Interview zum Amtsantritt

Thomas Bachofner erklärt die Strategie von Swisscom Health

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Seit dem 1. Dezember 2016 leitet Thomas Bachofner Swisscom Health. Im Gespräch erklärt er, wie das Unternehmen aufgestellt ist und wie es die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben will.

Thomas Bachofner, CEO von Swisscom Health
Thomas Bachofner, CEO von Swisscom Health

Sie sind jetzt seit drei Monaten im Amt, wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Thomas Bachofner: Die sind sehr positiv. Zu Anfang habe ich mich sehr stark mit dem Gesundheitsmarkt auseinandergesetzt und mich mit vielen Kunden und Partnern getroffen, um die verschiedenen Stakeholder und Sichtweisen im Markt zu verstehen.

Was war das generelle Feedback dieser Gespräche?

Ich war positiv überrascht, dass Swisscom Health im Gesundheitswesen ein so grosses Standing und Renommee hat. Auch werden wir als sehr breit aufgestellt und als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen.

Wie war Swisscom Health bei Ihrem Amtsantritt aufgestellt?

Ich habe ein gut bestelltes Haus von Stefano Santinelli übernommen. Da Swisscom Health ein breites Portfolio besitzt, haben wir sehr viele Wachstumsthemen. Zudem gewannen wir im Bereich des Patientendossiers in letzter Zeit viele Projekte. Wir profitieren aktuell sehr vom Momentum in unserem Geschäft.

Wo sehen Sie Swisscom Health in seiner Entwicklung?

Swisscom Health hat nach der ersten Wachstumsphase nun eine gewisse Grösse erreicht, mit der wir die Synergien zwischen den verschiedenen Bereichen optimieren müssen. Vor allem müssen wir die Angebote stärker standardisieren und durchgängiger machen. Das sind die wesentlichen Themen, die wir in der nächsten Wachstumsphase angehen.

Können Sie dies noch an Beispielen konkretisieren?

Wir gewannen in verschiedenen Kantonen Ausschreibungen für E-Health-Plattformen. Diese bestehen immer aus zwei Teilen – aus dem elektronischen Patientendossier, EPD, und aus sogenannten Zusatzdiensten. Das EPD, im Fachjargon als ungerichtete Kommunikation bezeichnet, ist vom Gesetzgeber im EPD-Gesetz geregelt. Die Zusatzdienste beinhalten die gerichtete B2B-Kommunikation zwischen den Leistungserbringergruppen, zum Beispiel den Austausch von Bilddaten oder anderen medizinischen Informationen. Da unsere Kunden von Synergien im Schweizer Markt profitieren wollen, müssen wir darauf achten, dass wir die verschiedenen Projekte möglichst eng beieinander halten. Das heisst, dass wir das Angebot bei den Zusatzdiensten nicht zu weit auseinanderdriften lassen wollen. In den verschiedenen Kantonen gibt es da durchaus einen gemeinsamen Nenner bei gewissen Lösungen

Fordern das die Kunden aktiv von Ihnen?

Ja, in Gesprächen etwa mit der Zürcher Axana oder der Berner Insel Gruppe stellen wir das fest. Es gibt natürlich kantonale Eigenheiten, da das Gesundheitswesen überwiegend kantonal geregelt ist. Wir wollen aber die Balance zwischen den kantonalen Bedürfnissen und einem möglichst hohen Grad an Standardisierung finden. Das sichert die Interoperabilität und hält die Kosten im Rahmen.

Was waren Ihre ersten Projekte im Amt?

Die Auseinandersetzung mit dem Gesundheitssystem generell, unseren Kunden und unseren Partnern war und ist ein erster grosser Schwerpunkt. Gleich nach meinem Amtsantritt stand zudem die Übernahme des Praxis-Informationssystems Triamed von Galenica an. Daneben erforderten die Projekte rund um das elektronische Patientendossier meine Aufmerksamkeit.

Wie soll es mit Triamed weitergehen?

Triamed ergänzt mit seinen Funktionen unsere eigene Lösung Curaprax. Curaprax war bisher auf Einzelpraxen ausgerichtet. Mit Triamed kauften wir ein etabliertes Praxisinformationssystem, das seit Jahren in Praxisketten und Gruppenpraxen im Einsatz ist. Beide Lösungen ergänzen sich in dieser Hinsicht. Wir werden sie zusammenführen, um das marktführende Praxisinformationssystem anbieten zu können. Es geht zudem darum, dass die nächste Generation des Systems möglichst eng mit unserem Patientendossier verbunden wird. Beide sollen nahtlos in unser E-Health-Ökosystem integriert werden. Dies ist eines unserer langfristigen Projekte.

Wie schätzen Sie die Situation in der Gesundheitsbranche ein, gerade im Hinblick auf die Umsetzung des elektronischen Patientendossiers?

Sie ist sehr heterogen. Ausser den regionalen Unterschieden gibt es auch innerhalb einzelner Regionen eine Diskrepanz zwischen den verschiedenen Leistungserbringern. Vor allem die Kantone mit Unispitälern gehen voran. Sie wollen eine Vorreiterrolle spielen. Rund um die Unispitäler läuft sehr viel und es ist eine klare Strategie erkennbar. Andere Versorgungsregionen oder Kantone warten eher etwas zu und planen, in einer zweiten Welle einzusteigen. Bei den niedergelassenen Ärzten sind die Reaktionen unterschiedlich. Insbesondere für jene, die noch keine digitalen Patientenakten haben, bedeutet das elektronische Patientendossier eine grosse Umstellung im ganzen Arbeitsprozess. Für diejenigen Praxen, die schon voll digitalisiert sind und die Vorteile daraus nutzen, ist die elektronische Integration in eine E-Health-Plattform kein grosser Schritt. Bei den Einzelpraxen gibt es sicher mehr Fragezeichen bezüglich des Mehrwerts von E-Health als in Gruppenpraxen.

Der Markt entwickelt sich also in Ihre Richtung?

Ja. E-Health wird zunehmend als Mehrwert gesehen. Dies bei administrativen und medizinischen Prozessen wie auch zur Steigerung der Versorgungsqualität für Patienten. Je nach Leistungserbringer braucht es meiner Meinung nach schon noch ein paar Jahre, bis diese in die Arbeitsabläufe integriert sind. Dadurch, dass das Ganze aufseiten der Patienten und der niedergelassenen Ärzte auf Freiwilligkeit beruht, wird der Prozess der digitalen Integration sicherlich Schritt für Schritt erfolgen. Der erkennbare Mehrwert der Services wird es aber ermöglichen, die Adaption voranzutreiben.

Ist es sinnvoller, eher mit den Zusatzdiensten oder erst mit dem elektronischen Patientendossier zu beginnen?

Die Kantone verfolgen hier unterschiedliche Strategien. Aus meiner Sicht ist es sicher sinnvoll, gleich zu Anfang nicht nur das Patientendossier, sondern auch gleich die B2B-Zusatzdienste zu implementieren. Dies bietet sowohl den Leistungserbringern wie auch den Patienten Effizienzvorteile.

Wie weit sind die Praxen bei der Digitalisierung?

Man muss hier zwischen der Digitalisierung der administrativen und der medizinischen Daten unterscheiden. Wohl die meisten Praxen sind bei der Administration schon voll digitalisiert. Aber aufgrund der Arbeitsweise gibt es einige Praxen, die noch keine elektronische Patientengeschichte führen oder diese noch nicht voll in ihre Systeme integriert haben. Das übernehmen wir für die Kunden. Wir helfen hier, indem wir die Prozesse untersuchen, die Projekte priorisieren sowie auch die Angestellten und Ärzte schulen. Es ist im Prinzip ein klassisches Change-Management, bei dem alle Akteure mitgenommen werden müssen.

Wie grenzt sich Swisscom Health von den Wettbewerbern im Schweizer Markt ab?

Nehmen wir das Patientendossier: Die ungerichtete Kommunikation ist wie gesagt vom Gesetzgeber vordefiniert. Dieser muss verordnungskonform funktionieren. Hier ist es im Prinzip egal, ob ein Leistungserbringer die Lösung von Swisscom oder die eines Wettbewerbers verwendet. Hier gibt es auch keine grosse Differenzierung zwischen den Anbietern. Unterschiede gibt es etwa bei der strategischen Stossrichtung. Wir als Swisscom wollen mittels E-Health die umfassende Vernetzung der verschiedenen Leistungserbringer vorantreiben – also neben dem EPD auch den gerichteten Teil. Angefangen bei den Spitälern über die Ärzte bis hin zu den Privatpersonen. Darum haben wir uns so aufgestellt, dass wir in allen Bereichen über Kompetenzen verfügen. Wir haben die Vernetzungsinfrastruktur in den Spitälern, die Patienteninformationssysteme in den Praxen und die entsprechenden Systeme im Gesundheitsmanagement für die Konsumenten. Wir wollen also mit unserer Expertise und unseren Angeboten die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Dies unterscheidet uns von den Wettbewerbern.

Welche weiteren Felder bearbeitet Swisscom Health?

Wir sind auch im Consumer-Bereich aktiv, der sehr stark wächst. Immer mehr Schweizer legen Wert auf ihre Gesundheit und nutzen verstärkt etwa Fitnesstracker, die immer ausgereifter werden. Die Tendenz geht ganz klar in diese Richtung. Wir positionieren uns hier nicht als proprietärer Anbieter, sondern wir integrieren Apps und Sensoren in unsere Gesundheitsplattform Healthi. Diese stellen wir Firmen und auch Konsumenten zur Verfügung.

Wie sieht das Angebot für Unternehmen genau aus?

Diese Plattform integriert Aspekte des betrieblichen und persönlichen Gesundheitsmanagements. Sie spricht Mitarbeiter sowohl mit Tipps als auch mit gesundheitsrelevanten Inhalten, mit spielerischen Elementen und dem Quantified-Self-Ansatz an. Bei Swisscom ist die Gesundheitsplattform intern in Betrieb. Wir stellen sie aber auch anderen Firmen im B2B2C-Kontext zur Verfügung.

Was sind die wichtigsten Partner für Sie im Schweizer Gesundheitsmarkt?

Ich will hier eigentlich keine Unternehmen gesondert hervorheben. Allgemein kann ich sagen, dass wir sowohl im Bereich der Intermediäre als auch bei den Praxisinformationssystemen eigentlich mit allen Anbietern zusammenarbeiten. Unsere E-Health-Plattform ist ein offenes System, und wir sind momentan daran, möglichst viele Systeme Schritt für Schritt an unsere Plattform anzuschliessen. Wir setzen ganz klar auf offene Schnittstellen und schliessen keinen Partner von vornherein aus. Auch bei den Dienstleistungsanbietern haben wir keine Exklusivität. Obwohl wir ein kompletter Lösungsanbieter sind, bin ich überzeugt, dass wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen nur dann vorantreiben können, wenn wir offen für alle Partner sind. Ansonsten wird die Digitalisierung nicht die nötige Durchdringung erreichen, das ist meine Philosophie.

Die Vernetzung der Dienste schreitet immer weiter voran. Wie gehen Sie dabei mit der Sicherheit um?

Sicherheit ist das A und O und eines der zentralen Themen für uns wie auch generell für Swisscom. Alle unsere Lösungen werden entsprechend in hochsicheren Umgebungen gehostet. Der Schutz der Patienten- und Kundendaten hat höchste Priorität. Ansonsten würden wir umgehend das Vertrauen unserer Kunden verlieren. Wir nehmen auch keine Auswertung der Kundendaten vor, wie uns manchmal unterstellt wird. Die Daten sind und bleiben in jedem Fall Eigentum des Kunden beziehungsweise des Patienten.

Wie weit geht der Schutz beim Patientendossier?

Das elektronische Patientendossier ist keine zentrale Datenablage. Die Daten liegen in der Regel dezentral bei den Leistungserbringern, die für deren Sicherheit zuständig sind. Das elektronische Patientendossier ermöglicht nur den Zugriff auf diese Informationen. Wir sorgen mit unserem Portal Evita dafür, dass dieser Zugriff jederzeit sicher erfolgen kann.

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