In der Klinik Oberwil hängt der Haussegen schief

In der Klink Zugersee kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsleitung. Ein weiteres Mitglied fällt vorübergehend aus. Gleichzeitig ist die Stimmung unter den Mitarbeitern schlecht, wie die Resultate einer Umfrage zeigen.

Samantha Taylor
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Die Mitarbeiterbefragung der Klinik Oberwil fällt nicht gut aus. (Bild: Alexandra Wey (Zug, 30. September 2011))

Die Mitarbeiterbefragung der Klinik Oberwil fällt nicht gut aus. (Bild: Alexandra Wey (Zug, 30. September 2011))

Samantha Taylor

samantha.taylor@zugerzeitung.ch

In der Psychiatrischen Klinik Zugersee rumort es. Wie die Klinik vor kurzem mitgeteilt hat, verlässt Magdalena Maria Berkhoff Oberwil. Die Chefärztin gibt ihren Posten nach über zehn Jahren per Ende März an ihren langjährigen Stellvertreter Patrik Benz ab. Dieser wird Chefarzt ad interim und Mitglied der Klinikleitung. Berkhoff stehe noch bis Mitte Mai zu seiner Unterstützung zur Verfügung. Es handle sich um einen «normalen Abgang», sagt Hans Küng. Er ist Präsident der Betriebskommission, die als strategisches Gremium in der Klinik fungiert und die Geschäftsleitung in Absprache mit dem Konkordatsrat einstellt. «Magdalena Berkhoff hat bereits bei ihrer Einstellung gesagt, dass sie acht bis zehn Jahre bleiben wird. Nun hat sie diverse Projekte abgeschlossen, eine Standortbestimmung gemacht und beschlossen, die Klinik zu verlassen.»

So weit, so gut. Doch Magdalena Berkhoff ist nicht die Einzige, die derzeit nicht mehr in der Klinik arbeitet. In der Leitung gibt es weitere Veränderungen. Wie von mehreren Seiten zu erfahren ist, fehlt seit kurzem auch Direktor Reto Fausch. Er ist auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben, bestätigen mehrere Personen gegenüber unserer Zeitung.

Konkreter Grund für Abwesenheit ist unklar

Reto Fausch war nicht lange in Oberwil. Erst im Dezember 2015 hat er die Leitung der Klinik übernommen – nach turbulenten Zeiten. Alles begann mit dem Weggang von Paul Lalli. Anfang 2014 hat dieser nach 13 Jahren seinen Posten als Klinikdirektor abgegeben. Sein direkter Nachfolger blieb nicht lange im Amt. Schon nach drei Monaten warf er das Handtuch. Die Chemie in der Klinikleitung habe nicht gestimmt, war zu vernehmen. Im Frühjahr 2014 wurde Markus Müller als Interims-Geschäftsleiter eingesetzt. Er führte die Klinik rund eineinhalb Jahre, bevor dann Reto Fausch den Posten vor weniger als eineinhalb Jahren übernommen hat.

Aus welchem Grund Reto Fausch konkret abwesend ist, dazu kann man sich seitens der Betriebskommission nicht äussern. «Ich kenne den ärztlichen Befund nicht. Ich weiss nur, dass ein Arztzeugnis vorliegt», sagt Hans Küng. Der Gesundheitszustand von Reto Fausch werde in spätestens zwei Monaten neu beurteilt. Bis dahin leitet erneut Markus Müller die Klinik. «Wir gehen davon aus, dass Reto Fausch zurückkommt», sagt Küng.

Im Klinikumfeld keimt jedoch der Verdacht, dass es zu einem Zerwürfnis in der Geschäftsleitung gekommen sei. Es wird vermutet, dass die Abwesenheit des Direktors sowie der Weggang von Magdalena Berkhoff mit der Stimmung in der Klinik zusammenhängen. «Die Stimmung im Haus ist schlecht – und zwar auf verschiedensten Ebenen», sagt ein Informant, der anonym bleiben möchte. Seit dem Weggang von Paul Lalli habe es, neben dem Wechsel in der Direktion, auch zahlreiche andere Wechsel und Kündigungen gegeben. Darunter seien diverse Personen mit leitenden Funktionen gewesen. Unter anderem der Personalchef, der Oberpfleger, eine Pflegeexpertin sowie ein leitender Arzt.

Und damit nicht genug: Im Begriff zu gehen seien zwei Oberärztinnen sowie eine Stationsleitung. «Im letzten Jahr gab es auch in der Pflege eine Vielzahl von Wechseln. Es geisterten Zahlen von bis zu 60 Wechseln herum», sagt der Informant. Die Folge: «Es musste andauernd mit zu wenig Personal gearbeitet werden, vor allem auf der Akutstation.» Viele Weggänge seien ausserdem durch temporäre Mitarbeiter kompensiert worden. Ausserdem habe es auch Kündigungen in der Probezeit gegeben. «Es fehlt an Konstanz und an Ressourcen. Die Unzufriedenheit unter den Angestellten ist sehr hoch.»

Zu hören sei ausserdem, dass sich viele Mitarbeiter von der Geschäftsleitung nicht ernst genommen fühlen. Es herrsche auch teilweise der Eindruck vor, dass die Klinik möglichst rentabel funktionieren solle und dabei alles andere in den Hintergrund gerückt werde.

Unzufriedenheit mit der Geschäftsleitung ist hoch

Dass der Haussegen in der Klinik schief hängt, bestätigt auch die Mitarbeiterbefragung, welche im letzten Jahr durchgeführt wurde und die unserer Zeitung vorliegt. Die Ergebnisse daraus wurden im Februar dieses Jahres intern kommuniziert. Die Umfrage wurde von der Firma Icommit durchgeführt. Im Jahr 2016 nahmen schweizweit 150 Unternehmen teil, wodurch ein Vergleich zu anderen Firmen sowie psychiatrischen Kliniken ermöglicht wird.

Die Aussagen werden durch die Auswertung bestätigt. Tiefrot sind gewisse Ergebnisse. So finden 45 Prozent der Befragten der Berichtseinheit Pflege, dass das Unternehmen kein attraktiver Arbeitgeber ist. 46 Prozent finden die Klinik mässig attraktiv. 62 Prozent sind der Meinung, dass nicht genügend Personen in ihrem Team tätig sind, um die anfallende Arbeit zu bewältigen. 59 Prozent sind der Ansicht, dass ihre Arbeit und ihr Engagement durch den Lohn nicht angemessen honoriert werden. 58 Prozent finden, dass die Geschäftsleitung zu wenig Kontakt zu den Mitarbeitern pflegt. Und schliesslich sind 64 Prozent der Meinung, dass das Unternehmen die Gesundheit der Mitarbeiter nicht aktiv fördere. Das sind nur einige Beispiele, es gibt noch weitere kritische Punkte. Bei all diesen genannten Bereichen liegen die Ergebnisse der Klinik Zugersee deutlich hinter der letzten Befragung 2013 und ebenfalls hinter dem Schnitt anderer psychiatrischer Kliniken der Schweiz.

Massnahmen werden ergriffen

Dass die Abwesenheit des Klinikdirektors mit den Ergebnissen der Umfrage oder den Zuständen in der Klinik zusammenhänge, glaubt Hans Küng nicht. «Da besteht meines Wissens kein Zusammenhang», sagt er. Es sei selbstverständlich immer eine gewisse Herausforderung, wenn man neu in einen solchen Betrieb komme. «Man muss sich einarbeiten und eingliedern. Aber das ist Reto Fausch gut gelungen», so Küng. Dass seitens der Mitarbeiter der Kontakt mit der Geschäftsleitung kritisiert wird, darauf geht Küng nicht weiter ein. «Es ist anhand der Befragung schwer zu sagen, wer aus dem Gremium gemeint ist und woran es genau liegt.»

Die Tatsache, dass die Klinik in diversen Punkten wesentlich schlechter als bei der letzten Befragung abgeschnitten hat, hat man seitens der Betriebskommission zur Kenntnis genommen. «Das ist natürlich nicht erfreulich», sagt Küng. Die aktuelle Befragung sei allerdings auch zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt durchgeführt worden. «Wir befinden uns mitten in einem Umstrukturierungsprozess. Da fällt viel Arbeit an, und es gibt viele Veränderungen. Das ist nicht einfach.» Zur hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter sagt Küng: «Wir haben immer versucht, offene Stellen so rasch wie möglich zu besetzen. Es ist aber nicht einfach, fachlich gutes Personal zu finden. Der Markt ist ausgetrocknet.» Die Situation sei sicher nicht befriedigend. Trotzdem zeigt sich der Kommissionspräsident nicht beunruhigt. «Wir sind daran, diverse Massnahmen auszuarbeiten. Wir führen Gespräche und veranstalten Workshops, und zwar mit allen Mitarbeitern. Wir nehmen die Anliegen und die Resultate ernst und gehen sie an.»

In der Belegschaft fürchtet man, dass sich trotz allem nichts ändern werde, wie seitens des Informanten zu vernehmen ist. Bisher habe man von diesen Prozessen wenig gespürt.

Änderungen der Organisation

Konkordat Die Klinik Zugersee ist eine Konkordatsklinik der Kantone Uri, Schwyz und Zug. Das Psychiatriekonkordat zwischen diesen drei Kantonen wird derzeit revidiert. Alle drei Kantonsparlamente haben dem revidierten Konkordat zugestimmt. Mit der Revision kommt es zu einer Kompetenzverschiebung. Neu wird das Konkordat den Leistungsauftrag des ambulanten psychiatrischen Dienstes genehmigen und nicht mehr wie bisher der Zuger Kantonsrat im Rahmen der Budgetdebatte. Vorsitzender des siebenköpfigen Konkordatsrates ist der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister. Das geänderte Konkordat soll am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten.

Im Zusammenhang mit dieser Revision arbeitet die Klinik auch am Projekt «Integrierte Psychiatrie UR/SZ/ZG». Damit soll der Bevölkerung ein vernetztes Angebot in diesem Bereich bereitgestellt und die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Leistungserbringern optimiert werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden zusammen mit der Übernahme der Psychiatrischen Klinik Zugersee in Oberwil die ambulanten psychiatrischen Dienste der drei Kantone sowie die Psychiatrische Klinik Zugersee in einer Organisation zusammengefasst. Der Start dieser neuen Betriebsgesellschaft ist für Anfang 2018 vorgesehen. (st)