kantons in einem Spital liege, dann nicht deshalb, weil er das Obwaldner Kantonsspital meiden will, sondern weil die Behandlung dort gar nicht angeboten wird.

Unternehmerisch kein Grund zur Sorge

Dies bestätigt Spitaldirektor Daniel Lüscher und nennt als Beispiele etwa Herzoperationen oder komplizierte Eingriffe an der Wirbelsäule. «Dafür sind wir nicht ausgerüstet.» Die steigenden Kosten für ausserkantonale Hospitalisationen seien deshalb für das Kantonsspital Obwalden aus rein unternehmerischer Sicht kein Grund zur Sorge. «Dieses Phänomen beobachtet man auch in vielen anderen Kantonen.»

Viel dagegen machen können die Kantone nicht

«Nicht erfreulich» sind die steigenden Beiträge an ausserkantonale Spitalaufenthalte aber für den Kanton, sagt Werner Gut. Doch Einfluss nehmen könne man darauf kaum. «Die Gesundheitskosten steigen – das war schon immer so, und das wird auch in Zukunft so sein.» Ein grosses Fragezeichen setzt Werner Gut hinter die derzeitige Spitalfinanzierung in der Schweiz, vor allem hinter die unterschiedliche Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen. Ambulante Eingriffe im Spital gehen ganz zu Lasten der Krankenkassen. Bei stationären Aufenthalten dagegen gehen 55 Prozent der Kosten zu Lasten des Kantons, in dem der Patient wohnt. «Dieses System ist langfristig nicht mehr haltbar», ist Gut überzeugt. Es führe nämlich dazu, dass die Kantone froh sind um jeden Patienten, der sich ambulant behandeln lässt und nicht im Spitalbett liegt, und dass die Politik entsprechende – und teils umstrittene – Steuerungsinstrumente schaffe.

Werner Gut spricht dabei das aktuelle Beispiel in Luzern an. Ab Mitte 2017 gilt dort die von Gesundheitsdirektor Guido Graf vorgestellte 13er-Liste. Auf dieser Liste stehen 13 Eingriffe, die künftig ambulant durchgeführt werden sollen, sofern nicht aus medizinischen Gründen eine unbedingte stationäre Behandlung nötig ist. Vor allem die ambulanten Mandeloperationen stossen jedoch bei HNO-Ärzten auf massive Kritik (wir berichteten).