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Falsche Anreize für ambulante Eingriffe

Verdienen mehr am stationären Patienten als am ambulanten: Chirurgen bei einem Eingriff.

Der Trend zu ambulanten Spitalbehandlungen hat einschneidende Auswirkungen für Ärzte, Krankenkassen und Spitäler – beziehungsweise auf deren Portemonnaie.

Sie alle profitieren nicht davon, wenn der Patient ambulant behandelt werden kann: die Krankenkassen, weil sie bei ambulanten Eingriffen 100 Prozent der Kosten tragen müssen, bei stationären hingegen bloss 45 Prozent. Die Spitäler, weil sie am stationären Patienten mehr verdienen als am ambulanten. Das Gleiche gilt für Ärzte.

Krasse Fehlanreize

Verstärkt werden diese Fehlanreize durch die Spitalkostenzusatzversicherungen halbprivat und privat. Spitäler und Ärzte verdienen mehr an Patienten mit diesem Versicherungsschutz. Sie haben somit alles Interesse, den Patienten mit Spitalversicherungen stationär zu behandeln.

Somit stellt sich die Frage, weshalb die Krankenversicherer noch nicht auf die Idee gekommen sind, Zusatzversicherungen für ambulante Eingriffe in Spitälern zu entwickeln. Helsana hat es vor dreieinhalb Jahren mit Primeo versucht – mit mässigem Erfolg. 35'000 Versicherte haben sich bisher dafür entschieden.

Gemessen an den über einer Million Zusatzversicherten ist das nicht wirklich viel. Doch Wolfram Strüwe, Chef der Abteilung Gesundheitspolitik bei der Helsana Versicherungen AG, gibt sich mit den 35'000 durchaus zufrieden.

«Wir wollen für Ärzte einen Anreiz schaffen, Patienten ambulant zu behandeln», sagt Strüwe. «Primeo ist ein neuartiges Produkt.» Es brauche eine gewisse Zeit, bis es sich etablieren kann. «Doch mittelfristig wird sich Primeo durchsetzen», ist Strüwe überzeugt.

Ärzte denken stationär

Spitäler und Ärzte aber haben offenbar nicht auf das neuartige Produkt gewartet: «Viele Ärzte sind immer noch in der stationären Welt behaftet», beobachtet Strüwe. Eine Einschätzung, die unter Experten als unumstritten gilt. Zudem sind in Spitälern die Prozesse so eingespielt, dass das Handling von Primeo-Kunden nicht immer einfach ist.

«Viele Ärzte sind immer noch in der stationären Welt behaftet.»

Wolfram Strüwe, Helsana

Kunden mit diesem Produkt haben unter anderem Anspruch auf ein Einzelzimmer zur Erholung nach der Operation – samt Fernseher, Radio sowie Internetzugang. Auch ein kostenloser Parkplatz und die Taxifahrt nach Hause sind im Leistungspaket enthalten. Dafür zahlt man zwischen 17 und 74 Franken; je nach Alter. Hat man zusätzlich noch eine Spitalkostenzusatzversicherung, gibt es Rabatt.

Eingespielte Prozesse

«Alles, was von eingespielten Prozessen abweicht, ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden», erklärt Peter Fischer. Er ist Direktor der Klinik Hohmad in Thun und war bis Mitte 2012 Direktor der Krankenkasse Visana. Er kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung.

Geholfen hätte wohl, wenn die Konkurrenz nachgezogen hätte. Davon ist jedoch nichts zu sehen. «Der Markt bestimmt die Regel», sagt Mario Righini von der CSS. Er sieht derzeit weder seitens der Versicherten noch seitens der Spitäler und Ärzte einen Bedarf nach einem vergleichbaren Produkt.

Righini bezweifelt, dass Zusatzhonorare für Ärzte im ambulanten Bereich der richtige Weg seien. Er erinnert daran, dass mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) die früher gängigen Zusatzhonorare bewusst abgeschafft wurden. Mit Produkten, bei welchen Ärzte für ambulante Eingriffe ein Zusatzhonorar generierten, werde der Tarmed ausgehebelt.

Ewiger Lebenszyklus

Reymond Bührig von Atupri gibt zudem zu bedenken, dass Zusatzversicherungsprodukte einen ewigen Lebenszyklus haben. Ist es von der Finanzmarktaufsicht genehmigt worden, kann man es später nicht einfach aus dem Sortiment nehmen, falls es sich nicht bewährt.

Felix Schneuwly gehört zu jenen, die für solche Produkte eine Zukunft sehen. Nur müssten sie anders daherkommen: «Der medizinische Mehrwert ist mir bei Primeo zu wenig klar», sagt der Krankenkassenexperte von Comparis. «Ich habe in der Grundversicherung schon heute eine freie Arztwahl, sofern ich mich nicht für ein Sparmodell entschieden habe.»

Schliesslich muss man sich fragen, ob Halbprivat- und Privatversicherte nicht einen Anspruch haben, von ihrer Spitalkostenzusatzversicherung zu profitieren, falls die Operation dank des technologischen Fortschritts ambulant durchgeführt werden kann. Davon will Wolfram Strüwe ­partout nichts wissen. «Die Spitalkostenzusatzversicherungen sind ganz klar für stationäre ­Behandlungen gedacht.»