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Klinik-Konzernen die Stirn bieten

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Offenbach - Sie versteht sich als Gegengewicht zur Dominanz privater Klinikkonzerne und als regionale Interessenvertretung: In Offenbach haben acht niedergelassene Ärzte eine Genossenschaft gegründet. Für diese Gesundheitsinitiative Offenbach eG werden noch Mitstreiter gesucht. Von Matthias Dahmer

Die Gründung der Genossenschaft habe wirtschaftliche, politische und nicht zuletzt eigennützige Gründe gehabt, sagt Sprecher Dr. Christian Klepzig im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Allgemeinmediziner und Diabetologe gehört mit Claus Reimers und Andrea Assenmacher zum Vorstand der neuen Vereinigung, die möglichst viele Mitstreiter gewinnen will. „Wünschenswert wäre, dass alle der rund 200 niedergelassenen Ärzte in Offenbach mitmachen“, so Klepzig. Mittelfristig sollen auch Gesundheitsdienstleister, wie etwa Pflegedienste mit ins Boot geholt werden, die Stadt könne als eine Art Mediator fungieren.

Wie sehr es auf die Größe der Genossenschaft als regionale Interessenvertretung ankommt, macht Klepzig – und da sind wir schon bei den wirtschaftlichen Gründen – an einem Beispiel deutlich: Der Sana-Konzern habe deutschlandweit das größte Einkaufsnetz für medizinischen Bedarf. Wenn der Spritzen ordere, dann habe das ein anderes Gewicht als die Bestellung etwa einer Gemeinschaftspraxis. Durch den Zusammenschluss von 200 Offenbacher Ärzten in einer Genossenschaft erlange man eine viel bessere Verhandlungsposition auch den Kliniken gegenüber. Hinzu komme, dass eine solche Vereinigung bei Regress-Ansprüchen juristisch besser reagieren könne.

Der Offenbacher Vorstoß hat Vorbilder. So gehört Klepzig der seit 2008 existierenden Genossenschaft der Hessichen Diabetologen an. „Auch in Marburg gibt es eine rührige Genossenschaft, die der Uniklink Gießen und Marburg, die privat von der Rhön-Klinikum AG betrieben wird, schon mehrfach die Stirn geboten hat“, berichtet er und leitet damit über zu den gesundheitspolitischen Feinheiten des neuen Offenbacher Projekts. Hintergrund sind die von politischer Seite angestrebte Regionalisierung der Gesundheitsversorgung bei gleichzeitiger Aufhebung der Trennung von ambulanter und stationärer Behandlung. Die niedergelassenen Ärzte geraten so in Konkurrenz mit den privaten Klinik-Konzernen, die über sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit angestellten Ärzten in den ambulanten Bereich drängen und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz zur Bedrohung für die Niedergelassenen werden können. Auch am Sana-Klinikum gibt es bereits ein solches MVZ mit sechs Fachabteilungen, in denen insgesamt etwa ein Dutzend Mediziner tätig sind.

„Es geht nicht darum, dass wir Front beziehen gegen die Kliniken. Aber die Behandlung des Patienten darf nicht allein in den Hände Börsen notierter Unternehmen liegen“, so Klepzig. Vielfalt sei wichtig und Praxen mit immer gleichen Ansprechpartnern. Die ambulante Öffnung der Klinken müsse in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten erfolgen. „Wenn die Grenze zwischen ambulant und stationär niedergerissen wird, dann müssen wir auf Augenhöhe agieren können“, wirbt er für das Genossenschaftmodell. Und was hat der Patient davon? „Eine qualifizierte, wohnortnahe und humane medizinische Versorgung“. formuliert Klepzig. Er befürchtet, dass bei einem weiteren Zurückdrängen der selbstständigen niedergelassenen Ärzte die ohnehin schon lange Wartzeiten auf einen Facharzttermin noch länger werde. Studien hätten gezeigt, dass ein angestellter Arzt in einem MVZ nur 60 bis 75 Prozent der Patienten versorgt, die ein selbstständiger Mediziner behandelt. „Auch wir, die wir zwischen 55 und 60 Jahre alt sind, wollen in 15 Jahren gut versorgt sein“, begründet Klepzig die Eigennützigkeit des Genossenschaftsprojekts.

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